Leitsatz (amtlich)
1. Unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG ist, daß die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder die Einkünfte aus der Berufstätigkeit die übrigen Einkünfte überwiegen. Es liegt nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, diese Abgrenzung durch Beschränkung seines Antrags auf einen bestimmten Teil der Nebeneinkünfte gegenstandslos zu machen.
2. Bei der Feststellung, ob die Haupteinkünfte die übrigen Einkünfte überwiegen, sind die Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit zu den übrigen Einkünften zu rechnen. Der Senat hält an den Grundsätzen seiner Entscheidung IV 238/56 U vom 13. September 1956 (BFH 63, 331, BStBl III 1956, 324) fest.
Normenkette
EStG 1961 § 34 Abs. 4
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) ist ordentlicher Professor. Im Streitjahr 1961 hatte er folgende Einkünfte:
Aus nichtselbständiger Arbeit
(Gehalt als Professor) 23 826,- DM
aus selbständiger Arbeit
(wissenschaftliche Tätigkeit) 32 993,60 DM
davon entfallen auf:
schriftstellerische Tätigkeit 17 779,64 DM
Tätigkeit als Rechtsgutachter 13 019,60 DM
Vortragstätigkeit 1 844,06 DM
Prüfungstätigkeit
(Justizprüfungsamt) 350,30 DM
In der Steuererklärung beantragte der Steuerpflichtige, den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 4 EStG auf die freiberuflichen Einkünfte anzuwenden. Das FA gewährte diesen nur für die Einkünfte aus Vortrags- und Prüfungstätigkeit.
Mit dem Einspruch begehrte der Steuerpflichtige, die Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit und aus Prüfungstätigkeit in Höhe von 18 129 DM nach § 34 Abs. 4 EStG zu versteuern. Das FA rechnete in der Einspruchsentscheidung die gesamten Nebeneinkünfte des Steuerpflichtigen aus wissenschaftlicher Tätigkeit zu den sogenannten "übrigen Einkünften" im Sinne von § 34 Abs. 4 Nr. 1 EStG. Da hiernach die übrigen Einkünfte die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit überstiegen, versagte das FA nunmehr jede Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG.
Die Klage des Steuerpflichtigen hingegen hatte Erfolg.
Das FG, dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 562 abgedruckt ist, ließ sich hierbei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:
Die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus Schriftstellerei, Erstattung von Rechtsgutachten, Vortrags- und Prüfungstätigkeit seien Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit, die er neben seinen Haupteinkünften aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe. Dies gelte auch für die Gutachtereinkünfte. Denn diese seien dem Steuerpflichtigen nicht aus einer hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zugeflossen. Der Steuerpflichtige sei, wie das FA richtig festgestellt habe, bei der Erstattung der Gutachten nicht als Rechtsanwalt tätig geworden. Die Tarifvergünstigung sei dem Steuerpflichtigen in dem von ihm begehrten Umfang ungeachtet des Umstandes zuzubilligen, daß entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit insgesamt gesehen höher seien als die aus nichtselbständiger Arbeit als ordentlicher Professor. Die Zuordnung zu den übrigen Einkünften aus § 34 Abs. 4 Nr. 1 EStG gelte nur für solche Nebeneinkünfte, für die der Steuerpflichtige den Antrag auf Tarifvergünstigung stelle. Tue er dies nicht für alle Nebeneinkünfte, so zählten die verbleibenden (nicht begünstigten) Nebeneinkünfte zu den Einkünften aus der Berufstätigkeit. Die Begrenzung der Begünstigung auf 50 v. H. der hauptberuflichen Einkünfte sei auch wirksam und ausreichend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage des Steuerpflichtigen.
Nach § 34 Abs. 4 EStG sind die Steuersätze nach Abs. 1 auf Antrag bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus selbständiger Arbeit aus einer Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit unter anderem nur unter der Voraussetzung anzuwenden, daß die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder die Einkünfte aus der Berufstätigkeit die übrigen Einkünfte überwiegen. Diese Bestimmung verlangt also, daß die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit oder die Einkünfte aus der freien Berufstätigkeit die "übrigen" Einkünfte überwiegen. Zu der Frage, was unter "übrigen" Einkünften zu verstehen ist, hat der Senat sich in seiner Entscheidung IV 238/56 U vom 13. September 1956 (BFH 63, 331, BStBl III 1956, 324) dahin entschieden, daß bei der Feststellung, ob die Haupteinkünfte die übrigen Einkünfte überwiegen, die Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit zu den übrigen Einkünften zu rechnen sind.
An dieser Entscheidung, auf die im einzelnen Bezug genommen wird, hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest. Der im Schrifttum und diesem folgend von der Vorinstanz vertretenen Auffassung, daß es in der Hand des Steuerpflichtigen liege, durch eine Beschränkung seines Antrags auf Tarifvergünstigung auf einen bestimmten Teil der Nebeneinkünfte, die in § 34 Abs. 4 Nr. 1 EStG normierte Abgrenzung gegenstandslos zu machen, ist der Senat bereits in seinem Urteil IV 221/63 U vom 11. März 1965 (BFH 82, 361, BStBl III 1965, 379) entgegengetreten. Es widerspräche dem klaren Wortlaut des Gesetzes, wenn der Steuerpflichtige die Auswirkung der Vergünstigungsvorschrift willkürlich auf einen Teil seiner Nebeneinkünfte beschränken dürfte, nur um damit zu erreichen, daß die in § 34 Abs. 4 EStG vorgesehene Grenze nicht überschritten wird. Dies gilt auch für die Fälle, in denen wie hier der Steuerpflichtige nur einen Teil der aus verschiedenen Quellen stammenden und daher unter Umständen voneinander abgrenzbaren Nebeneinkünfte begünstigt wissen will.
Fundstellen
Haufe-Index 68057 |
BStBl II 1968, 526 |