Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
§ 8 UStDB kann in der Regel nicht angewendet werden, wenn der beauftragte Unternehmer den Gegenstand durch einen anderen Unternehmer herstellen läßt.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1; UStDB §§ 7-8; UStG § 3/8; UStG § 3/9
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) betreibt die Herstellung von Armaturen aus Metall. Sie hat die in ihrem Betrieb angefallenen Metallabfälle (Messingkrätze, Unterofenasche, Messingspäne usw.) an die Firma X hingegeben und dafür von dieser Firma Messingblöcke erhalten. Die hingegebenen Abfälle wurden zum Teil unter Berücksichtigung von Schwund- und Schmelzverlusten mit den erhaltenen Neumetallblöcken verrechnet; ein Teil der Geschäfte ist nur mengenmäßig abgerechnet worden.
Streitig ist, ob es sich um bloße Umarbeitungsgeschäfte handelt oder ob die Stpfl. den Wert der hingegebenen Abfälle zu versteuern hat.
Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1961 wurde von dem Prüfer eine Anwendbarkeit des § 8 UStDB abgelehnt, weil der beauftragte Unternehmer die Herstellung nicht selbst ausgeführt habe. Der Prüfer hielt die Stpfl. mit der Lieferung der Messingabfälle für steuerpflichtig. Das Finanzamt (FA) schloß sich der Auffassung des Prüfers an und führte für 1957 bis 1959 Berichtigungsveranlagungen durch. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Berufung hatte die Stpfl. keinen Erfolg. Die Rb. der Stpfl., die gemäß § 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO als Revision zu behandeln ist, wird auf unrichtige Rechtsanwendung und Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten gestützt.
Entscheidungsgründe
Auch die Revision ist nicht begründet. Die Stpfl. ist der Meinung, daß es sich im vorliegenden Fall um eine reine Werkleistung handle und sie deshalb den Wert des hingegebenen Materials nicht zu versteuern habe. Dieser Beurteilung kann nach dem gegebenen Sachverhalt nicht gefolgt werden. Von einer reinen Werkleistung kann nur gesprochen werden, wenn der beauftragte Unternehmer den vom Auftraggeber hingegebenen Stoff bearbeitet oder verarbeitet und aus diesem Stoff den zu fertigenden Gegenstand herstellt. Tauscht der beauftragte Unternehmer den hingegebenen Stoff gegen einen anderen Stoff gleicher Art und Güte aus, so hat er dem Auftraggeber gegenüber nicht nur eine Arbeitsleistung erbracht, sondern einen aus von ihm selbst beschafftem Stoff hergestellten Gegenstand geliefert. Der hingegebene Stoff ist, soweit er nicht in den gelieferten Gegenstand eingegangen ist, in die Verfügungsmacht des herstellenden Unternehmers übergegangen. Nach den tatsächlichen Vorgängen liegt deshalb ein Tausch und keine Werkleistung vor. Diese Beurteilung ergibt sich daraus, daß das UStG nicht die vertraglichen Vereinbarungen, sondern die wirtschaftlichen Vorgänge, zu denen die Vereinbarungen geführt haben, besteuert. Abweichend von dieser Beurteilung wird in den Fällen der Materialgestellung gemäß § 8 UStDB trotz des Materialaustausches eine Werkleistung angenommen, wenn die übrigen Voraussetzungen einer Werkleistung vorliegen. § 8 UStDB geht auf die Rechtsprechung zur Umtauschmüllerei zurück und beruht auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Der Sachverhalt muß so gelagert sein, daß er seinem wirtschaftlichen Inhalt nach als Werkleistung angesehen werden kann. Auch für die wirtschaftliche Betrachtungsweise kommt es entscheidend auf den Sachverhalt an, wie er sich im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien darstellt. Das ist aber der gesamte Sachverhalt, der sich im Zusammenhang mit der Erfüllung des Umsatzgeschäfts ergibt. Der Auffassung der Stpfl., der Sachverhalt sei lediglich aus der Sicht des Auftraggebers zu betrachten, wenn es sich um dessen Steuerpflicht handelt, kann nicht beigetreten werden. Es würde sonst allein auf die vertraglichen Vereinbarungen ankommen. Entscheidend ist aber, wie der Auftrag tatsächlich durchgeführt wurde. Hat der beauftragte Unternehmer den hingegebenen Stoff nicht selbst bearbeitet oder verarbeitet, so bestehen, wenn der Stoff ausgetauscht wird, von vornherein Bedenken, eine Werkleistung anzunehmen. Die gesamten Umstände sprechen in einem solchen Fall dafür, daß es dem Auftraggeber darauf ankommt, seinen Stoff in Tausch zu geben und einen fertigen Gegenstand geliefert zu erhalten. Von diesen überlegungen sind auch die Urteile des BFH V 32/57 U vom 10. September 1959, BStBl 1959 III S. 435, Slg. Bd. 69 S. 469, und V 298/59 S vom 3. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 265, Slg. Bd. 74 S. 719, ausgegangen, wenn dort ausgeführt wurde, daß ein Fall des § 8 UStDB nicht angenommen werden könne, wenn der beauftragte Unternehmer Händler ist. In der Wortfassung des § 8 UStDB ist das dadurch zum Ausdruck gekommen, daß es heißt, es müsse sich bei dem übergebenen Gegenstand um einen solchen handeln, wie ihn der Unternehmer in seinem Unternehmen herzustellen pflegt. Wie das Finanzgericht (FG) festgestellt hat und auch nicht bestritten ist, hat die Stpfl. in den Messingblöcken nur teilweise die von ihr angelieferten Messingabfälle zurückerhalten. Die Messingblöcke sind aus eigenem und fremdem Material hergestellt worden. Es hat somit ein Materialaustausch stattgefunden, auch wenn die Stpfl. nur so viel Messingblöcke erhalten hat, als aus den hingegebenen Abfällen hergestellt werden konnten. Es liegt deshalb weder ein Fall des § 8 UStDB noch eine reine Werkleistung vor (vgl. dazu auch für die Fälle der Materialbeistellung des BFH-Urteil V 105/63 vom 10. Februar 1966, BStBl 1966 III S. 257).
In dem BFH-Urteil V 157/55 U vom 17. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 92, Slg. Bd. 64 S. 241, hat der beauftragte Unternehmer die hingegebenen Magnesitbrocken selbst zu Magnesitstein verarbeitet. Wie dem Urteil zu entnehmen ist, war in diesem Fall auch das Altmaterial für jeden Auftraggeber gesondert gelagert. Außerdem war eine Beistellung bzw. Gestellung nicht vereinbart. Die Stpfl. kann sich deshalb für ihre Auffassung auf dieses Urteil nicht berufen. Der Sachverhalt, der dem Urteil V 116/52 U vom 17. September 1953, BStBl 1953 III S. 347, Slg. Bd. 58 S. 147, zugrunde liegt, weicht von dem vorliegenden insofern ab, als der beauftragte Unternehmer den Draht selbst gezogen und mit Isolierstoff versehen hat. Soweit aus diesem Urteil zu der hier zu entscheidenden Frage etwas anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht mehr festgehalten.
Die Revision war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412137 |
BStBl III 1966, 447 |
BFHE 1966, 186 |
BFHE 86, 186 |