Entscheidungsstichwort (Thema)
AfA bei Grundstücksentnahme oder Betriebsaufgabe
Leitsatz (NV)
1. Gemeiner Wert oder Teilwert bilden nach der Übernahme eines Gebäudes vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen nur dann die Bemessungsgrundlage für die künftige AfA, wenn die stillen Reserven aufgedeckt und versteuert werden (Anschluß an neuere Rechtsprechung).
2. Überträgt das FG die Berechnung der Steuer nach Art. 3 § 4 VGFGEntlG dem FA, so darf es keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen offenlassen (vgl. Urteil des BFH vom 6. März 1990 II R 63/87, BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504).
Normenkette
EStG §§ 7, 9, 21; VGFGEntlG Art. 3 § 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) -- eine KG -- verpachtete ab 1. Januar 1974 ihr Unternehmen an eine neu gegründete GmbH. Zum verpachteten Betriebsvermögen gehörte u. a. ein bebautes Grundstück. Mit Vertrag vom 1. Juli 1981 hoben die Klägerin und die GmbH den Pachtvertrag auf und schlossen eine neue Vereinbarung, nach der Pachtgegenstand nur noch das Betriebsgrundstück war. Das übrige Anlagevermögen verkaufte die Klägerin an die GmbH. In einem Nachtrag zum Pachtvertrag vereinbarten die Vertragspartner 1983, daß neben dem Grundstück und den aufstehenden Gebäuden das gesamte Unternehmen der Klägerin Pachtgegenstand sein solle.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ging zunächst davon aus, daß seit 1974 zwischen der Klägerin und der GmbH eine Betriebsaufspaltung vorliege, und beurteilte deshalb die Einkünfte der Klägerin aus der Verpachtung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Nach der Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung beurteilte das FA die Verpachtung als Betriebsverpachtung im ganzen. Diese Betriebsverpachtung habe auch nach der Neuregelung des Pachtverhältnisses und dem Verkauf des übrigen Anlagevermögens im Jahr 1981 fortbestanden, weil die Klägerin die wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet habe. In den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für die Streitjahre 1982, 1983, 1985 und 1986 bzw. 1984 stellte es deshalb weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.
Dagegen wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren mit ihren Klagen, mit denen sie beantragte, die Einkünfte für die Streitjahre als solche aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren und bei der Ermittlung der Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach dem Teilwert des Grundstücks im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe (30. Juni 1981) zu ermitteln.
Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen teilweise statt. Es beurteilte die Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil mit der Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens 1981 die Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsverpachtung im ganzen entfallen seien. Wegen der Nichterfassung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsverpachtung seien die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten weiter Bemessungsgrundlage für die Gebäude-AfA. Das FG hob die angefochtenen Feststellungsbescheide für die Streitjahre auf; es verpflichtete das FA, die Einkünfte der Klägerin als solche aus Vermietung und Verpachtung festzustellen und dabei hinsichtlich der AfA-Bemessungsgrundlage von der in den aufgehobenen Feststellungsbescheiden zugrunde gelegten Höhe auszugehen; im übrigen wies es die Klagen ab.
Dagegen wenden sich die Klägerin und das FA mit ihren Revisionen.
Die Klägerin rügt Verletzung des § 7 Abs. 4 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 16 Abs. 3 EStG. Das FG habe zu Unrecht als AfA-Bemessungsgrundlage nicht den Teilwert bzw. den gemeinen Wert der Betriebsgebäude angesehen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Das FG habe Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) verfahrensfehlerhaft angewandt und das rechtliche Gehör des FA verletzt, weil es dem FA nicht nur die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen, sondern auch die Entscheidung über Rechtsfragen überlassen habe. Außerdem habe das FG versäumt festzustellen, wer an der Klägerin beteiligt sei (Nießbrauch X).
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß Bemessungsgrundlage für die AfA der verpachteten Betriebsgebäude auch nach Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin nicht der gemeine Wert der Betriebsgebäude (§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG) ist. Wie der erkennende Senat zwischenzeitlich entschieden hat, bildet der gemeine Wert der Betriebsgebäude nur dann die Bemessungsgrundlage für die AfA, wenn bei der Betriebsaufgabe die stillen Reserven auf gedeckt und versteuert werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Urteile des Senats vom 3. Mai 1994 IX R 59/92 (BFHE 174, 422, BStBl II 1994, 749) und IX R 153/88 (BFH/NV 1995, 19) sowie Urteil vom 15. Dezember 1993 IX R 158/90 (BFH/NV 1994, 476) Bezug genommen. Da im Streitfall die Klägerin die stillen Reserven, die auf die Betriebsgebäude entfallen, bei Veräußerung des Anlagevermögens im Jahre 1981 nicht aufgedeckt und versteuert hat und eine solche Versteuerung wegen Feststellungsverjährung nicht mehr in Betracht kommt, hat das FG auch von seinem Rechtsstandpunkt aus -- wonach die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt -- die AfA zutreffend nach den bisherigen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Betriebsgebäude bemessen.
II. Auf die Revision des FA hin sind die Vorentscheidungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat verfahrensfehlerhaft die Verpflichtung des FA ausgesprochen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festzustellen, und dabei die Entscheidung der Rechtsfrage offengelassen, welchen Einfluß die aktenkundige Beteiligung der Klägerin an der gewerblich tätigen A-KG hat.
Nach Art. 3 § 4 VGFGEntlG, der inzwischen durch § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109, BStBl I 1993, 90) abgelöst ist, konnte das FG den angefochtenen Verwaltungsakt teilweise aufheben und den aufgehobenen Teil durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Finanzbehörde den Betrag aufgrund der Entscheidung errechnen kann. Der Entscheidungssatz eines FG-Urteils entspricht nur dann den Anforderungen dieser Vorschrift, wenn dem FA nur die Berechnung der Steuer, nicht auch die Entscheidung einer Rechtsfrage überlassen bleibt (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. März 1990 II R 63/87, BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504, und vom 6. Mai 1986 VIII R 110/83, BFH/NV 1986, 722; vgl. auch Urteil vom 17. November 1992 VIII R 35/91, BFH/NV 1993, 316). Hat das FG bei seiner Entscheidung Rechtsfragen offen gelassen, so ist dieser Verfahrensfehler im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen und die Vorentscheidung aufzuheben (Urteil in BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504).
Im Streitfall trägt das FA vor, das FG habe bei seiner Entscheidung nicht beachtet, daß die Klägerin an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt ist. Die Entscheidung der Rechtsfrage, wie sich eine -- wenn auch nur geringfügige -- Beteiligung an einer gewerblich tätigen Untergesellschaft auf die Qualifizierung der Einkünfte der Obergesellschaft auswirkt, durfte das FG, wie das FA zu Recht geltend macht, nicht offenlassen. Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG führt die Beteiligung einer nicht gewerblich tätigen Personengesellschaft an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft grundsätzlich dazu, daß die Einkünfte der Obergesellschaft insgesamt als gewerbliche Einkünfte einzuordnen sind (BFH-Urteile vom 8. Dezember 1994 IV R 7/92, BFHE 176, 555; vom 10. August 1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171; vgl. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 11. Februar 1993 S 2241 A -- St 11 H, Der Betrieb 1993, 510; vgl. auch Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 15 Rz. 189, m. w. N.). Außerdem hat das FG nicht berücksichtigt, daß die Einkünfte der Klägerin in den angefochtenen Feststellungsbescheiden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Vermögensvergleich (§§ 5, 4 Abs. 1 EStG) ermittelt sind, während die Einkünfte vom Rechtsstandpunkt des FG aus als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln wären. Das FG hätte von seinem Rechtsstandpunkt aus dem FA in diesem Punkt mindestens nähere Anweisungen zur Berechnung der Höhe der Einnahmeüberschüsse geben müssen.
Die Vorentscheidungen sind wegen dieser Verfahrensfehler aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG erhält mit der Zurückverweisung Gelegenheit zu prüfen, wie sich die Beteiligung an der gewerblich tätigen Personengesellschaft auf die Qualifizierung der Einkünfte der Klägerin auswirkt. Das FG wird bei der erneuten Entscheidung sodann die Auswirkungen dieser Beteiligung auf die Art und Höhe der Einkünfte der Klägerin und die Zurechnung der Anteile zu prüfen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 420817 |
BFH/NV 1996, 319 |