Entscheidungsstichwort (Thema)
Umwidmung einer privaten Darlehensverbindlichkeit in eine Betriebsschuld
Leitsatz (NV)
Eine Darlehensverbindlichkeit kann nicht ,,willkürlich" einem anderen Objekt zugeordnet werden (Abgrenzung zu den BFH-Urteilen vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14, und vom 23. Januar 1991 X R 37/86, BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm 1977 zwei Darlehen in Höhe von insgesamt . . . DM auf. Die Darlehensmittel verwendete er zur Finanzierung der Anschaffungskosten einer Eigentumswohnung. 1980 verfügte er über genügend Eigenkapital, um die Darlehen tilgen zu können. Gleichzeitig benötigte er Mittel in Höhe von . . . DM für eine neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit. Er ließ sich deshalb beraten, ob es wirtschaftlich zweckmäßig sei, das Eigenkapital zur vorzeitigen Tilgung der Darlehen zu verwenden und einen neuen Kredit zur Finanzierung des Gewerbebetriebs aufzunehmen. Entsprechend dem ihm erteilten Rat nahm er von einer Tilgung der Darlehen Abstand.
Die durch den Gewerbebetrieb in den Jahren 1982 bis 1984 (Streitjahre) erzielten Einkünfte ermittelte der Kläger durch Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die für die Darlehen gezahlten Zinsen zog er als Betriebsausgaben ab. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Ansicht, die Zinsen seien nur zu 30 v. H. Betriebsausgaben, weil die Eigentumswohnung in den Streitjahren lediglich zu 30 v. H. für den Gewerbebetrieb genutzt worden sei; zu 70 v. H. stünden die Zinsen mit der Nutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke in Zusammenhang und wirkten sich steuerlich nicht aus.
Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre entsprechend. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage. Er begehrte, die Darlehenszinsen in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Zur Begründung trug er vor: Er habe die privaten Darlehensschulden durch eine willentliche Änderung ihres Verwendungszwecks in Betriebsschulden umgewandelt (,,umgewidmet"). Es könne nicht ein wirtschaftlich unsinniges Verhalten - die Tilgung der Darlehen und die Aufnahme eines neuen Kredits zu wesentlich schlechteren Konditionen - erforderlich sein, um die Zinsen in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehen zu können.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Die Revision wird sinngemäß auf Verletzung des § 4 Abs. 4 EStG gestützt.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist hinsichtlich des Abzugs der Darlehenszinsen als Betriebsausgaben unbegründet.
a) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Das ist der Fall, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend sind Schuldzinsen als Betriebsausgaben anzuerkennen, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Betrieb stehen. Das Vorliegen eines solchen wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Schuldzinsen und dem Betrieb ist grundsätzlich danach zu beurteilen, ob die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgebend ist der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens. Schuldzinsen können nicht allein kraft einer (willkürlichen) Willensentscheidung, sondern nur dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn mit den Darlehensmitteln betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt werden. Aus dem für die Zuordnung von Schulden und Schuldzinsen zur Einkunftssphäre maßgeblichen Kriterium des tatsächlichen Verwendungszwecks eines Kredits ergibt sich, daß es für das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige mit Darlehen finanzierte Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können oder ob der Betrieb über aktives Betriebsvermögen oder stille Reserven verfügt, die zur Deckung der Betriebsschulden herangezogen werden können. Der betriebliche Charakter von Schulden ist auch dann anzunehmen, wenn der Unternehmer (z. B. zur Ablösung eines privaten Darlehens) dem Betrieb Barmittel zunächst entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanziert (zum Vorstehenden vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2., 3.).
b) Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nur hinsichtlich des betrieblich genutzten Teils der Eigentumswohnung gegeben. Im übrigen hat der Kläger die aufgenommenen Darlehensmittel für private Zwecke verwendet. Werden Fremdmittel für private Zwecke und deshalb Eigenmittel für betriebliche Zwecke verwendet, so sind die Schuldzinsen keine Betriebsausgaben (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 IV R 46/86, BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514).
Entgegen der Auffassung des Klägers konnte die private Darlehensverbindlichkeit nicht in eine Betriebsschuld umgewidmet werden. Die Urteile vom 7. August 1990 VIII R 67/86 (BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14) und vom 23. Januar 1991 X R 37/86 (BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398) betreffen Sonderfälle, in denen die finanzierten Objekte veräußert wurden und die Darlehensmittel wieder frei verfügbar waren. Dem Streitfall liegt ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde, in dem die Darlehensverbindlichkeit ,,willkürlich" einem anderen Objekt zugeordnet werden soll. Zwar hätte der Kläger die private Verbindlichkeit tilgen und ein betrieblich veranlaßtes Darlehen neu aufnehmen können. Da er aber von dieser Möglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - keinen Gebrauch gemacht hat, ist für die steuerliche Beurteilung allein maßgebend, daß er die Eigenmittel für betriebliche Zwecke eingesetzt hat.
2. Begründet ist die Revision allerdings insofern, als nach § 54 Abs. 1 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991 (BGBl I 1991, 1322) dem Kläger für die Veranlagungszeiträume 1983 und 1984 jeweils ein Kinderfreibetrag in Höhe von 2 432 DM zusteht.
Fundstellen
Haufe-Index 417881 |
BFH/NV 1992, 25 |