Entscheidungsstichwort (Thema)
(Ermittlung der Wertgrenze für Sonderkulturen im Rahmen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen - Zulässigkeit einer analogen Auslegung durch das Gericht - keine einwandfreie Gesetzeslücke in § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG 1990)
Leitsatz (amtlich)
Bei Ermittlung der Wertgrenze von 2 000 DM für Vergleichswerte von Sonderkulturen (§ 13a Abs.4 Nr.1 Satz 2 und Abs.8 Nr.1 EStG 1990) ist der Zugang und Abgang von Flächen weinbaulicher Nutzung, der nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt hat, nicht zu berücksichtigen (gegen Abschn.130a Abs.2 Satz 2 EStR 1990).
Orientierungssatz
Läßt sich einwandfrei eine Gesetzeslücke feststellen und lassen sich die Rechtsprinzipien, nach denen diese Gesetzeslücke zu schließen ist, eindeutig dem Gesetzeswortlaut oder den Gesetzesmaterialien entnehmen, so kann das Gericht diese Lücke durch analoge Auslegung schließen (hier: keine eindeutige Gesetzeslücke in § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG 1990 und auch keine Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut).
Normenkette
EStG 1990 § 13a Abs. 4 S. 2 Nr. 1 S. 2, Abs. 8 Nr. 1; EStR 1990 Abschn. 130a Abs. 2 S. 2; EStG 1990 § 13a Abs. 4 S. 2 Nr. 1 S. 6
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben einen 0,6436 ha großen Weinbaubetrieb. Mit Bescheid vom 23. November 1970 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die im Eigentum der Kläger stehende Fläche von 677 qm als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft --Stückländerei-- mit einem Einheitswert in Höhe von 200 DM auf den 1. Januar 1964 bewertet. Der dieser Bewertung zugrunde gelegte Hektarwert für die weinbauliche Nutzung beträgt ausweislich des Einheitswertbescheids 3 091 DM. Nach dem Stichtag 1. Januar 1964 erwarben die Kläger weitere 2 584 qm Weinbaufläche; im übrigen wurden 3 175 qm Weinbaufläche hinzugepachtet. Da der Erwerb der 2 584 qm Eigenfläche nicht zu einer Wertfortschreibung führte, galt der Einheitswertbescheid vom 23. November 1970 unverändert fort.
Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1992 ermittelte das FA gemäß § 40 Abs.2 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. Abschn.5.01 bis 5.16 der Bewertungsrichtlinien einen Ausgangswert von 2 188 DM mit der Folge, daß der Gewinn aus Weinbau nach § 13a Abs.8 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in die Durchschnittssätze einbezogen wurde. Mit dem dagegen erhobenen Einspruch machten die Kläger vergeblich einen aus dem ha-Satz der Eigentumsfläche ermittelten Vergleichswert von weniger als 2 000 DM (0,6436 ha x 3 091 DM = 1 989 DM) geltend. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung verwies das Finanzgericht (FG) gemäß § 105 Abs.5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Einspruchsentscheidung und ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Die Kläger rügen mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts und tragen vor, das FG halte den Einheitswert der Land- und Forstwirtschaft --Stückländerei-- zu Unrecht nicht für einen Einheitswertbescheid i.S. § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 erster Satz EStG und übersehe, daß nach § 34 Abs.7 BewG auch Stückländereien einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft darstellten. Der dafür maßgebende Wert sei aber auch für die zugepachteten und die weiteren Eigentumsflächen heranzuziehen, die nicht zu einer Wertfortschreibung geführt hätten. Im übrigen gelte § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG nur für Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung und berücksichtige nicht die Sondernutzungen i.S. des § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 2 EStG. Eine Zurechnung der zugekauften Weinbaufläche, die nicht zu einer Wertfortschreibung des Einheitswerts geführt hat, müsse daher im Streitfall unterbleiben.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1992 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung auf der Grundlage eines nach § 13a Abs.2 bis 6 EStG ohne Zuschlag nach § 13a Abs.8 EStG ermittelten Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, der für die Stückländerei angesetzte Wert könne für die Ermittlung der Wertgrenze in § 13a Abs.8 Nr.1 EStG nicht maßgebend sein, weil dort nicht auf den Einheitswertbescheid des Betriebs verwiesen werde. Maßgebend seien vielmehr die nach den Vorschriften des BewG ermittelten Werte, die im Streitfall die Grenze von 2 000 DM überstiegen. Die Übernahme der für die Stückländerei angesetzten Werte verbiete sich wegen der Besonderheiten der Bewertung dieser Wirtschaftsgüter. Im übrigen seien auch die nach dem Bewertungsstichtag zugekauften Weinbauflächen zu berücksichtigen, denn § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG verwende den Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung in einem umfassenden, auch den Weinbau einschließenden Sinn.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die angefochtenen Steuerbescheide sind zu ändern (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
Zu Unrecht hat das FA die Gewinne aus weinbaulicher Nutzung nach § 13a Abs.8 Nr.1 EStG in die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen einbezogen. Der sich für die weinbauliche Nutzung ergebende Wert übersteigt im Streitjahr nicht die Wertgrenze von 2 000 DM (§ 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 2 und Abs.8 Nr.1 EStG 1990 in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Dabei kann dahinstehen, ob die nach dem Bewertungsstichtag hinzuerworbenen und hinzugepachteten Weinbauflächen mit dem für die Stückländerei maßgebenden Wert oder --wie das FA meint-- insgesamt mit dem nach den Vorschriften des BewG ermittelten Wert anzusetzen sind, denn die nach dem Stichtag hinzuerworbene Weinbaufläche, die nicht zu einer Wertfortschreibung nach § 22 BewG geführt hat, durfte nicht nach § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG 1990 hinzugerechnet werden.
Nach § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG 1990 ist der Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung um die auf solche Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung entfallenden Wertanteile zu vermehren oder zu vermindern, deren Zu- oder Abgang wegen der Fortschreibungsgrenzen des § 22 BewG nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt haben. Im Streitfall übersteigt der vom FA ermittelte Vergleichswert der weinbaulichen Nutzung nur deshalb den Betrag von 2 000 DM, weil das FA, der Anweisung in Abschn.130a Abs.2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 (EStR 1990) folgend, auch die nach dem letzten Feststellungszeitpunkt erworbene Weinbaufläche von 2 584 qm in die Berechnung des Ausgangswerts einbezogen hat. Nach dem Wortlaut des § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG 1990 ist dies unzulässig; denn danach ist die Berücksichtigung von Flächenänderungen, die nicht von einer Fortschreibung des Einheitswerts erfaßt wurden, nur für Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung, nicht aber für Sonderkulturen vorgesehen.
Einer Auslegung, wonach der Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung auch die Sonderkulturen, die weinbauliche und die gärtnerische Nutzung umfaßt, steht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen. Entgegen der Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16. Juni 1987 3 K 158/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 18, rechtskräftig) umfaßt der Wortsinn des Begriffs "landwirtschaftliche Nutzung" in § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG nicht alle Nutzungen i.S. des BewG, denn § 13a Abs.4 Nr.1 EStG verwendet die bewertungsrechtliche Terminologie, wonach die landwirtschaftliche Nutzung i.S. des § 34 Abs.2 Nr.1 Buchst.a i.V.m. §§ 50 bis 51a BewG aber gerade von weinbaulichen Nutzungen i.S. des § 34 Abs.2 Nr.1 Buchst.c i.V.m. §§ 56 bis 58 BewG und den anderen Sondernutzungen zu unterscheiden ist. In diesem Sinne treffen § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 1 und Satz 2 EStG eine Unterscheidung zwischen landwirtschaftlicher Nutzung einerseits und den Sonderkulturen und Sondernutzungen andererseits. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aber kann ein in verschiedenen Vorschriften desselben Gesetzes verwendeter gleicher Begriff mangels entgegenstehender ausdrücklicher Vorschriften grundsätzlich nicht unterschiedlich ausgelegt werden (s. etwa BFH-Urteile vom 8. Oktober 1975 II R 39/70, BFHE 117, 292, BStBl II 1976, 164; vom 28. Januar 1976 IV R 209/74, BFHE 118, 26, BStBl II 1976, 288, und vom 23. September 1980 VI R 53/79, BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92). Die Vorschrift des § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG läßt sich daher nur durch Auslegung gegen den Wortlaut über die landwirtschaftliche Nutzung hinaus auch auf die Sondernutzungen ausdehnen (gleicher Ansicht Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2.Aufl. 1991, Rdnr.925).
Im Streitfall vermag sich der Senat aber auch nicht der in Abschn.130a Abs.2 Satz 2 EStR 1990 vertretenen Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut anzuschließen. Nach dieser Verwaltungsanweisung ist § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG "entsprechend auch für die in § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 2 EStG aufgeführten Nutzungen, Nutzungsteile und Wirtschaftsgüter anzuwenden". Im Streitfall wäre dies eine Analogie zu Lasten der Kläger, die nach der Rechtsprechung des Senats zwar grundsätzlich zulässig ist (Urteil vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79, BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221); dies setzt jedoch voraus, daß sich einwandfrei eine Gesetzeslücke feststellen läßt und daß sich die Rechtsprinzipien, nach denen diese Lücke zu schließen ist, eindeutig dem Gesetzeswortlaut oder den Gesetzesmaterialien entnehmen lassen (Senatsurteil in BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221).
Nach Auffassung des Senats ergibt sich für § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG 1990 nicht einwandfrei, daß eine Gesetzeslücke vorliegt. Dies wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, daß auch eindeutige Rechtsprinzipien fehlen, die die Feststellung einer Lücke erleichtern und die Lückenfüllung ermöglichen könnten. Die Vorschrift zur Berücksichtigung von Flächenänderungen, die nicht zu einer Fortschreibung geführt haben, wurde durch das Gesetz zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juni 1980 --LwBestG-- (BGBl I, 732, BStBl I, 400) eingefügt, nachdem Flächenänderungen, die nicht auf Pachtungen oder Verpachtungen beruhten, nur berücksichtigt werden konnten, wenn dies zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt hatte. Nach der Gesetzesbegründung diente diese Neuregelung zwar der "Gleichbehandlung von Flächen bei Zu- und Verpachtung einerseits und bei anderen Zu- und Abgängen andererseits" (BTDrucks 8/3239 S.10). Diese Erwägung spricht aber nur für eine Gleichbehandlung der Flächenänderungen mit den in § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.2 und 3 EStG geregelten Fällen der Zu- und Verpachtung von Flächen landwirtschaftlicher Nutzung. Die von den EStR zum Vergleich herangezogene Regelung des § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.4 EStG betrifft indessen nicht nur den Sonderfall der Flächenänderung in Bagatellfällen der Pachtung und Verpachtung. Es kann daher durchaus in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben, die Zu- und Abgänge der Sondernutzungen in Bagatellfällen wie bisher nicht zu erfassen, damit der vorrangige Zweck des § 13a EStG, die Gewinnermittlung für kleine Betriebe "so einfach wie möglich zu gestalten" nicht vereitelt wird (BTDrucks 8/3239 S.9). Immerhin unterfallen auch Nutzungsänderungen von Flächen oder Änderungen im Tierbestand nicht der Zu- und Abrechnungsregelung des § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG.
Nach der Überzeugung des Senats hätte der Gesetzgeber, der sich bei der Neufassung des § 13a EStG durch das LwBestG die bewertungsrechtliche Unterscheidung von landwirtschaftlicher Nutzung und anderen Nutzungen z.B. in § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 1 und 2, Abs.3 bis 6 EStG mehrfach zu eigen gemacht hat, bei der im Gesetzgebungsverfahren obwaltenden Sorgfalt ohne Schwierigkeiten eine Regelung treffen können, wie sie in Abschn.130a EStR 1981 ff. enthalten war. Er hat dies jedoch auch in den Folgejahren unterlassen, obwohl bekannt war, daß die Regelung in den EStR kontrovers beurteilt wurde (anderer Ansicht etwa Felsmann/Pape, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3.Aufl., C 198). Erst im Jahre 1993 hat der Gesetzgeber durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2310, BStBl I 1994, 50) die Vorschrift des § 13a Abs.4 Satz 2 Nr.1 Satz 6 EStG erweitert und auch auf die anderen in Satz 2 bezeichneten Nutzungen erstreckt. In der Gesetzesbegründung wird diese Änderung als Klarstellung aus Gründen der Gleichbehandlung bezeichnet. Sollte damit die Klarstellung eines bisher schon bestehenden Rechtszustands und nicht die Klärung einer umstrittenen Rechtslage gemeint sein, so könnte der Senat dem nicht folgen, zumal der Gesetzgeber selbst keine Rückwirkung vorgeschrieben hat. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO). Die Einkommensteuer für die Streitjahre ist antragsgemäß niedriger festzusetzen. Die Berechnung wird dem FA übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 66091 |
BFH/NV 1997, 12 |
BFHE 181, 36 |
BFHE 1997, 36 |
BB 1996, 2344 (Leitsatz) |
DB 1996, 2263 (Leitsatz) |
DStR 1996, 1967 (Kurzwiedergabe) |
HFR 1997, 11-12 (Leitsatz) |
StE 1996, 716 (Kurzwiedergabe) |
StRK, GrBetrag R.16 (Leitsatz und Gründe) |
FR 1997, 19-20 (Kurzwiedergabe) |
Information StW 1996, 764 (Kurzwiedergabe) |
BFH/NV BFH/R 1997, 12-14 (Leitsatz und Gründe) |