Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferung von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980)
Leitsatz (NV)
1. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG gemäß § 127 FGO hängt außer von den im Gesetz ausdrücklich genannten Voraussetzungen ferner davon ab, daß der Sache die sog. Spruchreife fehlt.
2. Spruchreife liegt u. a. vor, wenn die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes durch die Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes unberührt geblieben sind und wenn der geänderte Bescheid keinen neuen Streitstoff enthält, mit dem sich die Vorinstanz nicht befaßt hat.
3. Zur Auslegung des Begehrens der Beteiligten, wenn diese ihre Anträge dem Austausch des Verfahrensgegenstandes (§ 123 Satz 2 i. V. m. § 68 FGO) nicht ausdrücklich angepaßt und auch keine diesbezüglichen erläuternden Erklärungen abgegeben haben.
4. § 29 UStDV 1980 in der bis zum 31. Dezember 1984 geltenden Fassung ist mangels einer zureichenden Ermächtigungsgrundlage ebenso rechtsunwirksam wie die vorausgegangene inhaltsgleiche Regelung des § 5 der 3. UStDV.
5. Im Besteuerungszeitraum 1984 kommt es für die Beantwortung der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal "zum Verzehr an Ort und Stelle" erfüllt ist, auf den Ort der Speiseabgabe, nicht auf den Ort der Lieferung an.
Normenkette
3. UStDV § 5; FGO §§ 68, 123 S. 2, § 126 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, § 127; UStDV 1980 § 29; UStG 1980 § 3 Abs. 6-7, § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Institut des Bankwesens mit ca. ... Zweigstellen, bot im Streitjahr (1984) ihren -- auch den in den Zweigstellen tätigen -- Mitarbeitern gegen Entgelt ein tägliches einheitliches Mittagessen an. Diejenigen Mitarbeiter, die von dem Angebot Gebrauch machen wollten, gaben gegenüber der Personalstelle eine widerrufliche Anmeldung ab.
Die Essenszubereitung fand in der von der Klägerin betriebenen zentralen Küche in den frühen Morgenstunden statt. Die Küche wurde von den Zweigstellen bis spätestens ... Uhr unterrichtet, falls eine geringere oder größere Anzahl von Essensportionen im Verhältnis zum Vortage benötigt wurde. Die Küche füllte dementsprechend die für jede einzelne Zweigstelle erforderliche Menge an Speisen in warmen, verzehrfertigem, aber nicht portioniertem Zustand in Essenskübel ab (Thermo-Transportgefäße) und übergab die Gefäße sodann dem zentralen Fahrdienst der Klägerin. Dieser transportierte die Kübel vormittags zu den Zweigstellen, wo er sie in der Nähe der Eingangstür absetzte. Von dort wurden sie durch Mitarbeiter der Zweigstelle in die im Regelfall als Speiseräume benutzen Aufenthaltsräume gebracht, die mit Tischen und Stühlen sowie einer Pantryküche mit entsprechenden Vorrichtungen und mit Zubehör (Geschirr, Besteck, Spüleinrichtungen usw.) ausgestattet waren.
In der Mittagspause füllten die Mitarbeiter die Speisen sich selbst auf die Teller und nahmen das Essen zu sich. Nach dessen Verzehr sammelten sie das Geschirr wieder ein und, sofern kein Geschirrspülautomat vorhanden war, reinigten es von den gröbsten Speiseresten. All dies geschah in Eigenorganisation der Mitarbeiter. Irgendwelche Anweisungen, Direktiven oder sonstige Regularien schriftlicher oder mündlicher Art bestanden hierüber seitens der Klägerin nicht.
Im Streitjahr wurden ... Essensportionen an die Zweigstellen ausgeliefert. Bei einem Kostenbeitrag der Mitarbeiter von ... DM pro Essen ergab sich eine Bruttosumme von ... DM. Der entsprechende Nettobetrag wurde durch die Klägerin dem ermäßigten Steuersatz von 7 v. H. gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 unterworfen, so daß die errechnete Umsatzsteuer ... DM ausmachte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) setzte durch einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid 1984 vom 5. März 1986 die Umsatzsteuer -- aus hier nicht streitigen Gründen -- höher fest, wogegen die Klägerin Einspruch einlegte.
Durch die Einspruchsentscheidung vom 3. März 1987 erhöhte das FA -- nach einem Hinweis auf die Möglichkeit der Verböserung -- die Umsatzsteuer 1984 weiter. Hierbei vertrat das FA die Ansicht, die Essenslieferungen an die Mitarbeiter in den Zweigstellen seien mit dem Regelsteuersatz von 14 v. H. zu erfassen, so daß die diesbezügliche Umsatzsteuer ... DM betrage.
Mit der Klage hatte die Klägerin Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte mit seinem -- in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 39 veröffentlichten -- Urteil die Umsatzsteuer 1984 auf ... DM herab, indem es als anteilige Umsatzsteuer für die Lieferung des Mittagessens statt der -- vom FA angenommenen -- ... DM die -- durch die Klägerin errechneten -- ... DM zugrunde legte.
Das FG führte zur Begründung aus, das FA habe die Essenslieferungen zu Unrecht dem Regelsteuersatz unterworfen. Denn es liege keine Lieferung von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle vor (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980), weil im vorliegenden Fall nicht nur die der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegenstehenden Tatbestandsmerkmale aus § 29 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1980 nicht verwirklicht seien, sondern auch die die Vergünstigung ausschließenden Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980. Demzufolge könne dahinstehen, ob der zur Vorgängervorschrift des § 29 UStDV 1980 -- nämlich zu § 5 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes -- Mehrwertsteuer -- (3. UStDV) -- ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu folgen sei (Hinweis auf die BFH-Urteile vom 16. Dezember 1982 V R 81/78, BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349, und V R 46/82, BFHE 137, 516, BStBl II 1983, 354; vom 27. Januar 1983 V R 94/78, BFHE 137, 515, BStBl II 1983, 353, und vom 6. Oktober 1983 V R 74/78, BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349).
Bei den Essenslieferungen handele es sich nicht um Lieferungen von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle, so daß auch der räumliche Zusammenhang zwischen den Orten der Lieferung und des Verzehrs i. S. von § 29 UStDV 1980 nicht vorhanden sei. Denn gemäß § 3 Abs. 6 und 7 UStG 1980 hätten die Lieferungen in der Zentralküche, nicht etwa in den einzelnen Zweigstellen stattgefunden.
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes scheitere ebenfalls nicht etwa daran, daß die Klägerin ihren Mitarbeitern am Ort des Verzehrs etwas anderes geliefert habe (Gegenstand anderer Marktgängigkeit) als dasjenige, was zu Beginn der Belieferung vorlag.
Dies gelte unbeschadet dessen, daß die Mitarbeiter die Speisen vor Ort noch selbst zu portionieren hatten und daß gelegentlich durch einen Mitarbeiter in Eigenorganisation die Speisen nochmals aufgewärmt oder mit Gewürzen abgeschmeckt wurden.
Mit der -- vom FG zugelassenen -- Revision beantragt das FA sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Das FA rügt Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980 und macht geltend, die Lieferungen von Mittagsmenüs durch die Klägerin an ihre Mitarbeiter in den Zweigstellen unterlägen dem Regelsteuersatz, da insoweit Lieferungen von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle stattgefunden hätten. Das vom FG angenommene Erfordernis eines räumlichen Zusammenhangs zwischen dem Ort der Lieferung und dem Ort des Verzehrs werde vom Gesetz nicht gedeckt und verenge nach höchstricherlicher Rechtsprechung (Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349) überdies das Auslegungsverständnis des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980. Bei der Interpretation der zitierten Vorschrift sei der Wille des Gesetzgebers zu beachten, jegliche Verabreichung von Lebensmitteln zum Verzehr im Gastronomiebereich einem einheitlichen Steuersatz zu unterwerfen. Von der Vergünstigung des ermäßigten Steuersatzes sollten diejenigen Lieferungen von Speisen und Getränken ausgeschlossen werden, die über die reine Warenlieferung hinausgehen und mit einem besonderen Dienstleistungsanteil verbunden sind. Für diesen Bereich sei wesensbestimmend, daß der Unternehmer über die Verteilerfunktion des Lebensmittelhandels und -handwerks hinaus Dienstleistungen erbringt, die einen sofortigen Verzehr der Speisen und Getränke durch Zubereitung aus handelsfertigen Lebensmitteln verschiedener Art und/oder durch die Art und Weise der Darreichung zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle ermöglichen. Jede dieser Dienstleistungsarten werde durch die Überschreitung der begünstigten Handels- und Verteilerfunktion gekennzeichnet und verweise die dem Regelsteuersatz unterliegenden Leistungen in den Bereich der gaststättenmäßigen oder -ähnlichen Betätigungen (Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349).
Die Fiktion des § 3 Abs. 7 UStG 1980 finde im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980 keine Anwendung. Zur Bestimmung des Zweckes, an Ort und Stelle verzehrt zu werden, komme es allein auf den Ort der Speisenabgabe an. Aber selbst wenn § 3 Abs. 7 UStG 1980 im Rahmen des § 12 Abs. 2 UStG 1980 Anwendung finden sollte, dürfte im Streitfall der ermäßigte Steuersatz nicht angesetzt werden, da es an einer Beförderung im Sinne der zitierten Vorschrift fehle. Bei der zentralen Küche der Klägerin handele es sich um eine firmeneigene, d. h. unselbständige, Einrichtung der Klägerin. Der Essenstransport stelle sich mithin als betriebsinterner Vorgang innerhalb des Unternehmens der Klägerin dar. Adressat des Transportes sei die Klägerin selbst. Eine Lieferung werde erst in der jeweiligen Zweigstelle ausgeführt. Außerdem würden in den Transportbehältern keine fertigen Menüs befördert, wie sie von der Klägerin ihren Mitarbeitern geschuldet würden, sondern Beilagen, getrennt von Fleisch und Gemüse.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 1984 vom 31. Juli 1990 -- mit nochmals heraufgesetzter Umsatzsteuer und Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung -- erlassen. Der Änderungsbescheid ist von der Klägerin gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Der diesbezüglichen Erklärung der Klägerin ging eine entsprechende Anregung des FA voraus.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Entgegen der Auffassung des FG hat das FA zu Recht der Klägerin für die Essenslieferungen an die Mitarbeiter in den Zweigstellen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 verweigert.
Letzteres (Klageabweisung) vermag der erkennende Senat trotz der Regelung in § 127 FGO auch in Anbetracht des während des Revisionsverfahrens ergangenen geänderten Umsatzsteuerbescheides 1984 vom 31. Juli 1990 auszusprechen, der gemäß § 123 Satz 2 i. V. m. § 68 FGO zum Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens geworden ist.
1. Der Senat hält es nicht für geboten, von der in § 127 FGO enthaltenen Regelung Gebrauch zu machen, wonach im Falle, daß während des Revisionsverfahrens ein neuer oder geänderter Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens geworden ist (§§ 68, 123 Satz 2 FGO), der BFH das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen kann. Zwar liegen die im Gesetz ausdrücklich genannten Voraussetzungen für eine Zurückverweisung vor. Es fehlt aber nicht an der sog. Spruchreife, wovon die Anwendung des § 127 FGO ebenfalls abhängt.
a) Ursprünglich war Gegenstand des vorliegenden Verfahrens -- einschließlich des Revisionsverfahrens -- die Festsetzung der Umsatzsteuer 1984, wie sie sich aus dem Umsatzsteuerbescheid 1984 vom 5. März 1986 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 1987 ergibt, d. h. in Höhe von ... DM. Von dieser Höhe der Umsatzsteuer ging das FG aus, als es mit dem angefochtenen Urteil der Klage in vollem Umfang stattgab und die Umsatzsteuer 1984 auf ... DM herabsetzte.
Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen geänderten Umsatzsteuerbescheid 1984 vom 31. Juli 1990 erhöhte das FA -- aus Gründen, die dem Senat nicht bekannt sind -- die Steuerfestsetzung auf ... DM. Daraufhin hat die Klägerin durch ihre Erklärung gemäß § 123 Satz 2 i. V. m. § 68 FGO den zuletzt erwähnten Bescheid zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 127 Anm. 1). Damit sind die in § 127 FGO ausdrücklich angeführten Voraussetzungen erfüllt.
b) Ob bei einer solchen Prozeßlage der BFH von der Möglichkeit der Zurückverweisung gemäß § 127 FGO Gebrauch machen kann, hängt allerdings weiter davon ab, daß die Streitsache trotz des Erlasses des geänderten, von der Vorinstanz noch nicht behandelten Bescheides spruchreif ist. Spruchreife in diesem Sinne ist regelmäßig dann gegeben, wenn die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes durch die Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes unberührt geblieben sind (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 127 Anm. 2 m. w. N.). Die Spruchreife kann unter solchen Umständen allerdings gleichwohl fehlen, und zwar dann, wenn der geänderte Bescheid neuen Streitstoff enthält, mit dem sich die Vorinstanz nicht befaßt hat.
Hier ist die Spruchreife unter beiden erwähnten Aspekten nicht zu verneinen, d. h. weder hinsichtlich des ursprünglichen alleinigen Streitpunktes (Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf einen bestimmten Teil der Bemessungsgrundlage) noch in Beziehung auf mögliche Ansatzpunkte für eine zusätzliche Beschwerde der Klägerin infolge des während des Revisionsverfahrens ergangenen geänderten Bescheides (weitere Erhöhung der Umsatzsteuerfestsetzung 1984; Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung).
aa) Beide Beteiligten haben ihre Anträge dem durch die Erklärung der Klägerin gemäß § 123 Satz 2 i. V. m. § 68 FGO herbeigeführten Austausch des Verfahrensgegenstandes nicht ausdrücklich angepaßt und haben auch keine diesbezüglichen erläuternden Erklärungen abgegeben. Hieraus folgt für die Auseinandersetzung um den ursprünglichen Streitstoff (Verweigerung des ermäßigten Steuersatzes für einen bestimmten Teil der Bemessungsgrundlage) bei verständiger Würdigung nicht etwa, daß der erwähnte Streitpunkt sich nunmehr auf einen größeren Teil der Bemessungsgrundlage bezieht. Zwar haben die Beteiligten -- soweit ihre Anträge an dieser Stelle von Interesse sind, d. h. nicht die Aufhebung bzw. Nichtaufhebung des angefochtenen Urteils betreffen, sondern das den Streitstoff bestimmende Klagebegehren der Klägerin -- an den bisherigen Anträgen festgehalten. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Anträge weiterhin in ihrem ursprünglichen Sinne verstanden werden müßten. Vielmehr ist aufgrund der qualifizierten Vertretung beider Beteiligten, der unterbliebenen ausdrücklichen Antragsanpassung und der fehlenden Abgabe diesbezüglicher erläuternder Erklärungen anzunehmen, daß sowohl die Klägerin als auch das FA ihre bisherigen Anträge nunmehr vor dem Hintergrund der geänderten Festsetzung der Umsatzsteuer 1984 verstanden wissen wollen.
Demzufolge ist davon auszugehen, daß die Klägerin, die ihren Klageantrag in der Vorinstanz auf die seinerzeit maßgebende Höhe der Steuerfestsetzung ( ... DM) abgestellt hatte (" ... dahin zu ändern, daß die USt 1984 auf ... DM festgesetzt wird."), insoweit nicht etwa nach wie vor eine Herabsetzung der Umsatzsteuer 1984 auf ... DM begehrt, sondern eine Herabsetzung zwar im Umfange des unveränderten Differenzbetrages ( ... DM = ... DM ./. ... DM), aber ausgehend von der höheren Steuersumme des geänderten Bescheides, d. h. auf ... DM (= ... DM ./. ... DM).
Dementsprechend ist das Begehren des FA nach Klageabweisung, soweit es den erstinstanzlichen alleinigen Streitstoff betrifft (Verweigerung des ermäßigten Steuersatzes für einen bestimmten Teil der Bemessungsgrundlage), jetzt in dem Sinne zu verstehen, daß das FA sich gegen eine beantragte Herabsetzung der Umsatzsteuer 1984 auf ... DM wendet, nicht gegen eine Herabsetzung auf ... DM.
Dies alles spricht zugleich für die Annahme, daß die im geänderten Umsatzsteuerbescheid 1984 vorgenommene weitere Erhöhung der Steuer nichts mit dem ursprünglichen Streitstoff zu tun hat.
bb) Ähnliche Überlegungen sind in Beziehung auf mögliche Ansatzpunkte für eine zusätzliche Beschwerde der Klägerin infolge des während des Revisionsverfahrens geänderten Bescheides angebracht (weitere Erhöhung der Umsatzsteuerfestsetzung 1984; Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung). Im Hinblick auf die qualifizierte Vertretung beider Beteiligten sowie mit Rücksicht auf die unterbliebene ausdrückliche Antragsanpassung ist davon auszugehen, daß die Beteiligten weder wegen der Differenz zwischen der Steuerfestsetzung durch die Einspruchsentscheidung einerseits und der durch den während des Revisionsverfahrens geänderten Bescheides andererseits ( ... DM = ... DM ./. ... DM) streiten wollen noch wegen des Umstandes, daß durch den geänderten Bescheid der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden ist.
2. Das angefochtene Urteil hält der Revision des FA nicht stand. Das FG hat der Klägerin für die Essenslieferungen an die Mitarbeiter in den Zweigstellen rechtsfehlerhaft den ermäßigten Steuersatz zugesprochen und demzufolge die Umsatzsteuer 1984 entsprechend herabgesetzt. Es hat damit § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 unrichtig ausgelegt und angewendet. Demgemäß war das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
a) Für das Streitjahr kommt aufgrund von § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980 der ermäßigte Steuersatz nicht auf Lieferungen von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle zur Anwendung. Diese Vorschrift wird nicht durch § 29 UStDV 1980 in der bis zum 31. Dezember 1984 geltenden Fassung ergänzt (s. für die Zeit danach: § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 UStG 1980 i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes -- StBereinG -- 1985 vom 14. Dezember 1984, BStBl I 1984, 659), weil die Bestimmung des § 29 UStDV 1980 unwirksam ist.
Der Senat hat die inhaltsgleiche Regelung des § 5 der 3. UStDV mangels einer zureichenden Ermächtigungsgrundlage für nicht rechtswirksam erachtet (BFH-Urteile in BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349; in BFHE 137, 516, BStBl II 1983, 354; in BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349). Die vom Senat insoweit angeführten Erwägungen gelten gleichermaßen für § 29 UStDV 1980 in der bis 31. Dezember 1984 geltenden Fassung (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Mai 1989 V S 11/88, BFH/NV 1990, 332, wo die Frage nach der Unwirksamkeit aus verfahrensrechtlichen Gründen allerdings letztlich offengelassen worden ist).
Daher ist der Regelungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980 für das Streitjahr allein durch Auslegung des Gesetzes zu ermitteln, wobei an die Rechtsprechung zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1973 angeknüpft werden kann.
b) Zur Abgrenzung zwischen den nach Satz 1 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1973 unter den ermäßigten Steuersatz fallenden Umsätzen und der von der Vergünstigung ausgeschlossenen Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle i. S. von Satz 2 der Vorschrift hat der BFH in ständiger Rechtsprechung ausgeführt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349; in BFHE 137, 516, BStBl II 1983, 354; in BFHE 137, 515, BStBl II 1983, 353; iin BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349; vom 29. Juni 1988 X R 64/82, BFHE 154, 189, BStBl II 1989, 207), es komme darauf an, ob eine Tätigkeit des Lebensmittelhandels bzw. -handwerks beim Verkauf von Lebensmitteln des lebensnotwendigen Bedarfs vorliege, die üblicherweise dadurch gekennzeichnet sei, daß handelsfertig hergerichtete Lebensmittel zur Mitnahme durch den Kunden abgegeben würden, oder ob es sich um die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr an Ort und Stelle handele, wie sie für Gaststätten und ähnliche Restaurationsbetriebe typisch sei. Hierfür sei wesentlich, daß die für den Verzehr an Ort und Stelle liefernden Unternehmer sich regelmäßig nicht auf die Verteilerfunktion beschränken, sondern Dienstleistungen erbringen, die einen sofortigen Verzehr der Speisen und Getränke durch Zubereitung (Eßfertigmachen) und/oder die Art und Weise der Darreichung (Anbieten bzw. Erleichtern des Verzehrs an Ort und Stelle) ermöglichen. Die Dienstleistungen könnten sowohl die Zubereitung des Liefergegenstandes als auch die Darreichung zum Gegenstand haben. Jede dieser Dienstleistungen bedeute eine Überschreitung des Bereichs der begünstigten Handels- und Verteilerfunktion des Lebensmittelhandels und -handwerks im Verhältnis zu der dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden gaststättenmäßigen oder gaststättenähnlichen Betätigung.
c) Entgegen der Annahme des FG ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts Gegenteiliges aus der Berücksichtigung des § 3 Abs. 6 und 7 UStG 1980. Nach diesen Vorschriften wird eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (Abs. 6), und eine Lieferung gilt mit dem Beginn der Beförderung als ausgeführt, wenn der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten befördert, wobei "Befördern" jede Fortbewegung eines Gegenstandes ist (Abs. 7 Sätze 1 und 2).
Hieraus hat das FG gefolgert, daß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980 wegen der unterschiedlichen örtlichen Positionen der Zentralküche einerseits, von der aus die Speisen zu den Zweigstellen transportiert wurden, und den Zweigstellen andererseits, nicht verwirklicht sein könne. Dabei hat das FG auf den Gesetzestext hingewiesen ("Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle") und hat weiter angeführt, die Fiktion des § 3 Abs. 7 UStG 1980 gelte für alle Lieferungen und sei durch § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980 nicht ausgeschlossen.
Insoweit ist auf folgendes hinzuweisen: Der erkennende Senat hat die Frage nach der Maßgeblichkeit des § 3 Abs. 7 UStG 1967/1973 für die Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1973 nicht über sehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349, unter 3. e); dies ist dem FG offenbar nicht verborgen geblieben. Das angefochtene Urteil läßt jedoch eine zureichende Berücksichtigung der Erwägung in der Rechtsprechung des erkennenden Senats vermissen, daß die Abgrenzung der Regelung in Satz 1 gegenüber der in Satz 2 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1973 zur Ermittlung des Gesetzeszweckes bzw. des gesetzgeberischen Willens in besonderem Maße ein Eingehen auf die finanzpolitische Zielsetzung und die Entstehungsgeschichte der Norm gebietet (vgl. BFH-Urteile in BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349, unter 3., und in BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349, unter 3. d bis f). Dies mag dem FG den Blick dafür versperrt haben, daß es für die Beantwortung der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal "zum Verzehr an Ort und Stelle" erfüllt ist, auf den Ort der Speiseabgabe (statt auf den Ort der Lieferung) als Bezugspunkt ankommt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 140, 324, BStBl II 1984, 349, unter 5. zweiter Absatz, und in BFHE 154, 189, BStBl II 1989, 207, unter 3.).
Angesichts dessen braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Revision nicht auch deshalb Erfolg haben müßte, weil das FA gerügt hat, eine Beförderung i. S. des § 3 Abs. 7 UStG 1980 liege auf keinen Fall vor. Bei dem Transport der Speisen zu den Zweigstellen habe es sich um einen betriebsinternen Vorgang gehandelt, dessen Gegenstand überdies nicht die den Mitarbeitern geschuldeten eßfertigen Menüs gewesen seien.
3. Da das FG von anderen rechtlichen Überlegungen ausgegangen ist, so daß die Entscheidungsgründe eine Verletzung bestehenden Rechts ergeben, und sich die Entscheidung des FG auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO), war die Vorentscheidung aufzuheben.
4. Die Sache ist spruchreif. Dies führt zur Abweisung der Klage.
Die Klägerin hat im Streitjahr ihren Mitarbeitern in den Zweigstellen Speisen (nämlich verzehrfertige Mittagsmahlzeiten, bei denen lediglich die Portionierung noch vorzunehmen war) zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle i. S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1980 geliefert. Die Klägerin ermöglichte einen solchen Verzehr durch die eßfertige Zubereitung sowie durch die Zurverfügungstellung entsprechend ausgestatteter Räume mit dem erforderlichen Geschirr und Besteck. Auf Grund der Feststellungen des FG besteht am örtlichen und zeitlichen Bezug zwischen Speiseabgabe und Verzehr kein Zweifel.
5. Der Senat ist am jetzigen Durcherkennen nicht durch seinen Beschluß vom 30. Mai 1994 V R 120/93 (BFHE 175, 151; vgl. auch den BFH-Beschluß vom 10. August 1993 V B 201/91, BFH/NV 1994, 423) gehindert, mit dem er den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) angerufen hat. Im Hinblick auf den vom FG festgestellten Sachverhalt können sich im vorliegenden Fall nicht die Zweifel ergeben, die zur Anrufung des EuGH geführt haben.
Fundstellen