Entscheidungsstichwort (Thema)
Trotz schlechter Ertragsaussichten kein negativer Ertragshundertsatz bei der Anteilsbewertung im Stuttgarter Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Bei der Anteilsbewertung im Stuttgarter Verfahren ist auch bei schlechten Ertragsaussichten der Ertragshundertsatz mit 0 v. H. anzusetzen, solange nicht die am Stichtag vorhandenen Verhältnisse auf einen baldigen Zusammenbruch des Unternehmens hindeuten.
2. Der Anteilswert kann nicht aus den Anschaffungskosten abgeleitet werden, wenn die Verkäufe ein Jahr und länger zurückliegen.
Normenkette
BewG § 11 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung der Anteile an der Klägerin zu 1, einer GmbH, auf den 31. Dezember 1982.
Die Klägerin zu 1 betreibt den Handel mit . . .
An ihrem Stammkapital sind der Kläger zu 2 mit 55 v. H. und die beiden Beigeladenen mit je 22,5 v. H. am Stichtag beteiligt gewesen. Die von der Klägerin zu 1 eingereichte Erklärung zur Anteilsbewertung wies einen Vermögenswert von 393,604 v. H. und einen Ertragshundertsatz von 0 v. H. aus. Dabei berücksichtigte die Klägerin zu 1, daß die Betriebsergebnisse 1981 und 1982 jeweils negativ waren, während 1980 noch ein positives Betriebsergebnis erzielt worden war. Die Klägerin zu 1 stellte den Antrag, den gemeinen Wert nicht nach dem sog. Stuttgarter Verfahren in der Ausgestaltung der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1983 zu bewerten, sondern den Wert der Anteile auf 90 v. H. festzustellen. Zu diesem Wert seien die Anteile 1978, 1979 von ihren jetzigen Inhabern erworben worden.
Das beklagte Finanzamt (FA) folgte diesem Antrag nicht und stellte den gemeinen Wert auf 179 v. H. fest (= 45,5 v. H. des erklärten Vermögenswertes von 393,604 v. H.).
Nach erfolgslosem Einspruch haben die Kläger Klage erhoben und auf die bis zum 31. Dezember 1982 entstandenen Verlustvorträge hingewiesen. Außerdem haben sie geltend gemacht, daß die Gesellschafter zur Abwendung des Konkurses gegenüber Kreditinstituten persönliche Bürgschaften übernommen hätten. Unter diesen Umständen sei kein Käufer bereit gewesen, am Stichtag für die Anteile mehr als 90 v. H. zu zahlen.
Die Kläger haben deshalb beantragt, den Wert der Anteile auf 90 v. H. festzustellen.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und den Wert der Anteile auf 90 v. H. festgestellt.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der vom FA nach den VStR ermittelte Wert der Anteile an der Klägerin zu 1 stehe im Widerspruch zu § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Die dort vorgeschriebene Berücksichtigung der Ertragsaussichten erfordere, daß auch ein negativer Ertragshundertsatz zugelassen werden müsse. Das FG sehe in dem Ansatz des gemeinen Wertes mit 45,5 v. H. des Vermögenswertes ein untragbares Ergebnis und könne unter diesen Umständen nur davon ausgehen, daß ein für den Stichtag gedachter Erwerber mit Fortführungsabsicht allenfalls bereit gewesen wäre, 90 v. H. für die Anteile zu zahlen.
Das FA hat Revision eingelegt. Zur Begründung seiner Revision hat es vorgetragen:
Das Vermögen der Klägerin zu 1 sei durch die vor dem Stichtag eingetretenen Verluste bereits gemindert worden. Dies komme in dem Vermögenswert voll zum Ausdruck. Wenn gleichwohl noch ein hoher Vermögenswert ermittelt worden sei, so müsse dies bei der Ermittlung des gemeinen Werts Berücksichtigung finden. Ein gedachter Käufer der Anteile hätte in seinen Kaufüberlegungen auch die Tatsache berücksichtigt, daß zum Vermögen der Klägerin zu 1 Grundstücke mit erheblichen stillen Reserven gehört hätten. Die Ertragsaussichten seien nach den voraussichtlichen zukünftigen Erträgen zu berücksichtigen. Zur Ertragslage sei darauf hinzuweisen, daß der 1981 eingetretene hohe Verlust bereits 1982 auf die Hälfte reduziert werden konnte. 1983 und 1984 habe die Klägerin schon mit Gewinnen abgeschlossen. Die kurze Verlustphase komme bereits dadurch ausreichend zum Ausdruck, daß der gemeine Wert nur mit 45 v. H. des Vermögenswertes bewertet worden sei.
Die Kläger haben geltend gemacht, daß im Hinblick auf den bis zum 31. Dezember 1982 aufgelaufenen Verlustvortrag am Stichtag keinerlei Indizien für die Bewertung der Anteile zu einem höheren Wert als den Anschaffungskosten in den Jahren 1978 und 1979 von 90 v. H. vorgelegen hätten; ein gedachter Erwerber hätte am Stichtag nicht einmal diesen Betrag für die Anteile gezahlt.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Er hat dargelegt, daß die mit dem 31. Dezember 1976 eingeführte Begrenzung des Ertragshundertsatzes nach unten auf 0 v. H. gerechtfertigt sei. Gesellschaften mit Verlusten würden so behandelt wie Gesellschaften, die in den letzten drei Jahren vor dem Feststellungsstichtag ein ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaftet hätten. Auch verlustbringende Unternehmen würden in der Regel in der Erwartung fortgeführt, daß die Verlustphase nicht von Dauer sein werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Senat hat bereits durch Urteil vom 10. Mai 1989 II R 160/85 (BFHE 157, 435, BStBl II 1989, 752) dahin entschieden, daß auch bei schlechten Ertragsaussichten eines Unternehmens bei der Anteilsbewertung der Ertragshundertsatz mit 0 v. H. anzusetzen sei. Eine weitere Herabsetzung des auf dieser Grundlage ermittelten gemeinen Wertes (45,5 v. H. des Vermögenswertes) komme nur dann in Betracht, wenn die am Stichtag vorhandenen objektiven Verhältnisse auf einen baldigen Zusammenbruch des Unternehmens hindeuten und sich der nach den VStR ergebende Wert deshalb als überhöht erweise. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist sein Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist es nicht möglich, den Wert der Anteile am Stichtag aus den Anschaffungskosten in den Jahren 1978 und 1979 abzuleiten oder sich bei der Schätzung des Werts an diesen Anschaffungskosten zu orientieren. Dem steht der eindeutige Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG entgegen. Danach können der Wertfindung Verkäufe nur dann zugrunde gelegt werden, wenn sie weniger als ein Jahr zurückliegen. Im Streitfall ist der Wert der Anteile deshalb zwingend ,,unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen" (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Diese Schätzung ist methodisch eine andere Art, den gemeinen Wert der Anteile an einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln, als die Ableitung dieses Wertes aus Verkäufen. Sie führt deshalb zwangsläufig in aller Regel zu Werten, die mit dem Verkaufspreis und - im Falle der Bewertung von Aktien - mit dem Börsenkurs nicht vergleichbar sind. Das Stichtagsprinzip der Anteilsbewertung rechtfertigt es aber, daß der Gesetzgeber einen Verkaufspreis - oder einen Börsenkurs - nur für einen begrenzten Zeitraum maßgeblich sein läßt.
Fundstellen
Haufe-Index 417195 |
BFH/NV 1991, 800 |