Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietverträge zwischen nahen Angehörigen
Leitsatz (NV)
Mietverträge zwischen nahen Angehörigen sind der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde zu legen, wenn sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Das gilt auch für die Vereinbarungen über die Nebenkosten und -- bei möblierter Vermietung -- für die Möblierung.
Normenkette
EStG §§ 21, 21a Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines Anfang November 1986 fertiggestellten Zweifamilienhauses. Die Hauptwohnung bewohnt sie mit ihrer Familie. Im Kellergeschoß befindet sich ein Einzimmerappartement, über das die Klägerin mit ihrer Mutter einen schriftlichen Formularmietvertrag vom 15. Oktober 1986 abgeschlossen hat. Darin vermietet die Klägerin das im wesentlichen von ihr möblierte Einzimmerappartement von 28 qm für monatlich 160 DM zuzüglich eines Festbetrags für Nebenkosten von 80 DM. Über die Nebenkosten rechnete die Klägerin mit ihrer Mutter einmal ab. Die Kleinküche für die Einliegerwohnung wurde im März 1987 geliefert. Die Mutter, die ihren Hauptwohnsitz in X beibehielt, meldete im März 1987 das Appartement als Nebenwohnsitz an. Für den Lebensunterhalt standen der Mutter der Klägerin im Streitjahr 1986 monatlich 880 DM Scheidungsunterhalt und 390 DM Arbeitslohn zur Verfügung, den sie von dem Kläger für Mitarbeit in dessen Praxis erhielt, sowie Wohngeld. Über die monatlichen Mietzahlungen ihrer Mutter legte die Klägerin ein Mietquittungsbuch vor; für Dezember 1986 fehlt die Mietquittung.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelte die Klägerin die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Zweifamilienhaus, indem sie den Einnahmen (160 DM) die Werbungskosten (insbesondere Zinsen und Damnum) gegenüberstellte und so zu einem Werbungskostenüberschuß von 86 320 DM kam. Demgegenüber ermittelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und kam unter Berücksichtigung der vor und nach der Bezugsfertigkeit geleisteten Zinsen und der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG auf einen Werbungskostenüberschuß von 75 547 DM. Dabei ging das FA davon aus, daß der Mietvertrag zwischen der Klägerin und ihrer Mutter nicht anzuerkennen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage mit der Begründung statt, das Mietverhältnis sei steuerrechtlich anzuerkennen. Es sei bürgerlich-rechtlich wirksam begründet und entspreche nach Inhalt und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung von §§ 21, 21 a EStG und § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) rügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, daß die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung für das Zweifamilienhaus gemäß § 21 EStG durch Gegenüberstellen der Einnahmen und der Werbungskosten und nicht nach § 21 a EStG zu ermitteln sind.
Nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung in einem eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG zu pauschalieren. Das gilt dann nicht, wenn der Steuerpflichtige in dem eigenen Haus mindestens eine Wohnung zur dauernden Nutzung vermietet hat oder innerhalb von sechs Monaten nach Fertigstellung des Hauses zur dauernden Nutzung vermietet. Liegen diese Voraussetzungen vor, so sind die Einkünfte gemäß § 21 Abs. 1 und 2 EStG durch Überschußrechnung zu ermitteln. Eine an nahe Angehörige vermietete Wohnung ist nicht zur dauernden Nutzung i. S. des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG vermietet, wenn das Mietverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist (Senatsurteil vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75).
Mietverträge zwischen nahen Angehörigen sind der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam abgeschlossen sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (Senatsurteile in BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834).
Diese Voraussetzungen erfüllt das Mietverhältnis der Klägerin mit ihrer Mutter entgegen der Beurteilung der Vorinstanz nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsinstanz ist zwar grundsätzlich an die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Diese Bindung entfällt jedoch, wenn das FG bei seiner Beurteilung Erfahrungssätze außer acht läßt und die von ihm festgestellten Tatsachen nicht vollständig berücksichtigt und dadurch zu nicht vertretbaren Schlußfolgerungen gelangt. Sein Urteil beruht dann auf einem materiell-rechtlichen Mangel, der zu seiner Aufhebung führt.
Das FG hat bei seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung außer acht gelassen, daß in dem Mietvertrag über das Einzimmerappartement ein Hinweis auf die Möblierung durch die Vermieterin fehlt. Wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt, war das Appartement im wesentlichen mit Möbeln der Klägerin ausgestattet. Die Mutter der Klägerin hatte lediglich persönliche Sachen wie Bilder, Blumen und eine Stehlampe nebst Fernseher eingebracht. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 31. März 1992 IX R 299/87 (BFH/NV 1992, 656) darauf hingewiesen, daß es zwischen fremden Vertragsparteien erfahrungsgemäß nicht üblich ist, eine möblierte Wohnung aufgrund eines Mietvertrags zu überlassen, der eine leere Wohnung betrifft, und daß die Vertragsparteien in einem solchen Fall mindestens vertraglich klarzustellen pflegen, ob die Möblierung unentgeltlich oder gegen ein zusätzliches Entgelt überlassen wird. Das gilt erst recht, wenn -- wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat -- unklar gewesen sein sollte, ob die Möbel der Mieterin oder der Vermieterin gehörten. Es kommen weitere Umstände hinzu, die die Schlußfolgerung des FG, der Mietvertrag und seine Durchführung entspreche dem zwischen Fremden Üblichen, als nicht vertretbar erscheinen lassen: Zwischen fremden Vertragsparteien werden Vereinbarungen über die Bezahlung der Betriebs- und Nebenkosten wie vereinbart durchgeführt. Ist vereinbart, daß die Nebenkosten -- wie im Streitfall -- mit einem Festbetrag abzugelten sind, rechnen Vermieter und Mieter regelmäßig nicht über die tatsächlich entstandenen Kosten ab. Das FG hat ferner nicht ausreichend berücksichtigt, daß die Mutter der Klägerin aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage war, die Miete für die Nebenwohnung zu bezahlen. Ihr standen nach Abzug der Miete für die Hauptwohnung, für die sie nach ihrem Vortrag sogar Wohngeld bekam, monatlich etwa 700 DM für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Der Vortrag der Klägerin, ihre Mutter habe eine Abfindung erhalten, mit der sie die Miete habe bezahlen können, kann -- weil verspätet -- im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO). Unter diesen Umständen konnte das FG die Aussage der Mutter nicht dahin würdigen, sie habe die Miete für die Zweitwohnung in Höhe von 240 DM monatlich regelmäßig an die Klägerin bezahlt. Die Begründung, die Mutter sei auf das Geld angewiesen gewesen, kann nicht überzeugen, weil sie die Wohnung gerade 1988 aufgegeben haben will, als die Miete für ihre Wohnung in X erhöht und ihre Unterhaltszahlungen gemindert wurden.
Das FG konnte auch nicht deshalb zu einem anderen Ergebnis gelangen, weil die Klägerin nach dem Auszug der Mutter mit Dritten Mietverträge abgeschlossen hat, die dem Formularmietvertrag mit der Mutter entsprechen. Das FG hat nicht festgestellt, ob die fremden Mieter nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen -- im Gegensatz zu der Mutter der Klägerin -- zur Zahlung der Miete für die Zweitwohnung in der Lage waren und wie sie die Vereinbarung über die Nebenkosten durchgeführt haben.
Da das Mietverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung so zu ermitteln, als ob die Klägerin die Einliegerwohnung selbst genutzt hätte (Senatsurteile in BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834, und vom 9. November 1993 IX R 74/90, BFH/NV 1994, 474, je m. w. N.).
Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65444 |
BFH/NV 1996, 29 |