Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung
Leitsatz (NV)
1. Die Willensdurchsetzung geschieht grundsätzlich mit Mitteln des Gesellschaftsrechts. Im Falle einer als Betriebsgesellschaft fungierenden GmbH bedarf es dazu der Mehrheit der Anteile, sofern nicht im Gesellschaftsvertrag für Beschlüsse der Gesellschafter sogar eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen ist. Die Anzahl der Stimmen richtet sich nach dem Umfang der Anteile.
2. Hält der Inhaber des Besitzunternehmens nur die Hälfte der Anteile der Betriebs-GmbH, so kann er zwar unerwünschte Gesellschafterbeschlüsse verhindern, nicht aber seine Vorstellungen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er für den normalen Betriebsumfang überschreitende Geschäfte der Zustimmung eines Beirats bedarf, in dem er nur über eine von drei Stimmen verfügt.
3. Personelle Verflechtung kann nicht allein aufgrund der beruflichen Vorbildung und Erfahrung des Geschäftsführers der Betriebsgesellschaft angenommen werden.
Normenkette
GewStG § 2; EStG § 15
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb ein . . .geschäft auf eigenem Grund und Boden. Im Jahre 1978 gründete er gemeinsam mit seiner Ehefrau eine GmbH; diese setzte den . . .betrieb fort. Am Stammkapital von 50 000 DM waren die Eheleute jeweils zur Hälfte beteiligt. Der Kläger übertrug das Umlaufvermögen und das bewegliche Anlagevermögen auf die GmbH; diese übernahm auch die betrieblichen Verbindlichkeiten des Klägers. Danach ergab sich für den Kläger eine Forderung von rd. . . . DM, die er der GmbH als Darlehen beließ. Außerdem verpachtete er die Betriebs- und Geschäftsräume an die GmbH.
Der Kläger wurde zum Geschäftsführer der GmbH berufen. Beschlüsse der Gesellschafter, auch die Abberufung von Geschäftsführern, sollten nach dem Gesellschaftsvertrag mit einer Dreiviertelmehrheit der Stimmen getroffen werden; je 1 000 DM Stammanteil gewährten eine Stimme. Die Befugnisse des Geschäftsführers waren im Innenverhältnis auf die betriebsgewöhnlichen Geschäfte beschränkt; für weitergehende Geschäfte war die Zustimmung eines Beirats erforderlich. Er bestand aus drei Personen und entschied mit Zweidrittelmehrheit; Mitglieder waren die Eheleute und der Steuerberater. Als Geschäftsführer erhielt der Kläger monatlich 5 000 DM; ihm oblag die Hereinnahme und Durchführung der Aufträge. Seine Ehefrau war als Handlungsbevollmächtigte gegen ein Gehalt von 1 200 DM tätig; ihr oblagen Verwaltungsaufgaben.Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging in der Folge davon aus, daß eine Betriebsaufspaltung vorliege und der Kläger mit der Verpachtung an die GmbH einen Gewerbebetrieb führe; er setzte daher Gewerbesteuermeßbeträge fest. Nach einer Betriebsprüfung entstand Streit darüber, ob auch das Darlehen zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehöre. Gegen die geänderten Gewerbesteuermeßbescheide 1978 bis 1981 erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG); er berief sich darauf, daß nach neuerer Rechtsprechung die Beteiligung seiner Ehefrau ihm nicht zugerechnet werden könne und es damit an der für eine Betriebsaufspaltung erforderlichen personellen Verflechtung zwischen Betriebs- und Besitzunternehmen fehle. Das FG wies die Klage ab.
Hiergegen richtet sich die vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassene Revision des Klägers, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig. Sie mußte nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingelegt und auch begründet werden. Dies ist geschehen. Die maßgebenden Schriftsätze tragen zwar den Briefkopf einer Steuerberatungs-GmbH, sind aber in der Ichform verfaßt und vom Prozeßbevollmächtigten unterschrieben, der auch nicht Geschäftsführer der GmbH ist.
Die vom FA gegen den Inhalt der Revisionsbegründung geäußerten Bedenken sind nicht stichhaltig. Nach § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muß die Revision zwar die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Dem ist vorliegend durch den Hinweis genügt, daß im Streitfall keine Betriebsaufspaltung bestanden, jedenfalls aber das Darlehen nicht zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehört habe. Einen bestimmten Paragraphen brauchte der Kläger nicht zu zitieren; er hat sich auch mit dem angefochtenen Urteil auseinandergesetzt, ohne daß er auf alle Einzelheiten eingehen mußte.
2. Die Revision ist auch begründet; das FG ist zu Unrecht vom Bestehen einer Betriebsaufspaltung ausgegangen.
Hiervon ist zu sprechen, wenn das Besitzunternehmen der Betriebsgesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage überläßt und die Betriebsgesellschaft sowie das Besitzunternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen werden (BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 ständige Rechtsprechung). Das Besitzunternehmen kann auch als Einzelunternehmen einer natürlichen Person bestehen, die Mitglied der Betriebsgesellschaft ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455). Es muß jedoch sichergestellt sein, daß dieser Gesellschafter in der Lage ist, auch in der Betriebsgesellschaft seinen Willen durchzusetzen (BFH in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Dies geschieht grundsätzlich mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts. Im Falle einer als Betriebsgesellschaft fungierenden GmbH bedarf es dazu der Mehrheit der Anteile, sofern nicht, wie im Streitfall geschehen, im Gesellschaftsvertrag für Beschlüsse der Gesellschafter sogar eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen ist; die Anzahl der Stimmen richtet sich nach dem Umfang der Anteile (§ 47 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Der Kläger verfügte nur über die Hälfte der Anteile. Damit konnte er zwar unerwünschte Gesellschafterbeschlüsse verhindern, nicht aber seine Vorstellungen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen. Dies gilt um so mehr, als er für den normalen Betriebsumfang überschreitende Geschäfte der Zustimmung eines Beirats bedurfte, in dem er nur über eine von drei Stimmen verfügte. Die Stellung als Geschäftsführer, in der er die Belange der GmbH zu wahren hatte, kann den fehlenden gesellschaftsrechtlichen Einfluß nicht ersetzen (vgl. BHE-Urteil vom 22. Februar 1985 III R 174/80, BFH/NV 1985, 49).
Der Stammanteil der Ehefrau des Klägers muß bei dieser Betrachtung unberücksichtigt bleiben. Der BFH hat zwar in der Vergangenheit aufgrund einer widerlegbaren Vermutung angenommen, daß Ehegatten die Rechte aus ihren Anteilen wegen gleichgerichteter Interessen einheitlich ausüben und daß deshalb ihre Anteile in der Frage der Stimmenmehrheit zusammenzurechnen seien. Diese Vermutung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jedoch als mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar bezeichnet und eine Zusammenrechnung nur dann für möglich erklärt, wenn zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen für gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen vorliegen (BVerfG vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475). Die BFH-Rechtsprechung hat dem in der Folge Rechnung getragen (z. B. Urteile vom 27. November 1985 I R 115/85, BFHE 145, 221, BStBl II 1986, 362; vom 18. Februar 1986 VIII R 125/85, BFHE 146, 266, BStBl II 1986, 611; vom 24. Juli 1986 IV R 98-99/85, BFHE 147, 256, BStBl II 1986, 913). Derartige Beweisanzeichen sind vorliegend vom FG aber nicht festgestellt worden.
3. Die Vorinstanz ist jedoch davon ausgegangen, daß eine personelle Verflechtung auch im Wege einer nur tatsächlichen Beherrschung der Betriebsgesellschaft geschaffen werden könne, und daß diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Rechtsprechung hat eine personelle Verflechtung kraft tatsächlicher Beherrschung nur in seltenen Ausnahmefällen bejaht (vgl. die Nachweise bei Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 15 Anm. 144 f.). Sie müßte im Streitfall bewirkt haben, daß die Ehefrau von ihren gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten keinen Gebrauch machen konnte. Die Darlehensgewährung des Klägers rechtfertigt diese Annahme nicht (vg. BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 198/84, BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28).
Sie ergibt sich auch nicht daraus, daß nur der Kläger als . . .meister die fachlichen Kenntnisse für die Führung des Geschäfts besaß. Hierdurch war die Ehefrau nicht an der Wahrnehmung ihrer Rechte als Gesellschafterin gehindert; als Geschäftsführer konnte der Kläger hierauf keinen Einfluß nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1988 I R 228/84, BFHE 155, 117, BStBl II 1989, 155). Die Rechtsprechung hat deshalb wiederholt eine personelle Verflechtung allein aufgrund der beruflichen Vorbildung und Erfahrung des Geschäftsführers der Betriebsgesellschaft abgelehnt (BFH in BFHE 155, 117, BStBl II 1989, 155; vom 12. Oktober 1988 X R 5/86, BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152; BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28; vom 1. Dezember 1989 III R 94/87, BFHE 159, 480, BStBl II 1990, 500). Das in diesem Zusammenhang auch vom FG erwähnte BFH-Urteil vom 29. Juli 1976 IV R 145/72 (BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750) betraf einen Ausnahmefall, in dem die weiterhin über das Anlagevermögen verfügenden Ehemänner ihren Ehefrauen als Gesellschafterinnen einer KG das Unternehmen überlassen hatten, tatsächlich aber als Angestellte der KG den Betrieb fortführten; dies konnte den Gedanken nahelegen, daß die Ehefrauen nur treuhänderisch für ihre Ehemänner tätig waren. Solche Besonderheiten sind im Streitfall nicht gegeben.
4. Der Kläger unterhielt danach mit der Verpachtung und Darlehensgewährung keinen Gewerbebetrieb i. S. von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes. Ob die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung erfüllt waren, kann dahinstehen, weil der Verpächterbetrieb nicht der Gewerbesteuer unterliegen würde. Deswegen müssen neben dem Urteil der Vorinstanz auch die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 63593 |
BFH/NV 1991, 454 |