Leitsatz (amtlich)
Einem Lohnschlächter, dem als Entgelt für die Tätigkeit des Schlachtens vereinbarungsgemäß die Innereien der von ihm geschlachteten Tiere überlassen werden, kann für die Lieferung der Innereien im Großhandel der ermäßigte Steuersatz nicht gewährt werden.
Normenkette
UStG § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 3; UStDB 1951 §§ 2, 12, 57
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) führte in den streitigen Veranlagungszeiträumen 1953 und 1954 für ihre Auftraggeber, meist Landwirte, Lohnschlachtungen von Schweinen aus. Die durch das Schlachten entstandenen Schweinehälften wurden von den Auftraggebern selbst verwertet. Die Stpfl. erhielt als Entgelt für das Schlachten die durch diesen Vorgang anfallenden Innereien, sog. Geschlinge, Micker und Därme. Diese Innereien veräußerte die Stpfl. im Großhandel und beanspruchte hierfür den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), während das Finanzamt diese Umsätze dem normalen Steuersatz unterwarf, weil die Stpfl. die Innereien nicht "erworben", sondern "hergestellt" habe. Selbst wenn man einen Erwerb annehme, so hätte die Stpfl. die Innereien schon mit dem lebenden Schwein bei dessen Übergabe an sie zum Schlachten erworben und durch das Schlachten in steuerlich schädlicher Weise bearbeitet.
Im Berufungsverfahren hatte die Stpfl. Erfolg. Das Finanzgericht ist der Meinung, daß nach der Verkehrsauffassung durch das Schlachten das Schwein als Verkehrsgut untergegangen und neue Verkehrsgüter, nämlich Schweinehälften und Innereien entstanden seien. Der Auftraggeber habe zur Lieferung an seine Abnehmer nicht nur die Schweinehälften, sondern auch die Innereien benötigt, um diese der Stpfl. als den vereinbarten Schlachtlohn überlassen zu können. Der Auftraggeber verschaffe erst dadurch, daß er die Innereien vermittels der Stpfl. herstelle, dieser die uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Innereien, so daß erst in dem Zeitpunkt der Herstellung der Innereien deren Lieferung an die Stpfl. als bewirkt anzusehen sei. Erst jetzt erwerbe die Stpfl. im Sinne des Umsatzsteurrechts die Innereien. Nach diesem Zeitpunkt aber fehle es an einer Bearbeitung.
Entscheidungsgründe
Die gegen die Zubilligung des ermäßigten Steuersatzes gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Dem unstreitigen Sachverhalt liegen zwei umsatzsteuerliche Vorgänge zugrunde, das Schlachten der Tiere, wofür nach § 5 Abs. 2 UStG der Wert der Innereien als Entgelt gilt, und die Lieferungen der Innereien im Großhandel, die mit den erzielten Preisen zu versteuern sind. Streitig ist lediglich der Steuersatz des zweiten Umsatzes.
Die Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz ist insoweit rechtsirrig. Der Senat ist der Auffassung, daß eine Lieferung der Innereien an die Stpfl. nicht stattgefunden hat, sondern daß die Innereien erst durch eigene Bearbeitungsmaßnahmen der Stpfl. als verkehrs- und lieferungsfähige Wirtschaftgüter entstanden sind. Die von der Stpfl. an ihre Abnehmer gelieferten Gegenstände sind durch eine Reihe handwerklicher Arbeiten im wirtschaftlichen und damit umsatzsteuerlichen Sinne hergestellt. Ob und wann die Stpfl. bürgerlich-rechtlich die Innereien zu Eigentum erworben hat, ist für die steuerliche Beurteilung nicht maßgeblich.
Daß das Schlachten ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang ist, wie die Vorinstanz hervorhebt, ist sicherlich zutreffend; darüber hinaus ist aber der Schlachtauftrag und die Übernahme der Innereien als Einheit zu beurteilen mit der Folge, daß der Stpfl. die Herstellung der Innereien steuerlich zuzurechnen ist. Die Auffassung der Vorinstanz, zunächst eine Werkleistung des Schlachtens und anschließend eine Lieferung von Innereien vom Auftraggeber an die Stpfl. anzunehmen, spaltet den wirtschaftlich zusammengehörigen Vorgang auf.
Nimmt man jedoch mit Herting (Deutsche Steuerzeitung 1937 S. 413 ff., 421 Ziff. 24, und Betriebsberater 1956 S. 953) einen Erwerb der Innereien an, so scheitert die Gewährung der Großhandelsvergünstigung daran, daß die Stpfl. die Innereien in steuerlich schädlicher Weise bearbeitet hat; denn erst in einem Zeitpunkt, in dem sie bereits steuerlich die Verfügungsmacht über die Innereien erlangt hat, werden diese vom Tierkörper herausgelöst und in die verschiedenen Bestandteile zerlegt. Hierdurch entstehen neue Verkehrsgüter (Micker, Därme, Geschlinge), die als solche Gegenstand der Lieferung durch die Stpfl. sind. Ein späterer Erwerbszeitpunkt kommt deshalb nicht in Betracht, weil schon im Zeitpunkt der Anlieferung und Tötung der Tiere die Stpfl. tatsächlich auch über die Innereien verfügt und auf Grund des Werkvertrags auch rechtlich verfügen darf, wobei es auf die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse auch hier nicht ankommt. Auch aus diesem Grund war die Großhandelsvergünstigung zu versagen.
Die Vorentscheidung war demnach aufzuheben und die Berufung der Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
BStBl III 1957, 429 |
BFHE 1958, 513 |