Entscheidungsstichwort (Thema)
Handelsrecht Gesellschaftsrecht Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Neben der Verjährung der Zins- und Tilgungsleistungen auf die HGA, die sich nach § 203 Abs. 3 LAG richtet, gibt es keine Verjährung "eines Abgabenanspruchs".
Der HGA-Bescheid unterbricht die Verjährung nur für die Zins- und Tilgungsleistungen der in ihm festgesetzten Abgabeschulden.
Normenkette
AO §§ 143-145, 147; LAG §§ 98-99, 111, 125, 203
Tatbestand
Das Finanzamt berichtigte am 27. Juli 1960 gemäß § 222 AO den gegen den Bg. ergangenen HGA-Bescheid vom 12. September 1958, da in dem ursprünglichen Bescheid die Abgabeschuld aus dem Hauszinssteuerabgeltungsdarlehen nicht berücksichtigt gewesen sei. Der Bg. wandte dagegen ein, der gesamte HGA-Anspruch aus dieser Verbindlichkeit sei längst verjährt. Der Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das Finanzamt erkannte in der Einspruchsentscheidung an, daß die vom Währungsstichtag bis einschließlich 1954 fällig gewordenen Abgabeleistungen verjährt seien.
Das Finanzgericht entsprach dem Vorbringen des Bg. und hob die Einspruchsentscheidung und den Berichtigungsbescheid auf. Es führte aus, der HGA-Anspruch aus dem Abgeltungsdarlehen sei am Währungsstichtag entstanden (ß 102 LAG) und deshalb gemäß §§ 144, 145 AO nach fünf Jahren verjährt. Da Unterbrechungshandlungen jedenfalls zwischen dem 1. Januar 1953 und dem 31. Dezember 1957 nicht festgestellt werden könnten, sei die Verjährung spätestens Ende 1957 eingetreten. Die Vorschrift des § 203 Abs. 3 LAG, auf die sich das Finanzamt berufe, betreffe nur die Verjährung der Zins- und Tilgungsleistungen und lasse die Verjährung des Abgabeanspruchs selbst unberührt. Diese Auffassung werde bestätigt durch § 111 Abs. 2 letzter Halbsatz LAG.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückweisung der Berufung.
I. - Ansprüche des Steuerberechtigten aus Steuergesetzen unterliegen der Verjährung (ß 143 AO). Die Verjährungsfrist beträgt bei Zöllen und Verbrauchsteuern ein Jahr, bei der Grundsteuer drei Jahre und bei den Ansprüchen auf die übrigen Steuern fünf Jahre (ß 144 Satz 1 Halbsatz 1 AO). Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch (ß 143 AO) entstanden ist (ß 145 Abs. 1 AO).
Diese Vorschriften gelten gemäß § 203 Abs. 1 LAG grundsätzlich auch für die Lastenausgleichsabgaben. Nach § 203 Abs. 3 LAG beginnt allerdings die Verjährung der Zins- und Tilgungsleistungen auf die Vermögensabgabe, die HGA und die Kreditgewinnabgabe (KGA) abweichend von § 145 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die gesetzliche Fälligkeit eingetreten ist.
Der Auffassung des Finanzgerichts, die Vorschrift des § 203 Abs. 3 LAG beziehe sich nur auf die Zins- und Tilgungsleistungen, lasse aber die Verjährung des Abgabeanspruchs gemäß § 145 Abs. 1 AO unberührt, kann nicht gefolgt werden. Sie wird schon durch den Wortlaut des § 203 Abs. 3 LAG widerlegt, wonach die Verjährung der Leistungen auf die Lastenausgleichsabgaben "abweichend von § 145 Abs. 1 AO" mit dem Ablauf des Jahres beginnen soll, in dem die gesetzliche Fälligkeit eingetreten ist. In den Worten "abweichend von § 145 Abs. 1 AO" kommt eindeutig der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß § 203 Abs. 3 LAG nicht - wie das Finanzgericht ausführt - die Verjährung des Abgabeanspruchs selbst unberührt lassen will, sondern daß diese Vorschrift umgekehrt an die Stelle der in § 145 Abs. 1 AO enthaltenen Regelung tritt und den Beginn der Verjährung bei den Lastenausgleichsabgaben allein an die gesetzliche Fälligkeit der Zins- und Tilgungsleistungen knüpft. Der Vorsteher des Finanzamts weist in seiner Rb. auch mit Recht darauf hin, daß - wenn die Auffassung des Finanzgerichts zuträfe - für die Anwendung des § 203 Abs. 3 LAG kein Raum bliebe; denn Fälle, in denen der Beginn der Verjährung der Zins- und Tilgungsleistungen gemäß § 203 Abs. 3 LAG eingetreten wäre, ohne daß gleichzeitig oder vorher gemäß § 145 Abs. 1 AO die Verjährung des Abgabeanspruchs begonnen hätte, sind nicht denkbar. Wollte man der Ansicht des Finanzgerichts folgen, wäre daher § 203 Abs. 3 LAG überflüssig und sinnlos.
Das Finanzgericht kann sich für seine Auffassung nicht auf § 111 Abs. 2 letzter Halbsatz LAG berufen. Diese Vorschrift bestimmt nur, daß für die Verjährung der Tilgungsleistungen für die Abgabeschulden § 203 Abs. 3 LAG gilt. Sie besagt aber nichts über die entscheidende Frage, wie sich die in § 203 Abs. 3 LAG enthaltene Regelung zu der allgemeinen Vorschrift des § 145 Abs. 1 AO verhält.
Der Senat ist aus diesen Gründen der Auffassung, daß es neben der Verjährung der Zins- und Tilgungsleistungen auf die HGA, die sich nach § 203 Abs. 3 LAG richtet, die Verjährung eines Abgabeanspruchs nicht gibt (vgl. auch das zur Vermögensabgabe ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs III 265/60 S vom 14. Dezember 1962, BStBl 1963 III S. 169, Slg. Bd. 76 S. 467).
Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen. Das Finanzamt hat in der Einspruchsentscheidung richtig festgestellt, daß durch den Berichtigungsbescheid vom 27. Juli 1960 die Verjährung der nach dem 1. Januar 1955 gesetzlich fällig gewordenen Abgabeleistungen gemäß § 147 AO unterbrochen wurde und diese Abgabeleistungen daher noch zu erbringen sind.
II. - Das Finanzamt hatte im Berufungsverfahren beantragt, das Finanzgericht möge aussprechen, daß über die Einspruchsentscheidung hinaus auch die Abgabeleistungen für die Jahre 1953 und 1954 nicht verjährt seien. Es hatte diesen Antrag damit begründet, daß schon durch den ursprünglichen Abgabebescheid vom 12. September 1958 die Verjährung unterbrochen worden sei, da auch dieser Bescheid der Feststellung des Abgabeanspruchs gedient hätte. Diese Auffassung des Finanzamts trifft nicht zu.
Es ist zwar richtig, daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Steuerbescheid die Verjährung in vollem Umfang unterbricht (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 46/59 U vom 12. November 1959, BStBl 1960 III S. 29, Slg. Bd. 70 S. 75, und IV 184/60 S vom 4. August 1960, BStBl 1960 III S. 430, Slg. Bd. 71 S. 485). Diese Rechtsprechung ist grundsätzlich auch auf die Lastenausgleichsabgaben anzuwenden. Dabei ist aber für die HGA folgendes zu berücksichtigen. Der Verjährung unterliegen gemäß § 203 Abs. 3 LAG die Zins- und Tilgungsleistungen. Diese werden im Gegensatz zur Vermögensabgabe und zur KGA nicht für eine Abgabeschuld, sondern für so viele Abgabeschulden festgesetzt, als Verbindlichkeiten am Währungsstichtag durch Grundpfandrechte gesichert waren und durch Umstellung dieser Verbindlichkeiten Schuldnergewinne entstanden sind (vgl. §§ 98, 99 ff. LAG). Auch die Verjährung bezieht sich auf die Zins- und Tilgungsleistungen für die einzelnen Abgabeschulden (ß 111 Abs. 2 LAG). Bei dieser Rechtslage kann der Grundsatz, daß der Steuerbescheid die Verjährung in vollem Umfang unterbricht, für die HGA nur bedeuten, daß durch die Festsetzung von Zins- und Tilgungsleistungen für bestimmte Abgabeschulden die Verjährung der Abgabeleistung hinsichtlich dieser Abgabeschulden in vollem Umfang unterbrochen wird, nicht aber auch die Verjährung der Abgabeleistungen anderer Abgabeschulden aus anderen Verbindlichkeiten.
Daran ändern auch die Vorschriften der §§ 111 Abs. 1 und 125 Abs. 1 LAG nichts, wonach mehrere Abgabeschulden als einheitliche öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen und über diese Abgabeschulden ein einheitlicher Abgabebescheid erteilt wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch diese Vorschriften die Abgabeschulden aus mehreren Verbindlichkeiten zu einem einheitlichen Abgabeanspruch zusammengefaßt werden. Die Verjährung knüpft jedenfalls an die Zins- und Tilgungsleistungen für die einzelnen Abgabeschulden an, die auch in dem einheitlichen Abgabebescheid gesondert festgesetzt werden. Auch wenn - wie im Streitfall - ein einheitlicher HGA-Bescheid für mehrere Abgabeschulden ergeht, wird die Verjährung von Zins- und Tilgungsleistungen für die in dem Bescheid unerwähnt gebliebenen Abgabeschulden nicht unterbrochen.
Fundstellen
Haufe-Index 411281 |
BStBl III 1964, 512 |
BFHE 1965, 108 |
BFHE 80, 108 |