Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für ein „Master of Law“-Studium als Werbungskosten abziehbar
Leitsatz (NV)
Aufwendungen für ein Auslandsstudium zur Erlangung des "Master of Law", das nach dem ersten juristischen Staatsexamen und vor der Tätigkeit als Rechtsreferendar durchgeführt wird, stellen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 2001, 1027) |
Tatbestand
Der 1969 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte eine zweijährige Lehre zum Bankkaufmann und studierte anschließend Jura. Nach Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung im Streitjahr 1997 bewarb er sich um eine Referendarstelle in D. Anfang Oktober 1998 wurde er dort als Referendar in den Vorbereitungsdienst übernommen. In der Zwischenzeit hatte er ab Oktober 1997 für 12 Monate an der Rechtsfakultät einer Universität in Großbritannien mit dem Ziel studiert, den akademischen Grad "Master of Law" zu erlangen. Ende August 1998 schloss der Kläger das Studium in Großbritannien erfolgreich ab.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 machte der Kläger Kosten für das Jurastudium in Höhe von 1 800 DM als Sonderausgaben und darüber hinaus Aufwendungen für das Studium in Großbritannien in Höhe von 5 087 DM als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese mit dem Höchstbetrag von 2 400 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage trug der Kläger vor, die Kosten für das Studium in Großbritannien seien als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil es sich um ein Aufbaustudium gehandelt habe, durch das die im Erststudium erworbenen Kenntnisse vertieft und ergänzt worden seien. Selbst wenn man seine Erstausbildung zum Bankkaufmann unberücksichtigt lasse, habe er seine Berufsausbildung mit Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung abgeschlossen. Jedenfalls seien die streitigen Kosten als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen, weil er eine Tätigkeit in einer international ausgerichteten Rechtsanwaltssozietät in D anstrebe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1027 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das "Master of Law"-Studium ergänze die durch das erste berufsqualifizierende Hochschulstudium erworbenen, grundlegenden Kenntnisse durch Spezialwissen. Die Begriffe "Berufsausbildung" in § 32 Abs. 4 EStG und in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG könnten ―wegen ihrer unterschiedlichen Zielsetzung― nicht einheitlich ausgelegt werden. Während § 10 EStG bzw. § 9, § 4 Abs. 4 EStG die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des sich in Aus- bzw. Fortbildung Befindenden selbst betreffe, sei Sinn und Zweck des § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG, das Existenzminimum eines Kindes von der Besteuerung der Eltern auszunehmen, weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern gemindert werde. Im Übrigen habe das FG übersehen, dass vorab entstandene Werbungskosten grundsätzlich vor der Erzielung steuerbarer Einnahmen ―hier aus anwaltlicher Tätigkeit― entstünden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, vorab entstandene Werbungskosten von 5 087 DM bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Bildungsaufwendungen können (vorab entstandene) Werbungskosten sein, sofern sie beruflich veranlasst sind. Entscheidend ist, ob die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit steuerbaren Einnahmen stehen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entfaltet der Sonderausgabentatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung für den Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 EStG. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann als beschränkt abziehbare Sonderausgaben zu behandeln, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind". Zur weiteren Begründung wird auf die Urteile des Senats vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 (BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen. Die gleichen Grundsätze gelten auch für ein Zweit- oder Aufbaustudium.
Im Streitfall folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass der Kläger das Auslandsstudium mit dem Abschluss "Master of Law" aus beruflichen Gründen betrieben hat. Es besteht ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit steuerbaren Einnahmen aus einer anwaltlichen Tätigkeit. Der Kläger, ein ausgebildeter Bankkaufmann, hatte das Studium der Rechtswissenschaften erfolgreich beendet.Mit den durch das Auslandsstudium erworbenen Fachkenntnissen hat er sein juristisches Wissen im internationalen Recht ergänzt und vertieft. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Studiums hat er seine Chancen erheblich verbessert, den gewünschten Arbeitsplatz zu erhalten. Da das Auslandsstudium auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.
Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil war deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG ―aus seiner Sicht zu Recht― keine Feststellungen zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Bildungsaufwendungen getroffen hat. Bei den Feststellungen werden die Grundsätze des Urteils vom 29. April 2003 VI R 86/99 (BStBl II 2003, 749, BFH/NV 2003, 997) zu beachten sein.
Fundstellen
Haufe-Index 1019076 |
HFR 2004, 216 |