Leitsatz (amtlich)
Eine gemäß § 60 Abs. 3 FGO erforderliche Beiladung einer GmbH darf nicht deshalb unterbleiben, weil die GmbH aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden ist.
Normenkette
FGO § 58 Abs. 2 S. 2, § 60 Abs. 3; ZPO § 57
Tatbestand
In der Sache ist streitig, ob eine Forderung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bereits bei der Gewinnermittlung des Jahres 1972 oder erst bei der des Jahres 1973 gewinnerhöhend zu berücksichtigen ist.
Die in Liquidation befindliche Klägerin, eine GmbH & Co. KG, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 5. März 1971 gegründet. Persönlich haftende Gesellschafter waren die G-GmbH und die Beigeladene zu 3. Kommanditisten waren die Beigeladene zu 1 und D (im Streitjahr 1972 dessen Erbin, die Beigeladene zu 2). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte im Einspruchsverfahren der Beigeladenen zu 1 die Forderung - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - bereits im Jahre 1972 erfaßt. Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) eine der persönlich haftenden Gesellschafterinnen - die inzwischen im Handelsregister gelöschte G-GmbH - mit der Begründung nicht zum Verfahren beigeladen, das FA habe im Rahmen eines Einspruchsverfahrens der G-GmbH den geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom 5. Oktober 1976 aufgehoben; daher könne die Entscheidung im Streitfall keine Auswirkungen mehr auf die G-GmbH haben. Das FG bezog sich auf eine in den Akten befindliche Verfügung des FA vom 27. Mai 1977 zu Steuernummer 317/142/0369. Das FG wies die Klage aus materiellrechtlichen Gründen ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Sie beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung den Gewinn der Klägerin für das Jahr 1972 wie im Gewinnfeststellungsbescheid festzustellen und-zu verteilen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Beiladung der Beigeladenen zu 1 bis 3 zum Verfahren vor dem FG besteht zu Recht.
Der Streit geht um die Höhe des Gesamtgewinns der Klägerin im Streitjahr 1972. In einem solchen Falle sind im Verfahren der einheitlichen (gesonderten) Gewinnfeststellung in der Regel nur die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter (die Gesellschaft) nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt. Eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO kommt für die übrigen (nichtklagebefugten) Gesellschafter nicht in Betracht (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Zutreffend hat das FG jedoch erkannt, daß im Streitfall die Verhältnisse deswegen anders liegen, weil sich die Klägerin in Liquidation befindet. Anders als beim Gesellschafter-Geschäftsführer kann bei einem Liquidator nicht davon ausgegangen werden, daß er mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter eine Entscheidung des FA über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung anfechten darf (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790; vom 7. Februar 1975 III R 41/74, BFHE 115, 176, BStBl II 1975, 495).
2. Das FG hätte jedoch aus den unter 1. dargelegten Gründen auch die G-GmbH gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beiladen müssen. Der Beiladung der G-GmbH steht nicht entgegen, daß diese im Handelsregister gelöscht war.
a) Eine GmbH besteht trotz ihrer Löschung im Handelsregister rechtlich fort, wenn bei der bisherigen Abwicklung ein Anspruch gegen sie übergangen wurde oder wenn sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1969 I R 190/67, BFHE 96, 335, BStBl II 1969, 656, mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29. September 1967 V ZR 40/66, BGHZ 48, 303; BGH-Beschluß vom 23. Februar 1970 II ZB 5/69, BGHZ 53, 264). Für den rechtlichen Fortbestand einer bereits gelöschten GmbH genügt es, daß diese an einem Rechtsmittelverfahren beteiligt ist und sich in diesem Verfahren das steuerrechtliche Ergebnis für sie ändern kann. Diese Voraussetzungen liegen in der Person der G-GmbH vor. Denn je nachdem, ob die streitige Forderung im Veranlagungszeitraum 1972 zu erfassen ist oder nicht, verändert sich auch der Gewinnanteil der G-GmbH.
b) Die Löschung einer GmbH im Handelsregister hat den Verlust der Geschäftsführungsbefugnis des bisherigen Geschäftsführers zur Folge. Damit ist die GmbH mangels eines vertretungsberechtigten Organs prozeßunfähig geworden (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1967 I R 144-145/66, BFHE 90, 336, BStBl II 1968, 95; BGHZ 53, 264). Die G-GmbH bedarf deshalb zu ihrer rechtlichen Vertretung vor dem FG eines gesetzlichen Vertreters. Solange dieser nicht bestellt ist, kann ihr der Beiladungsbeschluß nicht wirksam zugestellt werden.
c) Als gesetzlicher Vertreter kommt insbesondere ein Nachtragsliquidator in Betracht. Der Bestellung eines solchen Liquidators steht nicht entgegen, daß diese nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 - Löschungsgesetz - (RGBl I 1934, 914) nur vorgesehen ist, wenn sich nachträglich das Vorhandensein von Vermögen herausstellt. Diese Regelung betrifft nur den praktisch wichtigsten Fall. Die Abwicklung ist darüber hinaus stets dann wieder aufzunehmen, wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind. Das ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 273 Abs. 4 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 (vgl. z. B. für § 214 Abs. 4 AktG 1937 Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 4. Oktober 1955 BReg 2 Z 104/55, Deutsche Notar-Zeitschrift 1955 S. 638, sowie - allgemein zur entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift im Recht der GmbH - BGHZ 53, 264). Die Vorschrift beruht auf dem auch für die GmbH geltenden Grundsatz, daß eine Gesellschaft auch nach ihrer Löschung im Handelsregister bis zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Gesellschaftsverhältnisses fortbesteht (zu diesem Grundsatz vgl. z. B. BGHZ 48, 303). Entsprechend diesem Zweck des § 273 Abs. 4 AktG wird ein Nachtragsliquidator bestellt, wenn nach der Löschung noch ein Bedürfnis für eine Betätigung der Gesellschaft besteht, insbesondere noch Rechte und Pflichten wahrzunehmen sind, die nur die Gesellschaft als solche wahrnehmen kann. Das gilt auch für das Recht zur Teilnahme an einem sie betreffenden Verfahren.
d) Neben dieser Möglichkeit der Bestellung eines Nachtragsliquidators für die GmbH ist im Streitfall auch die Bestellung eines Prozeßpflegers in entsprechender Anwendung des § 57 der Zivilprozeßordnung - ZPO - zulässig (§ 58 Abs. 2 Satz 2 FGO; vgl. dazu Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1965 VII C 90/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1967 S. 254 - HFR 1967, 254 -, und vom 31. August 1966 V C 223/65, HFR 1967, 366). Die GmbH ist als solche trotz Löschung beteiligtenfähig; ihr fehlt nur die Prozeßfähigkeit. Als Prozeßvertreter kommt nur eine natürliche Person in Betracht.
e) Die fehlende notwendige Beiladung der G-GmbH ist ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746). Sie kann in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden (§ 123 FGO). Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuverweisen, ohne daß der BFH befugt wäre, zur materiell-rechtlichen Streitfrage selbst Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 73583 |
BStBl II 1980, 587 |
BFHE 1980, 477 |