Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Verwendet ein Landwirt seine im übrigen in seinem landwirtschaftlichen Betrieb gebrauchte Zugmaschine zur Beförderung von Milch anderer Landwirte zur Molkerei und stellt sich diese Beförderung als Gewerbebetrieb dar, so greift die Befreiung nicht Platz.

 

Normenkette

KraftStG § 2/6

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Halter einer Zugmaschine ohne Güterladeraum. Es hat in der Zeit, auf die sich die vom Finanzamt für diese Zugmaschine festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer bezieht (1. Januar 1951 - 30. Juni 1952), die Zugmaschine zur entgeltlichen Beförderung der Milch von Landwirten seines Wohnorts zu einer Genossenschaftsmolkerei, ferner zur Bewirtschaftung seines landwirtschaftlichen Betriebs verwendet, der zunächst (etwa bis April 1952) aus zwölf Morgen Pachtland bestanden hat und später durch Zupachtung vergrößert worden ist. Streitig ist, ob auf das Halten dieser Zugmaschine die Vorschrift des Art. I Ziff. 2 des Kontrollgesetzes (KontrRG) Nr. 51 anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift sind "Zugmaschinen ohne Güterladeraum, die ausschließlich auf Bauernhöfen oder Landgütern gebraucht werden", von der Kraftfahrzeugsteuer befreit "ohne Rücksicht darauf, ob sie landwirtschaftlichen Genossenschaften oder Einzelpersonen gehören oder nicht".

Die Vorinstanz hat die Anwendbarkeit dieser Vorschrift mit der Begründung bejaht, daß die Zugmaschine von einem Landwirt gehalten und ausschließlich in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werde. Die Verwendung der Zugmaschine auch in anderen landwirtschaftlichen Betrieben schließe die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift nicht aus. Der Bundesfinanzhof habe im Urteil II 115/50 S vom 20. Februar 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 Teil III S. 61) ausgesprochen, daß die Verwendung der Zugmaschine eines Landwirts zur Beförderung von Milch anderer Landwirte zu einer Genossenschaftsmolkerei der Befreiung nicht entgegenstehe.

In der gegen die Vorentscheidung eingelegten Rechtsbeschwerde (Rb.) macht das Finanzamt geltend, die Zugmaschine diene zur Hauptsache dem über die Nachbarhilfe hinausgehenden gewerblichen Zweck der Beförderung von Milch anderer Landwirte zur Genossenschaftsmolkerei. Der Bg. mache insoweit Lohnfuhren für andere, er habe selbst angegeben, diese Fuhren übernommen zu haben, um sich so die Mittel für den Ausbau seiner Landwirtschaft zu verdienen. Er sei auch bei dem zuständigen Gewerbeamt als Milchlohnfuhrunternehmer gemeldet, zahle als solcher Gewerbesteuer und stehe in Konkurrenz mit dem allgemeinen Fuhrgewerbe. Die Auffassung der Vorinstanz müßte zwangsläufig zur Freistellung auch des Haltens der Zugmaschinen der Lohndrescher führen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat Erfolg.

Der Senat hat allerdings in seinem Urteil II 115/50 S vom 20. Februar 1951 ausgesprochen, daß die Verwendung der Zugmaschine eines Landwirts zur Beförderung von Milch auch anderer Genossen zur Genossenschaftsmolkerei der Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer nicht entgegenstehe. Jedoch kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, wenn sie annimmt, daß in jedem Fall der Verwendung der Zugmaschine eines Landwirts zur Beförderung von Milch anderer Landwirte zur Molkerei die Befreiungsvorschrift anwendbar ist. Nach der Entscheidung des Senats II 187/52 U vom 17. Juni 1953 (BStBl. 1953 Teil III S. 232) steht zwar die Verwendung der einem Landwirt gehörenden Zugmaschine in dem landwirtschaftlichen Betrieb eines anderen Landwirts der Anwendung der Befreiungsvorschrift grundsätzlich nicht entgegen. Der Senat hat aber in der gleichen Entscheidung die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift verneint, wenn die Zugmaschine von einem Landwirt gehalten wird, der außer seiner Landwirtschaft noch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt und die Zugmaschine außer in seinem landwirtschaftlichen Betrieb auch in dem gewerblichen Betrieb verwendet, selbst wenn dieser ausschließlich der Landwirtschaft dient. Dementsprechend hat der Senat in dieser Entscheidung das Halten der Zugmaschine eines Landwirts, die außer in dem landwirtschaftlichen Betrieb des Landwirts auch noch zum Lohndrusch und zu Holzsägearbeiten gegen Entgelt in anderen landwirtschaftlichen Betrieben verwendet wird, als nicht unter die Befreiungsvorschrift fallend angesehen.

Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kommt es mithin darauf an, ob die Beförderung der Milch der anderen Landwirte zur Molkerei durch den Bf. während des in Betracht kommenden Zeitraums eine gewerbliche Tätigkeit ist, d. h. ob sie nach der Begriffsbestimmung, die in stetiger Rechtsprechung für den Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuer- und Einkommensteuerrechts entwickelt worden ist, einen Gewerbebetrieb darstellt. Dies ist nach den einwandfrei getroffenen Feststellungen des Finanzamts und nach Lage der Akten zu bejahen. Der Bg. betreibt diese Beförderungen selbständig bereits seit 1945, und zwar zunächst unter Verwendung eines Pferdefuhrwerks und ab 1949 unter Verwendung der Zugmaschine. Er hat sich dabei nicht mit dem Ersatz seiner Selbstkosten begnügt, wie das für die Annahme einer Nachbarhilfe Voraussetzung wäre, sondern hat die Beförderungen jeweils in der Absicht der Gewinnerzielung ausgeführt. Die Einnahmen aus den Beförderungen bildeten für ihn, der in den ersten Jahren (bis 1949) überhaupt keine Landwirtschaft betrieb, die Existenzgrundlage. Daß er sich bei dieser Betätigung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat, steht außer Zweifel. Der Bg. ist also insoweit einem Fuhrunternehmer gleichzustellen, wobei es gleichgültig ist, daß die Zugmaschine nur eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km in der Stunde hat und für sonstige gewerbsmäßige Fahrten nicht verwendbar oder verwendet worden ist. Die Beförderung von Milch für andere Landwirte zur Molkerei stellt sich im vorliegenden Fall auch nicht etwa als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb (ß 55 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Kraftfahrzeugsteuergesetz) dar, da sie nicht in einer betriebsmäßigen Beziehung zum landwirtschaftlichen Betrieb des Bg. steht; daß sie zur Verwirklichung der Absicht des Bf. beigetragen hat, Mittel zur Schaffung und zum Ausbau seines landwirtschaftlichen Betriebs zu gewinnen, ist nach der Verkehrsauffassung zur Annahme, daß ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb vorliegt, nicht ausreichend (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 157/38 vom 12. Januar 1939, Reichssteuerblatt 1939 S. 605). Der Bg. hat mithin während des Steuerzeitraums seine Zugmaschine nicht nur als Landwirt, sondern auch als Fuhrunternehmer gehalten. Dies schließt die Anwendung der Befreiungsvorschrift auf das Halten der Zugmaschine aus. Zwischen dem Fall, daß ein Landwirt Lohndrusch betreibt, und dem Fall der gewerbsmäßigen Milchbeförderung durch einen Landwirt ist kein grundsätzlicher Unterschied.

Ohne Belang für die Beurteilung ist, daß und aus welchem Grunde das Finanzamt in der Zeit vor dem 1. Januar 1951 die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift auf das Halten dieser Zugmaschine anerkannt hat, ferner wie das Verhältnis des Umfangs der Verwendung der Zugmaschine zur Milchbeförderung zum Umfang der Verwendung der Zugmaschine im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb des Bg. ist, und ob die Steuer für den Bg. wirtschaftlich tragbar ist oder nicht. Das Finanzamt hat ferner mit Recht darauf hingewiesen, daß über die Frage eines Erlasses der Steuer aus Billigkeitsgründen in diesem Verfahren nicht zu entscheiden ist.

Die Vorentscheidung war somit aufzuheben und die Sprungberufung gegen den Steuerbescheid des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407747

BStBl III 1953, 306

BFHE 1954, 38

BFHE 58, 38

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