Leitsatz (amtlich)
Zur Bedeutung einer Daumnumsabrede bei ratenweiser Auszahlung eines Darlehens.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1967 der Erblasserin, deren Erben die Kläger und Revisionskläger (Revisionskläger) sind, ob ein von einem Kreditinstitut einbehaltenes Damnum als Ausgabe bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr oder für das Jahr 1966 abzusetzen ist (§ 11 Abs. 2 EStG).
Die Erblasserin hatte zur Finanzierung eines - dem Privatvermögen zuzurechnenden - Gebäudes einen Kredit in Höhe von 200 000 DM aufgenommen. Davon waren nach der getroffenen Vereinbarung 95 v. H. auszuzahlen. Das Disagio in Höhe von 5 v. H. sollte nach den auf der Rückseite des Formularvertrages abgedruckten Vertragsbedingungen "bei Auszahlung der ersten Rate berücksichtigt" werden. Die ersten drei Raten (von je 50 000 DM) wurden im Jahre 1966 geleistet. Das Kreditinstitut konnte die Darlehenszusage bis zur vollständigen Auszahlung des Darlehens zurücknehmen.
Die Erblasserin machte das Disagio in voller Höhe erst für das Jahr 1967 geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte eine Berücksichtigung bei der Einkommensteuerveranlagung 1967 unter Hinweis auf § 11 EStG ab.
Die Sprungklage blieb erfolglos.
Mit der Revision beantragen die Revisionskläger, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben. Sie rügen Verletzung materiellen Rechts (§ 11 EStG, § 1 StAnpG und § 204 AO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die von der Erblasserin für das Streitjahr als Werbungskosten geltend gemachten Disagio-Beträge sind bereits im Jahre 1966 abgeflossen.
1. Wird ein Darlehen zum Bau eines Hauses aufgenommen und steht es in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so ist ein aus Anlaß dieser Darlehensaufnahme an den Darlehensgeber zu entrichtendes Damnum im Jahr der Zahlung bei der Ermittlung dieser Einkünfte als Werbungskosten zu berücksichtigen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144; zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 21. Januar 1975 VIII R 101/70, BFHE 115, 209). Der Zeitpunkt der Zahlung richtet sich - wie bereits der Große Senat ausgeführt hat - nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien. Besteht zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer Einigkeit darüber, daß der Darlehensgeber bei Auszahlung des Darlehens einen Teil als Damnum einbehält, so ist darin die Vereinbarung des Damnums und gleichzeitig die Abrede über die Tilgung des Damnums zu sehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 28. Juni 1968 VI R 211/66, BFHE 93, 276, BStBl II 1968, 816). Wird in dieser Vereinbarung auch der Zeitpunkt des Abflusses des Damnums bestimmt, so hat es auf die steuerrechtliche Beurteilung keinen Einfluß, ob das Darlehen in einem Betrag oder in Raten ausbezahlt wird. Eine Aufteilung des Damnums entsprechend der ratenweisen Auszahlung des Darlehens - wie sie z. B. die bereits von der Erblasserin in Bezug genommene Verfügung der OFD Hamburg vom 25. August 1969 (S 2254-6/69-St 21, Der Betriebs-Berater 1969 S. 1122 - BB 1969, 1122 -) vorsieht - kommt nur in Betracht, wenn keine Vereinbarung vorliegt.
2. Im Streitfall haben die Vertragsparteien eine Abrede über den Zeitpunkt des Abflusses des Damnums getroffen. Nach den Vertragsbedingungen sollte das Disagio "bei Auszahlung der ersten Rate berücksichtigt" werden. Das kann - unter Berücksichtigung der gemäß §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Auslegungsgrundsätze - nur in dem Sinne gedeutet werden, daß das Damnum mit dem Auszahlungsbetrag der ersten Rate verrechnet werden sollte. Das entspricht dem möglichen Wortsinn; besondere Anhaltspunkte, die auf einen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Erklärungsinhalt hinweisen, sind weder aus dem Darlehensvertrag ersichtlich noch von den Klägern dargetan. Diese Auslegung allein entspricht auch dem Zweck dieser Bestimmung, die Tilgungsmodalitäten des Damnums festzulegen. Es ist im Rahmen dieser Zweckbestimmung nicht erkennbar, wie - außer durch Verrechnung mit der ersten Auszahlungsrate des Darlehens - das Damnum sonst noch berücksichtigt werden könnte. Dies bestätigt auch die Regelung, die der Vertrag für ein Aufgeld trifft: Das Aufgeld wird als zusätzliches Darlehen gewährt und ist aus den ersten Tilgungsraten "abzudecken".
Entsprechend dieser Auslegung ist davon auszugehen, daß das Disagio in Höhe von 10 000 DM bereits im Jahre 1966 abgeflossen ist.
3. Die von den Revisionsklägern erhobenen Einwendungen sind nicht begründet.
a) Die die Tilgung des Damnums betreffende Vertragsklausel ist bürgerlich-rechtlich wirksam. Die Erblasserin hat eine von dieser Regelung abweichende Nebenabrede oder ein abweichendes übereinstimmendes Verständnis der Vertragsparteien nicht behauptet; es ist also von dem e r k e n n b a r e n Erklärungsinhalt auszugehen. Das gilt grundsätzlich auch für Formularverträge. Der Streitfall macht hiervon keine Ausnahme. Die vorgedruckten Bestimmungen sind weder dem Umfang nach nicht oder nur schwer zu überblicken noch ihrem Inhalt nach schwer zu verstehen (vgl. zu diesen Voraussetzungen einer unwirksamen Bestimmung bei Formularverträgen z. B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1968 VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 [59]; vom 25. September 1970 I ZR 72/69, BB 1970, 1504; vom 29. März 1974 V ZR 22/73, Neue Juristische Wochenschrift 1974 S. 1135, mit weiteren Nachweisen).
b) Die Abrede ist auch der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Sie entspricht der von § 1 Abs. 3 StAnpG geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Für diese Beurteilung ist nicht entscheidend, ob ein Vertragspartner die wirtschaftlichen - insbesondere auch die steuerrechtlichen - Auswirkungen seines Handelns erkennt und wessen wirtschaftlichen Interessen die Vertragsklausel dient; sie ist steuerrechtlich bereits dann beachtlich, wenn sie sich auf einen wirtschaftlich relevanten Sachverhalt bezieht und wenn sie eindeutig, ernstlich gewollt und tatsächlich durchgeführt ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1974 I R 187/72, BFHE 113, 263, BStBl II 1974, 779). Unerheblich ist auch, daß die Darlehenszusage bis zur Auszahlung der letzten Darlehensrate noch zurückgenommen werden kann. Auf den tatsächlichen Abfluß des Damnums - auf den es nach § 11 Abs. 2 EStG allein ankommt (vgl. auch BFH-Urteil vom 2. April 1974 VIII R 76/69, BFHE 112, 348, BStBl II 1974, 540, zu § 11 Abs. 1 EStG) - hat ein solcher Rücktritt keine Auswirkungen.
Fundstellen
Haufe-Index 71567 |
BStBl II 1975, 880 |
BFHE 1976, 483 |