Leitsatz (amtlich)
Ein Rahmenvertrag, durch den sich ein Rechtsanwalt für die Zusage der Übertragung aller bei einem Mandanten anfallenden Beitreibungssachen seinerseits verpflichtet, nicht beitreibbare erstattungsfähige Honorarforderungen dem Mandanten gegenüber nicht geltend zu machen, gehört zu den die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts betreffenden Geschäften. Kündigt der Mandant einen solchen Vertrag und fällt infolgedessen die Verpflichtung weg, die Gebühren nicht geltend zu machen, so liegt in der Zahlung der Gebühren für alle bei Vertragsbeendigung noch laufenden Beitreibungssachen innerhalb kurzer Zeit keine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9).
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1973, ob Honorareinnahmen, die der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Rechtsanwalt, anläßlich der Abwicklung eines Rahmenvertrages erhalten hat, Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG unterliegen.
Der Kläger übte seine Berufstätigkeit als Rechtsanwalt bis 1970 im Rahmen einer Sozietät aus. Von 1971 bis 1975 führte er die Praxis allein fort. Seither besteht wieder eine Sozietät mit einem anderen Rechtsanwalt. Am 1. April 1965 schloß die damalige Sozietät mit einer Finanzierungs-GmbH (im folgenden mit V bezeichnet) einen Vertrag, aufgrund dessen die V sich verpflichtete, ihre sämtlichen Rechtssachen, für die ein Gericht im Zulassungsbezirk der Rechtsanwälte zuständig war, der Sozietät zu übertragen. Nach § 2 des Vertrages verpflichtete sich die Sozietät, in Beitreibungssachen die gesetzlichen Gebühren der V gegenüber nicht geltend zu machen, wenn die Forderung nicht einging. Bei teilweisem Eingang sollte der beigetriebene Betrag in erster Linie zur Abdeckung der entstandenen gesetzlichen Gebühren verwendet werden. Reichte der Betrag dazu nicht aus, verzichteten die Rechtsanwälte auf die Geltendmachung des nichtgedeckten Teils der Gebühren. Sie hatten jedoch in jedem Fall Anspruch auf Erstattung ihrer Auslagen (§ 3 des Vertrages) und auf Zahlung einer Entschädigung zur Deckung ihrer sonstigen allgemeinen Kosten. Die Entschädigung bemaß sich nach einem von der Höhe des Gegenstandswertes abhängigen Prozentsatz der entstandenen gesetzlichen Gebühren und betrug mindestens 20 DM, sofern die gesetzlichen Gebühren nicht niedriger waren. Gemäß § 6 des Vertrages hatte die V die vollen gesetzlichen Gebühren zu zahlen, wenn sie den Auftrag ohne wichtigen Grund zurückzog. Die Vereinbarung sollte bis zum 31. März 1966 laufen und sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn sie nicht von einer Vertragspartei schriftlich mit einer Frist von einem Monat gekündigt wurde.
Mit Schreiben vom 30. November 1971 teilte die V dem Kläger mit, ihre Rechtssachen würden künftig von ihrer Muttergesellschaft bearbeitet werden. Sie kündigte den Vertrag zum 31. März 1972. Die Vertragsparteien vereinbarten, daß der Kläger für alle Beitreibungssachen nunmehr gemäß § 6 des Vertrages die nicht eingehenden gesetzlichen Gebühren der V gegenüber geltend machen dürfe. Es ergaben sich daraus Einnahmen, die der Kläger zunächst mit 178 568 DM und während des finanzgerichtlichen Verfahrens auf 154 979,57 DM berechnete. Er sieht darin eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG und beantragt die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprach dem Antrag auf Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes mit dem Einkommensteuerbescheid 1973 nicht.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. In seiner Entscheidung vom 26. September 1977 VIII 118/77, die in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 230 (EFG 1978, 230) veröffentlicht ist, ging das Finanzgericht (FG) davon aus, eine tarifbegünstigte Entschädigung liege nur vor, wenn sie aus einer ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eingetretenen Sachlage herrühre, wenn das die Entschädigung auslösende Ereignis aus dem gewöhnlichen Rahmen falle und die Gewährung der Entschädigung zu einer Zusammenballung von Einnahmen führe. Das FG nahm ferner an, der Kläger habe keinen wichtigen Grund zur Kündigung gegeben, so daß die Zahlung der Gebühren in den Beitreibungssachen auf § 6 des Vertrages beruhe. Die Zahlung der vollständigen gesetzlichen Gebühren durch die V stehe daher nicht mit dem schädigenden Ereignis, der fristgemäßen Kündigung, sondern mit der Vereinbarung selbst in Zusammenhang. Nach dem anwaltlichen Standesrecht sei es ausnahmsweise möglich, in Beitreibungssachen vom Auftraggeber niedrigere als die gesetzlichen Gebühren zu erheben. Davon hätten die Vertragsparteien mit dem Vertrag vom 1. April 1965 Gebrauch gemacht. Der Kläger habe mithin das ihm gesetzlich zustehende Entgelt für die von ihm erbrachten Leistungen erhalten, auf das er für die Dauer des vereinbarten Alleinauftrags zulässigerweise verzichtet gehabt habe. Es sei zwar richtig, daß dieser Verzicht im Hinblick auf die Übertragung der Bearbeitung aller Beitreibungssachen ausgesprochen worden sei, der Alleinauftrag also Beweggrund und Motiv für den Verzicht gebildet habe. Dem habe jedoch andererseits die in § 6 des Vertrages getroffene Regelung entsprochen, bei Wegfall dieser "Geschäftsgrundlage" den Verzicht rückgängig zu machen und nunmehr nach Maßgabe der gesetzlichen Gebühren abzurechnen. Dem Kläger sei auch zuzugeben, daß infolge der Kündigung die Möglichkeit entfallen sei, in den laufenden Beitreibungssachen die gesetzlichen Gebühren von den Schuldnern hereinzuholen. Statt dessen habe die V die gesetzlichen Gebühren entrichtet, wodurch sich eine gewisse Zusammenballung von Einnahmen ergeben habe, deren Zufluß sich ohne die Kündigung unter Umständen über das Streitjahr hinaus verteilt hätte. Die Kündigung des Vertrages habe sich jedoch schon deshalb im Rahmen der vom Kläger ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit gehalten, weil sie vertraglich ausbedungen gewesen sei und der Kläger daher jederzeit nach Maßgabe der eingeräumten Frist mit ihr habe rechnen müssen, so daß das die Zusammenballung auslösende Ereignis nicht aus dem gewöhnlichen Rahmen falle. Auch der Verlust der Möglichkeit, aus Beitreibungsaufträgen der V künftig Einnahmen zu erzielen, stelle kein außergewöhnliches Schadensereignis dar; denn, wenn nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Dezember 1965 IV 55/64 S (BFHE 84, 250, BStBl III 1966, 91) ein für die vorzeitige, also außerordentliche Auflösung einer laufenden Geschäftsbeziehung gezahlter Betrag keine tarifbegünstigte Entschädigung darstelle, so sei dies um so weniger der Fall, wenn - wie im Streitfall - ein Dauerschuldverhältnis durch fristgemäße Kündigung beendet werde.
Da die Zahlungen der V das Entgelt für tatsächlich erbrachte anwaltliche Leistungen darstellten, liege auch keine Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit vor.
Gegen das Urteil des FG legten die Kläger Revision ein. Zur Begründung der Revision tragen die Kläger im wesentlichen folgendes vor:
a) Nur die im Zeitpunkt der Kündigung noch laufenden Beitreibungssachen seien nach § 6 des Vertrages, d. h. zu den vollen Gebühren der V gegenüber abgerechnet worden. Bezüglich der bereits erledigten Sachen habe sich keine Änderung ergeben. Danach entfalle das vom FA in den Vordergrund gestellte Argument, es gehe lediglich um einen Fall aufgeschobener Fälligkeit, dem das FG gefolgt sei, wenn es ausführe, die fraglichen Einnahmen stellten die "Vereinnahmung eines Entgelts für tatsächlich erbrachte anwaltliche Leistungen dar, auf das der Kläger nach Vertrag und Gesetz Anspruch" gehabt habe.
b) Soweit Verträge zwischen Mandanten und Anwalt Dienstverträge mit Geschäftsbesorgungscharakter seien, könnten sie jederzeit ohne Vorliegen eines Grundes gekündigt werden (§ 627 Abs. 1 BGB). § 7 des Vertrages habe eine Abweichung von diesem Grundsatz dargestellt. Würden Anwaltsmandate vorzeitig beendigt, könne der Anwalt grundsätzlich den Teil der vereinbarten Vergütung verlangen, der der bereits erbrachten Leistung entspreche. Vereinbart seien im Streitfall nur Auslagenersatz und pauschalierter Aufwendungsersatz gewesen. Dementsprechend hätten die bei Vertragsbeendigung noch laufenden Sachen abgerechnet werden müssen. Daß nicht so verfahren worden sei, beruhe auf § 6 des Vertrages. Diese Vorschrift enthalte keine Wiederholung oder besondere Ausformung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 13 Abs. 1 und 4 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO), da insoweit nach den vertraglichen Absprachen nur Auslagen- und Aufwendungsersatz geschuldet worden sei. Auch hätte es an den Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB gefehlt, da die V den Vertrag nicht aufgrund des § 626 BGB oder des § 627 BGB gekündigt habe. Es sei daher nicht möglich, § 6 des Rahmenabkommens vom 1. April 1965 als verlängerte Vergütungsregelung nach Art der gesetzlichen Regelung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 13 BRAGebO anzusehen. Auch § 628 Abs. 2 BGB sei nicht heranzuziehen. Angesichts der Gesamtanlage und der Konstruktion des Rahmenabkommens mit der V im einzelnen sei es eindeutig, daß der sich aus § 6 des Rahmenvertrages ergebende Anspruch als Ausgleich dafür eingeräumt worden sei, daß die Anwaltsseite infolge der Beendigug des Vertragsverhältnisses die Möglichkeit und Chance verliere, in den noch laufenden Sachen die gesetzlichen Gebühren und Auslagen von den jeweiligen Schuldnern hereinzuholen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, auf die streitigen Honorarzahlungen der V von insgesamt 154 979,57 DM den ermäßigten Steuersatz nach § 24 Nr. 1 Buchst. a oder b EStG i. V. m. § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden und die Einkommensteuer 1973 entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Zahlung der vollen gesetzlichen Gebühren für die vom Kläger bearbeiteten Beitreibungssachen durch die V nicht als Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG oder als Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG angesehen, da die gezahlten Gebühren das Entgelt für die vom Kläger geleisteten Dienste darstellen. Somit hat das FG zu Recht auch die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG verneint.
1. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 3 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG umfaßt aber nicht Ersatzleistungen für jede beliebige Art von Schadensfolgen. Die Vorschrift ist vielmehr auf die Abgeltung bestimmter erlittener oder zu erwartender Ausfälle an Einnahmen beschränkt.
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG anzunehmen ist, hat der Senat in dem Urteil vom 20. Juli 1978 IV R 43/74 (BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9) Stellung genommen. In jenem Streitfall hatte die Steuerpflichtige, die eine Filiale ihres Möbeleinzelhandels in gemieteten Räumen betrieb, der Aufhebung des noch auf längere Zeit abgeschlossenen Mietvertrages unter erheblichem wirtschaftlichen Druck des Grundstückseigentümers zugestimmt und u. a. Ersatz für "entgangenen Gewinn" erhalten. Der Senat hat mit Zustimmung der anderen Ertragsteuersenate des BFH die Rechtsprechung zur Auslegung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG geändert und das Vorliegen einer Entschädigung i. S. dieser Vorschrift im Falle IV R 43/74 bejaht.
Der BFH hält nicht mehr an der Auffassung fest, eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG liege nur dann vor, wenn das zur Entschädigung führende Ereignis ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eingetreten ist (vgl. Urteil IV 55/64 S). Die Annahme einer derartigen Entschädigung ist vielmehr auch bei einer Mitwirkung des Steuerpflichtigen bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis (z. B. der Aufgabe einer ihm günstigen Rechtsposition) dann nicht ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige dazu von einem anderen durch Ausübung eines nicht unerheblichen Drucks veranlaßt worden ist. Eine Einschränkung besteht allerdings bei Entschädigungen, die im Rahmen der sogenannten unternehmerischen Einkünfte (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3, Abs. 4 Nr. 1 EStG) anfallen.
Zur Begründung hat sich der Senat im Urteil IV R 43/74 im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
§ 24 EStG hat für die Zuordnung von Ersatzleistungen zu den einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1975 VIII R 183/73, BFHE 115, 472 [475], BStBl II 1975, 634). Einer Klarstellung unter dem Gesichtspunkt der Zuordnung zu einer Einkunftsart bedarf es insbesondere in den Fällen nicht, in denen sich Einnahmen aufgrund von im Rahmen des Betriebes geschlossenen Verträgen ergeben, die laufende und sich unmittelbar auf den Gegenstand des Unternehmens beziehende Geschäfte betreffen (z. B. Warenumsatzgeschäfte eines Handelsbetriebes, Architektenverträge eines Architekten, Bauaufträge eines Bauunternehmers), so daß nicht nur bei der Abwicklung derartiger Geschäfte erhaltene Erfüllungsleistungen, sondern auch wegen Vertragsstörungen erlangte Ersatzleistungen - einschließlich entgangenen Gewinns i. S. des § 252 BGB - nicht Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sein können. Das schließt nicht aus, daß es auch im Rahmen der unternehmerischen Einkünfte Fälle gibt, in denen Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG im Gewinn enthalten sind. Es muß sich aber bei den den Einnahmeausfall verursachenden Ereignissen um ungewöhnliche Vorgänge handeln, die über den Rahmen für die jeweilige Einkunftsart typischer Geschäftsvorfälle hinausgehen. Der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis ferner nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben; dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Zweck eines jeden Betriebes, Gewinne zu erzielen. Der Steuerpflichtige muß vielmehr von einem Außenstehenden an der Verwirklichung seines Gewinnstrebens gehindert worden sein. Eine für entgangene oder entgehende Erträge erlangte Ersatzleistung ist somit dann eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn ein außerordentliches Schadensereignis in dem Sinne vorliegt, daß infolge des von einem anderen ausgeübten, nicht unerheblichen tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Drucks dem Steuerpflichtigen die Grundlage zum Abschluß einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften dergestalt verlorengeht, daß dem Unternehmen - zumindest teilweise - die Ertragsgrundlage (vgl. BFH-Urteil VIII R 183/73, BFHE 115, 475) entzogen wird.
Eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG lag im Falle IV R 43/74 vor, da das Unternehmen die Filiale nicht fortführen konnte und damit die Möglichkeit zum Abschluß weiterer Möbelverkäufe verloren hatte, so daß seine Ertragsgrundlage beeinträchtigt war.
2. Faßt man § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG in dem dargestellten Sinne auf, so ergibt sich, daß dem Kläger im Streitfall mit den entstandenen gesetzlichen Gebühren, die ihm infolge der Kündigung des Rahmenvertrages von seiten der V zugeflossen sind, kein Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. dieser Vorschrift gewährt worden ist.
a) Nach § 2 des Vertrages vom 1. April 1965 (Rahmenvertrag) durfte der Kläger die Gebühren in Beitreibungssachen der Auftraggeberin gegenüber nicht geltend machen. Insoweit begründete der Rahmenvertrag eine Unterlassungspflicht des Klägers (pactum de non petendo; vgl. Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 12. Aufl. 1976, Bd. II, 1. Teil, § 397 BGB Rdnr. 6). Die Gebühren entstanden aber gleichwohl aufgrund des jeweils erteilten Vertretungsauftrags gegenüber der Auftraggeberin; denn die Beitreibungsschuldner sind jeweils nur zur Erstattung der dem Gläubiger erwachsenen erstattungsfähigen Auslagen verpflichtet. Die in Streitverfahren nach der Zivilprozeßordnung (ZPO) ergehenden Kostenentscheidungen betreffen nur die Erstattung der dem Gegner erwachsenen notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung (vgl. § 91 ZPO); Entsprechendes gilt nach § 788 ZPO für die Kosten der Zwangsvollstreckung. Da nach der Kündigung des Rahmenvertrages zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen darüber erzielt wurde, daß nach § 6 des Vertrages abzurechnen sei, entfaltete damit die Unterlassungsverpflichtung keine Wirkung mehr. Somit wurden durch die erhöhten Zahlungen der V lediglich die bereits entstandenen Gebührenansprüche erfüllt.
Das Entstehen der jeweiligen Gebühren setzt eine entsprechende Tätigkeit des Klägers voraus (vgl. § 1 BRA-GebO); deshalb ist die Folgerung des FG rechtlich nicht zu beanstanden, der Kläger habe von der V bei Abrechnung der noch laufenden Beitreibungssachen nach § 6 des Rahmenvertrages das Entgelt für von ihm erbrachte Dienstleistungen erhalten. Die V erbrachte die Zahlungen sonach zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen mit dem Kläger, die zu den für einen Rechtsanwalt typischen Geschäften gehören; darum können die Zahlungen schon aus diesem Grunde nicht Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen sein.
b) Zu Unrecht macht der Kläger sinngemäß geltend, daß es sich bei den fraglichen Zahlungen um Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen deshalb handle, weil die gegen die jeweiligen Schuldner bestehenden Forderungen nicht mehr hätten beigetrieben werden können und die V die sich aus § 6 des Rahmenvertrages ergebenden Ansprüche, die (lediglich) nach Maßgabe der gesetzlichen Gebührenregelung berechnet worden seien, erfüllt habe.
Gegen die jeweiligen Beitreibungsschuldner standen dem Kläger keine Ansprüche zu; vielmehr waren Gegenstand der ihm obliegenden Beitreibung nur Ansprüche der V, und zwar - wie dargelegt - auch soweit es sich um die ihm zustehenden Vergütungsansprüche handelte. Demgemäß hat die V nur die bei jedem - noch nicht abgewickelten - Einzelauftrag entstandenen gesetzlichen Gebühren aus dem zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Schuldverhältnis beglichen.
c) Die wegen des Wegfalls der Unterlassungsverpflichtung zu erbringenden Zahlungen der V sind auch nicht deshalb Ersatz für entgehende Einnahmen, weil der Kläger nach der Kündigung des Rahmenvertrages keine neuen Beitreibungsaufträge mehr erwarten konnte. Zwar ist davon auszugehen, daß ihm durch das Ausbleiben solcher Aufträge seitens der V Einnahmen entgangen sind. Er hat dafür jedoch keinen Ersatz erhalten; denn nach dem Rahmenvertrag bezog sich die Leistungspflicht der V nur auf die entstandenen gesetzlichen Gebühren; d. h., daß die Zahlungen zur Abgeltung der vom Kläger erbrachten Dienste bestimmt waren. Dabei wird nicht verkannt, daß nach dem Vertrag vom 1. April 1965 ein wirtschaftlicher zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Übertragung der Beitreibungssachen und der Verpflichtung zur Nichtgeltendmachung der Honoraransprüche vorhanden war. Beide Verpflichtungen standen sich in einem Austauschverhältnis als Gegenleistungspflichten gegenüber. Die Besonderheit der Gestaltung lag darin, daß die den Kläger insoweit treffende Leistungspflicht ein Unterlassen zum Gegenstand hatte. Der Wegfall der Verpflichtung zu weiteren Mandatsübertragungen zog daher den Wegfall der Unterlassungspflicht nach sich, und darauf wiederum beruhen die zur Erfüllung der bestehenden Honorarforderungen geleisteten Zahlungen von 154 979,57 DM. Diese Zahlungen sind somit Leistung zur Abwicklung eines sich unmittelbar auf die Berufstätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt beziehenden Geschäfts und daher keine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
3. Da die anläßlich der Beendigung des Vertragsverhältnisses von der V an den Kläger geleisteten Zahlungen das Entgelt für von ihm erbrachte Dienstleistungen sind, können sie auch nicht als Entschädigung für die Aufgabe einer Tätigkeit nach § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG angesehen werden.
4. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist (auch) das FG bei seiner Entscheidung ersichtlich davon ausgegangen, daß die Zahlung der vollen gesetzlichen Gebühren durch die V nur die im Zeitpunkt der Kündigung noch laufenden Sachen betraf. Das ergibt sich aus den Ausführungen auf S. 11 letzter Absatz der Vorentscheidung; denn dort hat das FG ausgeführt, daß "die im Geschäftsgang befindlichen Beitreibungssachen ... nach § 6 der Vereinbarung abgerechnet worden" seien.
b) Der Kläger macht sinngemäß noch geltend, das FG habe sein Vorbringen bezüglich der Ungewöhnlichkeit der Kündigung nicht in vollem Umfange berücksichtigt und durch den Erlaß einer Überraschungsentscheidung - nämlich ohne ihm insoweit rechtliches Gehör zu gewähren und ohne den Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt zu haben - das Vorliegen eines ungewöhnlichen Schadensereignisses verneint. Insoweit kann die Revision schon deswegen keinen Erfolg haben, weil - selbst dann, wenn die Kündigung des Rahmenvertrages auf dem Wechsel der Mehrheitsverhältnisse bei der Muttergesellschaft der V beruhte und deshalb als außergewöhnlicher Vorgang anzusehen wäre - kein Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen, sondern - wie dargelegt - Entgelt für erbrachte Dienste geleistet worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 72968 |
BStBl II 1979, 71 |
BFHE 1979, 169 |