Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsleistungen an bedürftige Angehörige
Leitsatz (NV)
Zu den Anforderungen, die an den Nachweis der Bedürftigkeit im Heimatland lebender Unterstützungsempfänger zu stellen sind.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1, § 33 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein türkischer Staatsangehöriger, wohnte im Streitjahr 1981 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Er bezog hier in der Zeit von 1. Januar bis 18. November 1981 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 21 055 DM. Anschließend war er bis zum Ende des Streitjahres arbeitslos. Seine Ehefrau lebte mit seinem minderjährigen Kind und seinen Eltern in einem gemeinsamen Haushalt in der Türkei.
Im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 7 100 DM für die Unterstützung von Ehefrau, Kind und Eltern als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Zum Nachweis der Unterhaltszahlungen an Ehefrau und Kind legte er zwei Einzahlungsbelege der Bundespost vom Juni und September des Streitjahres vor; danach hat er insgesamt 1 900 DM an seine Ehefrau in der Türkei überwiesen. Außerdem reichte er auf seinen Namen ausgestellte, in türkischer Sprache abgefaßte, Bankbelege über insgesamt 7 170 DM ein. Diese tragen Daten zwischen dem 3. Juli und dem 9. September des Streitjahres. Aus einem Flugschein ist ersichtlich, daß der Kläger in dieser Zeit in der Türkei war.
Zum Nachweis der Bedürftigkeit seiner Eltern brachte der Kläger lediglich zwei Bedürftigkeitsbescheinigungen des türkischen Verwaltungsbezirkspräsidenten mit Datum vom 6. Januar 1981 (Vater) und vom 6. Januar 1982 (Mutter) bei. In den handschriftlich ausgefüllten Vordrucken sind die Fragen, ob die Eltern eigenes Vermögen besitzen und ob sie von anderer Seite Unterstützung erhielten, verneint. Die Fragen, ob die unterstützten Personen berufstätig sind, ob sie regelmäßig arbeiten, ob sie eigene Einkünfte haben und ob diese zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichen sowie danach, wovon sie vor Beginn der Unterstützungsleistungen gelebt haben, sind nicht beantwortet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte es in der Einspruchsentscheidung ab, Unterstützungsleistungen für die Eltern als außergewöhnliche Belastung i. S. des § 33a EStG zu berücksichtigen. Das FA sah in den Umtauschquittungen keinen geeigneten Nachweis für die Zahlungen des Klägers an seine Eltern. Außerdem seien die Unterhaltsbescheinigungen, wie das FA meinte, unvollständig ausgefüllt, das Dienstsiegel lasse den Aussteller nicht eindeutig erkennen. Weiter sei die den Vater betreffende Bescheinigung bereits im Januar 1981 ausgestellt, also zu einem Zeitpunkt, in dem noch keine Angaben über dessen Bedürftigkeit während des ganzen Jahres 1981 hätten abgegeben werden können.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat zwar die Ansicht, Unterhaltszahlungen an die Ehefrau und das Kind könnten nicht anerkannt werden. Dem Kläger stehe für sein Kind ein Anspruch auf Kindergeld zu; dem Unterhalt an seine Ehefrau stünden Gegenleistungen von ihr in Form von Haushaltsarbeiten und der Wahrnehmung der Kindererziehung gegenüber, so daß der Kläger durch seine Zahlungen nicht belastet sei.
Allerdings seien Unterstützungsleistungen des Klägers an seine Eltern in Höhe von 2 400 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Es könne davon ausgegangen werden, daß der Kläger während seines Heimaturlaubs einen Teil des von ihm umgetauschten Geldes für Unterstützungszahlungen an seine Eltern verwendet habe. Durch Vorlage der Unterhaltsbescheinigungen habe er auch deren Bedürftigkeit nachgewiesen. Daß die Bescheinigungen nicht vollständig ausgefüllt und der Stempel der türkischen Behörde nicht klar erkennbar sei, stehe einer Anerkennung nicht entgegen. Man könne insoweit nicht deutsche Verwaltungsvorstellungen zugrunde legen; deshalb sei auch bei der Bescheinigung für den Vater hinsichtlich der Jahreszahl 1981 von einem offensichtlichen Schreibfehler auszugehen.
Im Hinblick darauf, daß der Kläger am 1. Juli des Streitjahres seinen Heimaturlaub angetreten habe, seien ab diesem Zeitpunkt Unterstützungszahlungen an seine Eltern anzuerkennen. Diese seien mit Rücksicht auf die Ländergruppeneinteilung allerdings nur in Höhe von 2/3 der in § 33a Abs. 1 EStG genannten Beträge anzusetzen. Für die Monate Juli bis Dezember seien daher 200 DM pro Person (zusammen 2 400 DM) als außergewöhnliche Belastung bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen. Im übrigen sei die Klage abzuweisen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen u. a. für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder er noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld oder auf andere Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) haben, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3 600 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 EStG).
1. Voraussetzung für die Anerkennung von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung ist u. a., daß die unterstützte Person keine oder nur geringe andere eigene Einkünfte oder Bezüge hat und kein Vermögen besitzt. Bei Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Unterstützungsempfänger sind die Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) in besonderem Maße verpflichtet, bei der Aufklärung mitzuwirken und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675; vom 13. März 1987 III R 206/82, BFHE 149, 532, BStBl II 1987, 599, und vom 20. Januar 1978 VI R 193/74, BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338). Kann ein Sachverhalt, aus dem der Steuerpflichtige einen steuerlichen Vorteil herleiten will, nicht hinreichend geklärt werden, so trifft den Steuerpflichtigen der Nachteil der verbleibenden Ungewißheit. Er trägt insoweit die objektive Beweislast (Feststellungslast, vgl. BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675 m.w.N.). Welche Nachweise im einzelnen Fall als ,,erforderliche Beweismittel" i. S. des § 90 Abs. 2 AO 1977 anzuerkennen sind, entscheidet das FG als Tatsacheninstanz. Ob allerdings das FG bei seiner Entscheidung die erhöhte Mitwirkungspflicht der Beteiligten rechtlich zutreffend gewürdigt hat, ist eine Frage der Rechtsanwendung (vgl. BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675).
2. Entgegen der Auffassung des FG kann die Bedürftigkeit der Eltern des Klägers nicht als nachgewiesen angesehen werden.
a) Zweifel bestehen bereits, ob die vom Kläger hinsichtlich seines Vaters vorgelegte Bescheinigung, die das Datum vom 6. Januar 1981 trägt, geeignet ist, die Bedürftigkeit im Streitjahr 1981 nachzuweisen. Sachverhalte, die - wie eigenes Einkommen und eigene Bezüge eines Angehörigen in der Türkei - Schwankungen unterliegen können, dürfen grundsätzlich nicht im voraus bescheinigt werden.
Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß Datierungen in den ersten Tagen eines Kalenderjahres irrtümlich mit der Jahresangabe des abgelaufenen Kalenderjahres versehen werden. Es mag zwar zutreffen, daß in der Türkei nicht von einer der deutschen in jeder Hinsicht vergleichbaren Verwaltungspraxis ausgegangen werden kann. Gleichwohl scheint es zweifelhaft, ob ohne weiteres angenommen werden kann, die Bescheinigung sei ein Jahr nach dem angegeben Datum erstellt worden.
b) Der Senat braucht indessen den Zweifeln an der Geeignetheit der den Vater betreffenden Bescheinigung nicht weiter nachzugehen. Beide vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen sind nämlich schon deshalb nicht als Bedürftigkeitsnachweis geeignet, weil sie in wesentlichen Punkten unvollständige Angaben enthalten. Aus den Bescheinigungen ist nicht erkennbar, und durch sie mithin auch nicht nachweisbar, in welcher Höhe den Unterstützungsempfängern andere Einkünfte zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden haben. Die Bescheinigungen enthalten keine Angaben darüber, ob die unterstützten Personen berufstätig waren. Es steht auch nicht fest, ob die erzielten Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichten. Allein aus den in den Bescheinigungen enthaltenen Angaben über das Vermögen der Unterstützungsempfänger kann noch nicht auf deren Bedürftigkeit geschlossen werden. Vielmehr ist es durchaus denkbar, daß trotz Vermögenslosigkeit die durch Arbeit erzielten Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausgereicht haben. Auch scheint es dem erkennenden Senat aus Gründen der Nachvollziehbarkeit (Plausibilität) wichtig zu sein, daß Bedürftigkeitsbescheinigungen erwachsener Unterstützungsempfänger detaillierte Angaben über vor Beginn der Unterstützung bezogene Einkünfte enthalten. Gerade im Hinblick auf die eingeschränkte Nachprüfbarkeit eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts sind umfassende Angaben auch über die früheren finanziellen Verhältnisse eines Unterstützungsempfängers unerläßlich. Wenn das FA unter Berufung auf Verwaltungsvorschriften der obersten Finanzbehörden (vgl. z. B. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 16. Januar 1979 VI B 6 - S 2365 - 3/79, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, § 33a Abs. 1 Nr. 51; sowie die nachfolgenden Regelungen in dem BMF-Schreiben vom 26. November 1981 VI B 6 - S 2352 - 31/81, BStBl I 1981, 744; BMF-Schreiben vom 10. März 1986 VI B 6 - S 2352 - 3/86, BStBl I 1986, 117, und vom 5. Juni 1989 VI B 6 - S 2352 - 15/89, BStBl I 1989, 181) sowie auf die BFH-Rechtsprechung (vgl. BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338) die Vorlage vollständig ausgefüllter amtlicher Bedürftigkeitsbescheinigungen verlangt, ist dies eine im Rahmen des § 90 Abs. 2 AO 1977 zumutbare Anforderung. Ausländische Arbeitnehmer sind auch ohne Schwierigkeiten in der Lage, solche Beweismittel zu beschaffen.
3. Abweichend von der früheren Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660) hat der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 28. November 1988 GrS 1/87 (BFHE 154, 556, BStBl II, 1989, 164) entschieden, daß Unterhaltsleistungen eines Ehegatten an den von ihm nicht dauernd getrennt lebenden, nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen anderen Ehegatten als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 EStG abziehbar sein können. Die Höhe des Abzuges hängt, wenn ein Steuerpflichtiger an mehrere in einem gemeinsamen Haushalt lebende und gleichrangig unterhaltsberechtigte Personen einheitlich Unterhaltsbeträge leistet, von der Anzahl dieser Personen ab. Dem typisierenden Charakter des § 33a Abs. 1 EStG entspricht es, an mehrere Unterhaltsempfänger einheitlich erbrachte Unterhaltsleistungen ohne Rücksicht auf einen etwa unterschiedlichen Unterhaltsbedarf gleichmäßig nach Köpfen aufzuteilen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juni 1989 III R 258/83, BFHE 157, 422, BStBl II 1989, 1009, und vom 30. Juni 1989 III R 149/85, BFH/NV 1990, 225, jeweils m.w.N.). Der gegenüber Kindern unter Umständen höhere Unterhaltsbedarf eines Ehegatten ist dabei - zumindest vor dem Inkrafttreten des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 vom 26. Juni 1985 (BGBl I 1985, 1153, BStBl I 1985, 391) - im Hinblick auf die Fassung des § 33a EStG 1981 nicht zu berücksichtigen.
4. Die Vorentscheidung, die auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und wird gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das FG wird weitere Feststellungen hinsichtlich der Bedürftigkeit der Eltern des Klägers und seiner Ehefrau zu treffen haben. Wegen Änderung der Rechtsprechung bei der Beurteilung von Unterhaltszahlungen an einen im Ausland lebenden Ehegatten genügt zum Nachweis der Bedürftigkeit der Ehefrau die Vorlage einer amtlichen Bedürftigkeitsbescheinigung. Der erkennende Senat weist allerdings darauf hin, daß die bloße Vorlage einer vollständig ausgefüllten amtlichen Bedürftigkeitsbescheinigung, die lange Zeit nach dem Streitjahr erstellt wurde, nicht geeignet ist, auch die Bedürftigkeit der Eltern nachzuweisen. Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall, wenn der Kläger rechtzeitige Beweisvorsorge hätte treffen können, weiterer geeigneter Beweismittel. Sollte der Kläger nicht in der Lage sein, entsprechende Beweismittel beizubringen, trifft ihn der Nachteil der verbleibenden Ungewißheit (vgl. BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675).
Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die in den Akten befindlichen, in türkischer Sprache abgefaßten Bankbescheinigungen für sich allein nicht geeignet, Unterhaltsleistungen darzutun. Das FG kann davon ausgehen, daß die einschlägigen BMF-Schreiben (vgl. zuletzt BStBl I 1989, 181) den unbestimmten Rechtsbegriff der i. S. von § 90 Abs. 2 AO 1977 ,,erforderlichen Beweismittel" in zutreffender, wenn auch nicht abschließender Weise konkretisieren (vgl. BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675). Danach kann aus Billigkeitsgründen allenfalls von der Mitnahme eines Monatsnettogehalts anläßlich eines Heimaturlaubs ohne besondere Nachweise ausgegangen werden.
Es wird außerdem zu beachten sein, daß Unterhaltsleistungen an nicht vorrangig unterhaltsberechtigte Angehörige nur im Rahmen der sog. Opfergrenze als zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 2 EStG anzusehen sind. Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung ggf. auch entsprechende Feststellungen zur Opfergrenze zu treffen haben (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1986 III R 245/83, BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852).
Fundstellen
Haufe-Index 417260 |
BFH/NV 1991, 229 |