Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungskosten bei Erwerb eines bisher gemieteten Einfamilienhauses
Leitsatz (NV)
Hat der Arbeitnehmer in dem vom Arbeitgeber gemieteten Einfamilienhaus werterhöhende Maßnahmen durchgeführt und wird der Kaufpreis des Grundstücks deshalb unterhalb des Verkehrswerts angesetzt, liegen -- nach §10 e EStG begünstigte -- Anschaffungskosten nur in Höhe des tatsächlich gezahlten Kaufpreises und nicht in Höhe des Verkehrswerts vor.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1; HGB § 255 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Arbeitgeberin des Klägers hatte im Jahr 1964 ein Einfamilienhaus erworben, das sie verbilligt an den Kläger vermietet hatte. Die Differenz zur ortsüblichen Miete war als Arbeitslohn versteuert worden.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1989 äußerte der Kläger den Wunsch, das Einfamilienhaus für 175 000 DM zu erwerben. Bei der Ermittlung des Preises habe er wertmindernd berücksichtigt, daß er als Mieter die Kosten für folgende Anschaffungen bzw. Maßnahmen getragen habe: Wand- und Bodenfliesen, Bodenbeläge, Decken- und Wandverkleidungen aus Holz, drei Markisen, mehrere Außenleuchten, Gartenbepflanzung und Pergola, Terrasse.
Um Zweifel an der Angemessenheit des Kaufpreises auszuschließen, ließ der Kläger auf Anregung der Arbeitgeberin ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks unter Berücksichtigung seiner bisherigen Leistungen erstellen. Der Gutachter ermittelte den Bauwert mit 185 437 DM und den Bodenwert mit 26 840 DM (insgesamt 212 277 DM). Die Leistungen des Klägers für die "Ausstattung" bewertete er mit 22 534 DM, die Leistungen für den "Wohngarten" mit 7 750 DM (insgesamt 30 284 DM). Der Verkehrswert abzüglich der Leistungen des Klägers ergab einen Betrag von (aufgerundet) 182 000 DM. Zu diesem Betrag erwarben die Kläger durch notariellen Vertrag vom 15. September 1989 das Eigentum an dem Einfamilienhaus je zur Hälfte. Der Kaufvertrag enthält weder einen Hinweis auf das Gutachten noch darauf, daß Aufwendungen des Klägers angerechnet worden sein könnten.
In der Einkommensteuererklärung für 1989 begehrten die Kläger einen Abzugsbetrag nach §10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Als Anschaffungskosten des Gebäudes setzten sie den vom Gutachter ermittelten Bauwert von 185 437 DM an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1989 als Kosten für das Gebäude dagegen nur den tatsächlich von den Klägern gezahlten Preis von 182 000 DM, abzüglich des Werts für den Grund und Boden von 26 840 DM (= 155 160 DM).
Auf den Einspruch der Kläger änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 1989 und berücksichtigte den Abzugsbetrag nach §10 e Abs. 1 EStG in der von den Klägern beantragten Höhe von 10 117 DM.
Die Kläger hatten im Jahr 1989 Grunderwerbsteuer in Höhe von 3 640 DM aus dem Kaufpreis von 182 000 DM gezahlt. Anläßlich der Meinungsverschiedenheiten bei der Einkommensteuerveranlagung für 1989 beantragten die Kläger, den Grunderwerbsteuerbescheid zu ändern und als Gegenleistung den Verkehrswert von 212 277 DM zugrunde zu legen. Aufgrund des geänderten Grunderwerbsteuerbescheids zahlten sie im Jahr 1990 zusätzlich 604 DM Grunderwerbsteuer.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1990 und 1991 machten die Kläger ebenfalls einen Abzugsbetrag nach §10 e Abs. 1 EStG in Höhe von 10 117 DM geltend.
Das FA kürzte die von den Klägern ermittelte Bemessungsgrundlage um die Aufwendungen des Klägers von 30 284 DM und berücksichtigte jeweils nur einen Abzugsbetrag in Höhe von 8 602 DM. Die Einsprüche der Kläger waren insoweit erfolglos.
Mit den Klagen begehrten die Kläger für das Streitjahr 1990 einen Abzugsbetrag von 10 343 DM und für das Streitjahr 1991 einen Abzugsbetrag von 10 230 DM. Die geänderten Beträge ergeben sich daraus, daß die Kläger, die versehentlich nur die halbe Grunderwerbsteuer angesetzt hatten, nunmehr den vollen Betrag und zusätzlich die im Jahr 1990 aufgrund der Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids nachgezahlte Grunderwerbsteuer in die Bemessungsgrundlage einbezogen.
Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen statt. Es führte aus: Die Kläger hätten das Haus zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis von 182 000 DM erworben. Da ein Kaufmann nach der Lebenserfahrung nichts verschenke, sei davon auszugehen, daß der Arbeitgeber für die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert (= 30 284 DM) Gegenleistungen vom Kläger erhalten habe. Entweder hätte der Kläger aufgrund seiner Aufwendungen während der Mietzeit einen Ersatzanspruch gegen den Arbeitgeber gehabt, der mit dem Kaufpreis verrechnet worden sei, oder der Arbeitgeber habe den Kaufpreis im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis niedriger festgesetzt. Insoweit läge Arbeitslohn in Form eines Sachbezuges vor, den der Kläger zur Erlangung der Verfügungsmacht über das Einfamilienhaus aufgewendet habe.
Mit den Revisionen rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind im wesentlichen begründet. Sie führen zur Aufhebung der FG- Urteile sowie der Einspruchsentscheidungen und zur anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer für 1990 und 1991 (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Zu Unrecht hat das FG als Anschaffungskosten für das Gebäude den Verkehrswert angesetzt.
a) Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach §10 e Abs. 1 EStG sind im Falle der Anschaffung eines eigengenutzten Einfamilienhauses die Anschaffungskosten für das Gebäude zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden.
b) Anschaffungskosten sind nach der -- auch für das Steuerrecht geltenden -- Definition des §255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs alle Aufwendungen, die der Steuerpflichtige leistet, um den Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Das sind im Streitfall der im notariellen Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis von 182 000 DM und die sog. Anschaffungsnebenkosten wie Grunderwerbsteuer sowie Notar- und Gerichtsgebühren.
c) Es kann im Streitfall dahinstehen, ob dem Kläger aufgrund seiner Aufwendungen als Mieter ein zivilrechtlicher Ersatzanspruch gegen die Arbeitgeberin zugestanden hat. Denn ein solcher Anspruch könnte sich auf die Höhe der Anschaffungskosten nur auswirken, wenn der Kläger mit einem solchen Anspruch gegen die Kaufpreisforderung der Arbeitgeberin aufgerechnet hätte. Eine Aufrechnung hat im Streitfall aber nicht stattgefunden. Der Kaufpreis ist vielmehr unter Berücksichtigung der vom Kläger erbrachten, werterhöhenden Ausstattungen und Einrichtungen unterhalb des Verkehrswerts festgesetzt worden.
d) Ferner kann der Senat offenlassen, ob in Höhe des Sachbezugs Anschaffungskosten anzunehmen sind, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsverhältnisses ein Grundstück verbilligt überläßt. Denn im Streitfall ist der Kaufpreis nicht aufgrund des Arbeitsverhältnisses zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis veräußert worden, sondern wegen der vom Kläger vorgenommenen werterhöhenden Maßnahmen. Ein Bezug zum Arbeitslohn scheidet daher aus, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger einen zivilrechtlichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Ersatz dieser Aufwendungen hatte.
e) Unerheblich ist, daß das FA bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer als Gegenleistung den Verkehrswert zugrunde gelegt hat. Denn die Beurteilung bei der Grunderwerbsteuer ist für die Einkommensteuerveranlagung nicht bindend.
2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidungen sind daher aufzuheben.
Entgegen dem Antrag des FA können die Klagen aber nicht in vollem Umfang abgewiesen werden, da das FA die Anschaffungsnebenkosten (Grunderwerbsteuer) -- den Angaben der Kläger folgend -- zu niedrig angesetzt hat. Die Kläger hatten irrtümlich nur die Hälfte der Grunderwerbsteuer (1 820 DM) zugrunde gelegt. Auch hat das FA die im Jahr 1990 nachgezahlte Grunderwerbsteuer von 604 DM nicht berücksichtigt.
Außerdem hat es die tatsächlichen Anschaffungskosten einschließlich Anschaffungsnebenkosten nicht entsprechend den Verkehrswerten von Gebäude sowie Grund und Boden aufgeteilt. Es hat als Gebäudewert den Verkehrswert des Gebäudes abzüglich der Aufwendungen des Klägers von 30 284 DM zugrunde gelegt. Die Aufwendungen des Klägers betreffen jedoch nicht ausschließlich das Gebäude. Für die Bemessung des Abzugsbetrages nach §10 e Abs. 1 EStG ist daher nicht der Verkehrswert, sondern sind der im Kaufvertrag vereinbarte und gezahlte Kaufpreis sowie die Anschaffungsnebenkosten zu berücksichtigen. Die tatsächlich angefallenen Anschaffungskosten sind im Verhältnis des vom Gutachter ermittelten Bauwerts (87,36 v. H.) und des Bodenwerts (12,64 v. H.) zum Verkehrswert des Grundstücks auf Gebäude sowie Grund und Boden aufzuteilen.
3. Die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach §10 e Abs. 1 EStG ist daher wie folgt zu ermitteln:
Verkehrswert lt. Gutachten 212 277 DM Bauwert (87,36 v. H.) 185 437 DM Bodenwert (12,64 v. H.) 26 840 DM Anschaffungskosten
lt. Kaufvertrag 182 000 DM Notar- und Gerichtsgebühren
1 887 DM
Grunderwerbsteuer 4 244 DM 6 131 DM Anschaffungskosten
insgesamt 188 131 DM Bemessungsgrundlage für
den Abzugsbetrag
Gebäude (87,36 v. H.
der Anschaffungskosten) 164 352 DM Grund und Boden (12,64 v. H.
der Anschaffungskosten)
23 780 DM x 11 890 DM insgesamt 176 242 DM Abzugsbetrag 5 v. H. 8 813 DM
Fundstellen
Haufe-Index 422392 |
BFH/NV 1998, 443 |
HFR 1998, 358 |