Leitsatz (amtlich)
Fassadenplatten, die aus mit Asphalt getränkten Preßplatten aus Holzfasern von etwa 10 mm Stärke bestehen und auf einer Seite mit einer etwa 3 mm dicken Asphaltschicht versehen sind, gehören zur Tarifnr. 48.09 GZT.
Normenkette
GZT ATV 3 a; GZT ATV 3 b; GZT Tarifnr. 48.09; GZT Tarifnr. 68.08
Tatbestand
Die Beklagte (Oberfinanzdirektion –OFD–) erteilte der Klägerin am 15. Mai 1972 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über Fassadenplatten. Die Ware ist eine mit Asphalt getränkte Preßplatte aus Holzfasern mit einer Stärke von etwa 10 mm, die auf der Vorderseite eine Asphaltschicht von etwa 3 mm Dicke trägt. Diese Asphaltschicht ist mit Mineralkörnern bestreut und mit Preßmustern versehen. Die OFD wies die Ware der Tarifnr. 48.09 („Bauplatten … aus Fasern von Holz …”) zu.
Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin führt aus, charakterbestimmender Stoff sei bei der Ware der Asphalt. Die Platten seien zur Verkleidung von Häuseraußenwänden bestimmt. Eine für die Verwendung entscheidende Eigenschaft sei, zu verhindern, daß Feuchtigkeit eindringe. Das werde durch den Asphalt gewährleistet. Der Trägerstoff sei demgegenüber ohne Bedeutung. Er könne ohne weiteres gegen einen anderen Trägerstoff ausgetauscht werden. Auch für die Wärmedämmung sei der Holzfaserstoff nicht wesentlich. Das Luftpolster zwischen Platte und Hauswand bewirke den Schutz vor Wärmeeinwirkung. Im übrigen wäre der Holzfaserstoff zur Wärmedämmung aufgrund seiner für diese Verwendung jedenfalls zu guten Wärmeleitfähigkeit nicht geeignet, auch wenn er, was nicht verkannt werde, eine geringe isolierende Wirkung habe. Der Faserstoff bestimme auch nicht Form und Festigkeit der Ware. Die meisten anderen Trägerstoffe ermöglichten gleichfalls die vorliegende Form. Dasselbe gelte für die Festigkeit der Platte. Der Faserstoff könne etwaige Zug-, nicht dagegen Druckbelastungen aufnehmen, wozu auch die meisten anderen Trägerstoffe in der Lage seien. Im übrigen gewinne die Platte durch den Asphalt an Festigkeit. Der Holzfaserstoff sei auch nicht etwa deswegen charakterbestimmend, weil er die einfache Verwendung der Ware ermögliche. Nageln und Zuschneiden sei auch bei anderen Trägerstoffen möglich. Außerdem sei Verwendungszweck der Ware die Verkleidung zum Schutz vor Feuchtigkeit und nicht das Nageln und Zuschneiden. Daß der Faserstoff dem Umfang nach vorherrsche, sei unbeachtlich, da es auf den Verwendungszweck ankomme. Die Behauptung der OFD, der Gewichtsanteil des Holzfaserstoffes überwiege, sei nicht richtig; bei den Feststellungen der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) sei der Asphalt unberücksichtigt geblieben, der zur Imprägnierung verwandt worden sei. Ferner spreche der Vergleich der Werte beider Stoffe dafür, daß der Asphalt charakterbestimmend sei. Auch die Verordnung (EWG) Nr. 1592/71 (VO (EWG) 1592/71) der Kommission über die Einreihung von Waren in die Tarifnr. 68.08 GZT vom 23. Juli 1971 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften –ABlEG– Nr. L 166 vom 24. Juli 1971 S. 39, BZBl 1971, 939) stütze diese Auffassung, da sonst die Verordnung die in ihr genannten Platten nicht der Tarifnr. 68.08 hätte zuordnen können. Schließlich könne sich die OFD für ihre Auffassung auch nicht auf den Tarifavis des Brüsseler Zollrats stützen (vgl. Erläuterungen zur Tarifnr. 48.09 Teil IV Rdnrn. 1 bis 3), da dieser Avis nur einseitig mit Asphalt überzogene Fassadenplatten betreffe; die in Frage stehenden Fassadenplatten seien jedoch beim zweiten Arbeitsgang in ein Asphaltbad getaucht worden und daher nicht nur getränkt, sondern auch vollkommen von Asphalt umgeben. Die Tarifauffassung der Klägerin sei übrigens durch verb. Zolltarifauskünfte der OFD Frankfurt aus dem Jahre 1968 und durch eine Auskunft der französischen Zollbehörden von 1972 bestätigt worden.
Die OFD führt aus, der Holzfaserstoff bestimme den Charakter der Ware. Dabei komme es nicht allein auf die Bedeutung der Stolle in bezug auf die Verwendung der Ware an, sondern genauso auf den Umfang, das Gewicht und den Wert der in Betracht kommenden Stoffe (vgl. Erläuterungen zur ATV 3 Teil I Rdnr. 16). Auch unter ausreichender Berücksichtigung der Bedeutung des Asphalts als Isolierstoff sei festzustellen, daß dem Holzfaserstoff eine noch größere Bedeutung zukomme, weil dieser bereits die Bauplatte bilde. Keinesfalls könne jedoch dem Faserstoff die untergeordnete Bedeutung nur eines Trägerstoffs beigemessen werden. Mit Verwendung der Preßplatten aus Holzfasern habe der Hersteller bereits die Form, die annähernde Dicke und auch Festigkeit der Fassadenplatten festgelegt. Im Hinblick auf die Zweckbestimmung würden die Platten mit Asphalt imprägniert und auf der Schauseite beschichtet. Die Materialeigenschaften und die Oberflächenbeschaffenheit der Holzfaserplatten würden dadurch wesentlich verbessert. Dennoch blieben es Holzfaserplatten. Daß der Holzfaserplatte auch die Festigkeit und die wärmeisolierenden Eigenschaften des Fertigerzeugnisses zuzurechnen seien, ergebe sich bereits aus dem Prospekt, den die Klägerin bei Beantragung der vZTA vorgelegt habe. Die erhöhte Bedeutung des Asphalts gegenüber dem Holzfaserstoff könne nicht damit begründet werden, daß es möglich sei, den Faserstoff gegen andere Stoffe auszutauschen; für die Tarifierung der fraglichen Ware komme es auf die Beschaffenheitsmerkmale nur dieser Ware an. Dem Umfang nach herrsche der Faserstoff vor. Das Dickenverhältnis zwischen Faserstoffschicht und Asphaltschicht sei ein entscheidendes Merkmal für die Ermittlung des charakterbestimmenden Stoffs. Auch gewichtsmäßig herrsche der Faserstoff vor, was wegen des hohen spezifischen Gewichts des Asphalts bedeutsam sei, da es das Verhältnis Faserstoff zu Asphalt verdeutliche. Der von der Klägerin angegebene Asphaltanteil von 70 Gewichtshundertteilen widerspreche den Feststellungen der ZPLA ebenso wie den Erfahrungswerten, die sich bei der Untersuchung gleichartiger Erzeugnisse ergeben hätten. Bei der Ermittlung der Gewichtsanteile Asphalt sei der Gesamtasphaltgehalt berücksichtigt worden. Der von der Klägerin vorgenommene Wertvergleich habe für die Ermittlung des charakterbestimmenden Stoffs schon deshalb keine Bedeutung, weil der Materialwert des Asphalts und der Gesteinskörner zusammengefaßt worden sei. Die Ware sei der Tarifnr. 48.09 zuzuweisen, was auch von dem genannten Tarifavis des Brüsseler Zollrats (vgl. Erläuterungen zur Tarifnr. 48.09 Teil IV Rdnrn. 1 bis 3) gestützt werde.
Entscheidungsgründe
Mit Beschluß vom 12. Februar 1975 VII K 9/73 (BFHE 115, 84) hat der erkennende Senat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) eine Frage nach der Auslegung der ATV 3 a GZT vorgelegt. Der EGH hat mit Urteil vom 25. September 1975 Rs. 28/75 (EGHE 1975, 989) entschieden: „Kommen für die Tarifierung von gemischten Waren zwei oder mehrere Tarifnummern des Gemeinsamen Zolltarifs in Betracht, von denen sich jede auf einen der Stoffe der Ware bezieht, so kann keine dieser Tarifnummern allein deshalb als genauer als die andere angesehen werden, weil sie die betreffende Ware genauer oder vollständiger beschreibt. Für die Tarifierung einer solchen Ware sind die Tarifierungsvorschriften 3 b und 3 c anzuwenden.”
Für die Tarifierung maßgebend sind der Gemeinsame Zolltarif (VO (EWG) 950/68 vom 28. Juni 1968, ABlEG Nr. L 172 vom 22. Juli 1968 S. 1) sowie ggf. besondere, unmittelbar anwendbare Verordnungen der Europäischen Gemeinschaften (EG) auf dem Gebiet des Zolltarifs (ZT). Nach ihrer stofflichen Zusammensetzung kommen für die Tarifierung der Ware im vorliegenden Fall die Tarifnrn. 48.09 und 68.08 GZT in Betracht, ferner ist die Anwendbarkeit der VO (EWG) 1592/71 der Kommission über die Einreihung von Waren in die Tarifnr. 68.08 GZT Vom 23. Juli 1971 zu prüfen. Keine der genannten Vorschriften kann Jedoch unmittelbar angewendet werden. Bei den Tarifnrn. 48.09 und 68.08 ergibt sich dies ohne weiteres aus deren Wortlaut. Die streitige Ware erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen der VO (EWG) 1592/71, denn sie besteht nicht „aus einem Trägerstoff aus Papier oder Filzpappe”, sondern aus einer mit Asphalt beschichteten Holzfaserplatte. Die Verordnung grenzt, wie auch ihre Erwägungsgründe zeigen, nicht das ganze Kap. 48 GZT von der Tarifnr. 68.08 ab, sondern nur die Tarifnr. 48.07 (Papier und Pappe), die hier nicht in Betracht kommt. Auch eine entsprechende Anwendung der Verordnung scheidet aus. Wie sich ebenfalls aus ihren Erwägungsgründen ergibt, enthält sie eine Interpretation der ATV 3 b, d. h. sie geht davon aus, daß eine Ware ihren Charakter als Ware des Kap. 48 (Papier und Pappe) verloren hat, wenn Papier und Pappe nur als „Trägerstoff” für Asphalt dient, der die Ware vollkommen umgibt. Diese Interpretation erscheint auch möglich, da sich schon aus der Qualifizierung von Papier und Pappe als „Trägerstoff” ergibt, daß dieses ohnehin wenig widerstandsfähige Material nur dazu bestimmt ist, den Asphalt oder die anderen in der Tarifnr. 68.08 genannten Stoffe erst verwendungsfähig zu machen. Die vorliegende Ware ist damit nicht zu vergleichen. Die 10 mm dicke gepreßte Platte aus Holzfasern kann nicht nur als Trägerstoff angesehen werden. Für den Charakter der Ware ist sie sicherlich nicht so unbedeutend wie das Papier oder die Pappe für die in der VO (EWG) 1592/71 näher beschriebene Ware.
Es liegt also eine gemischte oder zusammengesetzte Ware i. S. der ATV 2 b vor, die nach den Grundsätzen der ATV 3 zu tarifieren ist. Nach der ATV 3 a geht die Tarifierung mit der genaueren Warenbezeichnung vor. Für die Ware kommen zwei Tarifnummern in Betracht, die Tarifnrn. 48.09 und 68.08. Jede bezieht sich auf einen der Stoffe der Ware, Tarifnr. 48.09 auf die Holzfasern, Tarifnr. 68.08 auf den Asphalt. Nach dem Urteil des EGH in dieser Sache ist demnach keine dieser Tarifnummern genauer als die andere.
Da die ATV 3 a also nicht zutrifft, greift ATV 3 b ein, d. h. entscheidend für die Tarifierung ist der charakterbestimmende Bestandteil oder Stoff der Ware. Das ist im vorliegenden Fall die Holzfaserplatte.
Die Holzfaserplatte gibt mit ihrer Stärke von 10 mm der Ware ihre Form und im wesentlichen auch ihre Dicke und Festigkeit. Sie trägt mit zu den wärmeisolierenden Eigenschaften der Ware bei, auf die die Prospekte hinweisen. Sie ermöglicht ihre einfache Verwendung, d. h. das einfache Befestigen der Platten an Hausfassaden. Sie ist die eigentliche Bauplatte.
Die Asphaltbeschichtung hat im wesentlichen die Aufgabe, die bekleideten Fassaden gegen Feuchtigkeit zu schützen. Diese ist im Hinblick auf den Verwendungszweck der Ware nicht unwesentlich. Dennoch ist die Holzfaserplatte als der für den Charakter der Ware wesentlichere Teil anzusehen. Auch der überwiegende Materialwert und das im Verhältnis zu den Holzfasern hohe Gewicht des Asphalts verleiht diesem noch keine überwiegende Bedeutung. Fehl geht schließlich auch der Einwand der Klägerin, die Eigenschaften der Holzfaserplatte könnten deswegen nicht charakterbestimmend sein, weil die Platte auch durch andere Trägermaterialien ersetzt werden könnte. Es geht hier um die Tarifierung der strittigen Ware. Es ist nicht ersichtlich, wieso die Austauschbarkeit des bei dieser Ware verwendeten Materials (Holzfaserplatte) es hindern sollte, das Material als charakterbestimmend anzusehen. Im übrigen ist theoretisch auch die Beschichtung austauschbar, z. B. mit Kunststoff.
Nach Abwägung aller Umstände ist der erkennende Senat zu der Überzeugung gelangt, daß als charakterbestimmend die Holzfaserplatte anzusehen ist. Die Ware ist also so zu tarifieren, als bestünde sie ganz aus dieser Platte. Sie fällt daher unter die Tarifnr. 48.09. Diese Tarifierung wird bestätigt durch den Brüsseler Tarifavis in den Erläuterungen zur Tarifnr. 48.09 (Teil I V Rdnrn. 1 bis 3). Dort ist eine Fassadenplatte, die im wesentlichen der hier streitigen Ware entspricht, der Tarifnr. 48.09 zugeordnet worden. Auch die Erläuterungen zur Tarifnr. 68.08 sprechen für diese Auffassung. Nach Teil I Rdnr. 12 gehören Gewebe und Filze, lediglich mit Bitumen oder einem gleichartigen Stoff einseitig überzogen oder getränkt, nicht zur Tarifnr. 68.08, sondern zu den für Gewebe und Filze gültigen Tarifnummern. Wenn das schon für so relativ wenig widerstandsfähiges Material gilt, muß es erst recht für Bauplatten aus Holzfasern gelten.
Fundstellen
Haufe-Index 510437 |
BFHE 1976, 395 |