Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
War eine Rb. nach dem innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist gestellten Antrag wegen unzureichenden Streitwerts unzulässig, so wird sie nicht dadurch zulässig, daß der Antrag nach Ablauf der Beschwerdefrist, aber innerhalb der Begründungsfrist erweitert wird.
Der für die Gebühren maßgebende Wert des Streitgegenstands richtet sich nach dem Begehren des Rechtsmittelführers ohne Rücksicht darauf, ob die Rb. zulässig ist.
Normenkette
AO § 286 Abs. 1; FGO § 115/1; AO §§ 245-246, 237 a. F, § 289/2; FGO § 120 Abs. 1; AO § 320/4; FGO § 140/3
Tatbestand
Der Bg. und zwei weitere Personen (Erwerber) haben je zum unabgeteilten Drittel einen Bauplatz gekauft. Bereits zuvor hatten die Erwerber mit einer Wohnungsbaugesellschaft, an der der Veräußerer zu 95 v. H. beteiligt war, vereinbart, daß diese im Namen und für Rechnung der Erwerber auf dem gekauften Grundstück ein Wohnhaus baute.
Das Finanzamt hat Kaufvertrag und Aufbauvertrag als einheitlichen Erwerbsvorgang angesehen und die Grunderwerbsteuer aus der Gesamtgegenleistung berechnet. Aus einem Drittel dieses Betrages wurde die Grunderwerbsteuer gegen den Bg. festgesetzt.
Die Sprungberufung des Bg. hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat den Grunderwerbsteuerbescheid aufgehoben und die Grunderwerbsteuer auf null DM festgesetzt. Der Bundesfinanzhof hat das Urteil aufgehoben. Er hat zwar gebilligt, daß das Finanzgericht Kaufvertrag und Aufbauvertrag als selbständige Verträge angesehen hat, hat aber eine genügende Aufklärung darüber verneint, daß die Erwerber Bauherren gewesen seien.
Nach Erhebungen im zweiten Rechtsgang hat das Finanzgericht den Bg. wiederum unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids von der Grunderwerbsteuer freigestellt.
Durch Schreiben vom 11. November 1963 hat der Vorsteher des Finanzamts (Bf.) Rb. erhoben mit dem Antrag, die Grunderwerbsteuer auf 196 DM festzusetzen. In der durch Schreiben vom 12. Dezember 1963 dem Finanzgericht vorgelegten Beschwerdebegründung vom 4. Dezember 1963 hat das Finanzamt den Rechtsbeschwerdeantrag erweitert und die ursprünglich festgesetzte Grunderwerbsteuer von 6.000 DM verlangt. Zur Erläuterung des ersten Antrags hat es später ausgeführt, dieser habe sich nur auf die Grunderwerbsteuer für das unbebaute Grundstück bezogen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unzulässig, weil sie in ihrem ersten, allein innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist (ß 245 AO) gestellten Antrag die durch § 286 Abs. 1 a. F. AO geforderte Beschwerdesumme von 200 DM nicht erreicht und das Finanzgericht die Rb. nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen hatte. Daß der Bf. seinen Antrag in der Rechtsbeschwerdebegründung erweitert hat, ist ohne Belang, da die Rechtsmittelfrist selbst bereits abgelaufen war.
Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß die Zulässigkeit der Rb. grundsätzlich nach dem Streitwert zur Zeit der Einlegung der Rb. zu beurteilen ist (Urteile VI 136/59 vom 21. August 1959, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - Reichsabgabenordnung § 286 Rechtsspruch 53; VI 137/62 vom 29. Oktober 1963, StRK Reichsabgabenordnung § 286 Rechtsspruch 46; III 194/63 U vom 14. Februar 1964, Bundessteuerblatt 1964 III S. 235, Slg. Bd. 79 S. 5). Denselben Standpunkt vertreten andere obere Bundesgerichte (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 1 S. 29; Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. Januar 1963 - 10 R v 715/62, Bundesversorgungsblatt 1963 S. 60; vgl. auch Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 168 S. 355). Noch nicht zu entscheiden hatte der Bundesfinanzhof über die Frage, ob ein innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist (ß 289 Abs. 2 AO), aber nach Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist (§§ 245, 246 AO) gestellter Antrag, der die Grenze des § 286 Abs. 1 AO überschreitet, die Rb. zulässig macht, wenn mit dem in der Beschwerdeschrift ausdrücklich formulierten Antrag der in § 286 Abs. 1 AO geforderte Beschwerdewert nicht erreicht ist. Diese - im Urteil des Bundesfinanzhofs III 194/63 U (a. a. O.) nicht behandelte - Frage ist zu verneinen.
Zwar genügt für die Einlegung der Rb. die Erklärung, daß der Bf. sich durch die Entscheidung beschwert fühlt und Nachprüfung begehrt (ß 249 Abs. 2 AO). Beschränkt sich der Bf. auf diese Erklärung, so gilt die Entscheidung des Finanzgerichts in vollem Umfang als angefochten; jedoch kann der Bf. innerhalb der Frist zur Begründung der Rb. (ß 289 Abs. 2 AO) die Anfechtung noch mit streitwertbegrenzender Wirkung beschränken. Daraus folgt aber nicht, daß umgekehrt eine Rb. nach Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist (§§ 245, 246 AO) noch dadurch zulässig gemacht werden könnte, daß der Bf. einen ausdrücklichen Antrag, mit dem die Beschwerdesumme des § 286 Abs. 1 AO nicht erreicht wird, erweitert. Denn eine solche Rb. war bereits unzulässig; sie konnte nicht durch nachträgliche, nur zur Abgrenzung und Begründung des eingelegten Rechtsmittels vorgesehene Anträge zulässig gemacht werden. Ob dieser Grundsatz auch gelten könnte, wenn die ursprüngliche Begrenzung nur auf einem Versehen beruht, kann dahingestellt bleiben. Denn der Bf. hat bewußt zunächst die Grunderwerbsteuer nur aus dem Preis des unbebauten Grund und Bodens und hernach erst aus dem Preis des bebauten Grundstücks gefordert.
Die Rb. war daher mit der Kostenfolge der §§ 309, 307 AO als unzulässig zu verwerfen (ß 252 Abs. 1, § 286 Abs. 1 AO). Der Wert des Streitgegenstands war hinsichtlich der Gebühren nach dem späteren Antrag des Bf. auf 6.000 DM zu bemessen (ß 320 AO). Denn ein diesem Betrag entsprechendes Urteil - d. h. die Zurückweisung der Berufung - hat der Bf. in diesem Rechtszug erstrebt, wenn auch der entsprechende Antrag die Rb. nicht mehr zulässig machen konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 411676 |
BStBl III 1965, 490 |
BFHE 1965, 675 |
BFHE 82, 675 |