Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen, die beim Wechsel von der forstwirtschaftlichen zur landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks durch Entfernen der Baumwurzeln entstehen (Stockrodung), sind keine Herstellungskosten, sondern sofort abzugsfähige Betriebsausgaben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 4, § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist für die Veranlagungen 1965 und 1966, ob Aufwendungen zur Stockrodung eines abgeholzten Waldgrundstücks zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des anschließend landwirtschaftlich genutzten Grund und Bodens gehören oder ob sie als Betriebsausgaben sofort abzugsfähig sind.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ermittelt seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich. Im Wirtschaftsjahr 1965/66 "rekultivierte" er eine vorher abgeholzte Waldfläche von 10,9 ha zu einer "landwirtschaftlichen Nutzfläche". Die Aufwendungen hierfür in Höhe von 16 000 DM behandelte er als Betriebsausgaben. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) vertrat dagegen aufgrund einer Betriebsprüfung die Auffassung, daß die Kosten in Höhe von 16 000 DM Aufwendungen auf den Grund und Boden seien und berichtigte dementsprechend die Einkommensteuerbescheide 1965 und 1966.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt und ließ den Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben zu. Es führte aus, entgegen der Rechtsprechung des RFH und BFH (RFH-Urteile vom 2. November 1938 VI 134/38, RStBl 1939, 125; vom 11. Oktober 1939 VI 420/39, RStBl 1940, 28; vom 2. Dezember 1942 VI 183/42, RStBl 1943, 10, und BFH-Urteil vom 19. Dezember 1962 IV 324/60 U, BFHE 76, 567, BStBl III 1963, 207) sei bei Aufwendungen zur Herrichtung eines landwirtschaftlichen Grundstücks nicht zu unterscheiden zwischen Aufwendungen für reine Bodenverbesserungen, die sofort abzugsfähig seien, und Aufwendungen für die Urbarmachung, die den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen seien. Eine solche Unterscheidung sei, da sie von Zufälligkeiten abhänge, unbefriedigend. Nach der bisherigen Rechtsprechung hänge z. B. die einkommensteuerrechtliche Behandlung der Kosten für die Umwandlung einer objektiv landwirtschaftlich unbrauchbaren Fläche in Ackerland davon ab, ob die Fläche zuvor zufällig gelegentlich durch Vieh beweidet worden sei oder nicht. Je nachdem, ob eine solche Nutzung geltend gemacht werde oder nicht, könnten nach der genannten Rechtsprechung die Kosten für die Umwandlung der Flächen in landwirtschaftliches Kulturland reine Bodenverbesserungskosten und damit absetzbare Betriebsausgaben oder aber nichtabsetzbare Kosten der Urbarmachung sein. Dagegen habe die Rechtsprechung die Aufwendungen z. B. für die Freimachung eines verwahrlosten Feldes von Unkraut und Steinen, das in diesem Zustand ebenfalls für eine landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet sei, ohne weiteres als Bodenverbesserungskosten zum Abzug zugelassen. Aufwendungen für den zum Betriebsvermögen gehörenden Grund und Boden seien daher einheitlich stets als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln.
Mit der Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 1 EStG und führt aus, durch die Kultivierung sei der forstwirtschaftlich genutzte Grund und Boden in seiner Wesensart verändert und in einen hochwertigen Ackerboden verwandelt worden. Es handle sich daher um Herstellungsaufwand auf den Grund und Boden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die bei der Rodung des Grundstücks entstandenen Aufwendungen des Klägers nicht Herstellungskosten, sondern sofort abzugsfähige Betriebsausgaben darstellen.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich - worauf das FG ausführlich hingewiesen hat - mehrfach mit der Frage befaßt, ob Aufwendungen eines Landwirts zur Bearbeitung des Grund und Bodens als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des landwirtschaftlichen Grundstücks oder als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben (zur Bodenverbesserung) anzusehen sind. Nach dieser Rechtsprechung dienen Aufwendungen zur Urbarmachung (Kultivierungskosten) dem Erwerb oder der Herstellung des Grund und Bodens, da mit der Urbarmachung der für den Betrieb der Landwirtschaft erforderliche Grund und Boden erst geschaffen wird; dies trifft z. B. zu, wenn ein Landwirt sogenanntes Unland i. S. des § 15 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) für land- und forstwirtschaftliche Zwecke herrichten läßt (vgl. BFH-Urteil IV 324/60 U). Demgegenüber hat die Rechtsprechung Aufwendungen zur Verbesserung des Grund und Bodens, der zuvor schon landwirtschaftlich genutzt worden ist, nicht mehr dem Bereich der Anschaffung oder Herstellung des Grund und Bodens zugeordnet, sondern als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben angesehen. Dementsprechend haben der BFH im Urteil IV 324/60 U die Planierung eines bisher der Schafhaltung dienenden sogenannten Ödlands und der RFH den Umbruch und die Neuansaat von Wiesen (Urteil VI 420/39) sowie die Überdeckung eines sandigen Ackerbodens mit einer Lehmschicht (Urteil VI 183/42) als reine Bodenverbesserung gewertet und den sofortigen Abzug der Aufwendungen hierfür zugelassen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist der Senat der Auffassung, daß auch in dem Fall, in dem ein Landwirt ein bisher forstwirtschaftlich genutztes Gelände für landwirtschaftliche Zwecke herrichtet, die Aufwendungen hierfür als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben und nicht als Herstellungskosten zu behandeln sind. Beide Nutzungsarten werden bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft erfaßt. Es besteht kein einleuchtender Grund dafür, die Aufwendungen für die Schaffung einer anderen oder wirtschaftlich besseren Nutzung des Grund und Bodens unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob das Grundstück zuvor landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt worden ist. Wandelt ein Landwirt z. B. ein bisher mit Obstbäumen (oder Rebanlagen) bestandenes und damit nach dem Einkommensteuerrecht landwirtschaftlich genutztes Grundstück in Ackerland um, so ist nach der oben angeführten Rechtsprechung nicht zweifelhaft, daß die Kosten zur Beseitigung der Baumstümpfe und Baumwurzeln keine Herstellungskosten darstellen. Es kann aber - was die Frage der Herstellungskosten betrifft - keinen Unterschied machen, ob der Landwirt bei der Herrichtung von Akkerland die im Boden verbliebenen Reste einer Obstanlage oder einer Forstanlage entfernt. In beiden Fällen wird der Grund und Boden nach wie vor zur Gewinnung von Pflanzen bzw. Früchten genutzt. Auch beziehen sich die Aufwendungen in beiden Fällen überwiegend nicht unmittelbar auf den Grund und Boden selbst, sondern auf die Überreste des vorherigen Aufwuchses.
Sofern der RFH im Urteil VI 134/38 eine andere Auffassung vertreten haben sollte, weicht der erkennende Senat hiervon ab. In dieser Entscheidung hat der RFH die Kosten für die Rodung eines kurz zuvor erworbenen abgeholzten Waldgrundstücks, das erst nach der "Urbarmachung des Bodens" landwirtschaftlich habe genutzt werden können, als weitere Anschaffungskosten für den Grund und Boden angesehen. Der Entscheidung kann nicht entnommen werden, ob der RFH den Grund hierfür in dem nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks (anschaffungsnaher Aufwand) oder in der Annahme der "Urbarmachung" des Grund und Bodens gesehen hat. Diese Frage kann indessen offenbleiben, da der Senat der Meinung ist, daß die Gewinnung von landwirtschaftlichem Grund und Boden durch die Rodung eines Waldes jedenfalls nicht als "Urbarmachung" in dem Sinne zu verstehen ist, wie dies die oben angeführte Rechtsprechung z. B. bei der Urbarmachung von sogenanntem Unland, durch die die Nutzung des Grund und Bodens erstmals ermöglicht wird, angenommen hat. Dafür, daß im Streitfall das Waldgrundstück kurz vor der Rodung erworben worden sei, bestehen keine Anhaltspunkte, so daß eine Zurechnung der Rodungskosten des Klägers zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens etwa unter dem Gesichtspunkt des anschaffungsnahen Aufwandes nicht in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 71657 |
BStBl II 1976, 8 |
BFHE 1976, 545 |