Leitsatz (amtlich)
1. Unterhaltsleistungen, die von einem nicht oder nur beschränkt steuerpflichtigen Geber gewährt werden, sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG. Eine vom Unterhaltsberechtigten erbrachte Gegenleistung kann in diesen Fällen nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden.
2. Die in § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG für Unterhaltsleistungen von unbeschränkt Steuerpflichtigen getroffene Regelung kann auch dann nicht entsprechend angewendet werden, wenn die Unterhaltsleistungen aus Mitteln gewährt werden, die der Besteuerung im Inland unterlegen haben.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist für die Veranlagungszeiträume 1961 und 1962, ob und inwieweit der Kläger und Revisionskläger (Kläger) die ihm von seiner im Ausland lebenden Mutter zugeflossenen Zahlungen als wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer zu unterwerfen hat.
Der Vater des Klägers ist 1928 verstorben. Alleinerbin war die Mutter. Sie bezog u. a. mindestens seit 1937 Mieteinkünfte aus zwei Mietgrundstücken im Inland, deren Verwaltung einer Hausverwaltungsfirma oblag. Diese Firma überwies auf Veranlassung der Mutter mindestens seit 1946 fortlaufend und ratenweise Geldbeträge in unregelmäßiger Höhe an den Kläger. Die Zuwendungen beruhten auf einem bereits früher gefaßten einheitlichen Entschluß der Mutter. Der Kläger gab diese Beträge in seinen Einkommensteuererklärungen unter den sonstigen Einkünften als wiederkehrende Bezüge an mit dem Hinweis "Unterstützung Frau F. in Z.".
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) unterwarf die angegebenen Beträge der Einkommensteuer, weil die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht vorlägen.
Nach erfolglosem Einspruch legte der Kläger Berufung ein. Im Wesentlichen machte er geltend: Beim Tode seines Vaters hätten die Mutter und die drei Kinder auf die Auseinandersetzung des Vermögens verzichtet. Bei den Zahlungen der Mutter an den Kläger handele es sich um Geldleistungen im Zuge einer vorweggenommenen Erbschaft. Tatsächlich seien die beiden Mietwohngrundstükke im Jahre 1966 von der Mutter auch an die drei Kinder übertragen worden.
Die Klage blieb erfolglos. Das FG ließ es dahingestellt, ob die Bezüge des Klägers seitens der Mutter freiwillig oder unter Berücksichtigung des von ihrem verstorbenen Ehemann ererbten Vermögens gewährt wurden. Der Kläger sei nach § 1601 BGB gesetzlich unterhaltsberechtigt. Das genüge, um die Beträge in vollem Umfang gemäß § 22 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer zu unterwerfen. Weil die Mutter beschränkt steuerpflichtig sei, liege ein Fall des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht vor.
Mit seiner Revision rügt der Kläger ... Verletzung materiellen Rechts.
Aus dem Inhalt der Akten ergebe sich klar, daß der Kläger und seine Mutter keine wiederkehrenden Bezüge gewollt hätten. Die von der Hausverwaltung im Auftrag der Mutter überwiesenen Geldbeträge seien nicht nach den Bedürfnissen des Klägers, sondern nach dem anteiligen Überschuß berechnet worden, der auf längere Sicht aus dem Grundbesitz zu erwirtschaften sei. Eine doppelte Erfassung der Beträge sowohl bei der Mutter als auch beim Sohn sei vom § 22 EStG nicht gewollt und verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Jedenfalls aber rechtfertige es sich aus § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht, die Besteuerung von der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht abhängig zu machen, wenn die Zahlungen an den Unterhaltsberechtigten aus Mitteln geleistet werden, die der Besteuerung im Inland unterlegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. ...
2. Die von der Mutter des Klägers erbrachten Zahlungen sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG. Die unmittelbare Überweisung der Gelder an den Kläger durch die Hausverwaltung ließ den Zufluß der Mieteinnahmen und ihre Versteuerung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei der Mutter des Klägers auf Grund ihres Eigentums unberührt. Ihre Zahlungen an den Kläger sind Einkommensverwendung; sie sind ihm, wie er selbst vorträgt, von seiner Mutter regelmäßig und auf Grund eines vorhergehenden einheitlichen Entschlusses (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1971 VIII 24/65, BFHE 103, 410, BStBl II 1972, 170) zugewendet worden. Ein Zufluß kraft eigenen Rechts kann ebenso wie im Fall des BFH-Urteils vom 17. Dezember 1965 VI 294/64 U (BFHE 85, 87, BStBl III 1966, 244) nicht angenommen werden. Das FG brauchte deshalb der Frage, ob die Bezüge seitens der Mutter freiwillig oder unter Berücksichtigung eines Anspruchs des Klägers aus dem Verzicht auf eine Auseinandersetzung des ererbten Vermögens erbracht wurden, nicht mehr nachzugehen. Eine Behandlung der Zahlungen als - von der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 EStG ausgeschlossene - Kapitalrückzahlung scheidet nach dem eigenen Vorbringen des Klägers aus. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 30. Juli 1965 VI 288/63 U. BFHE 83, 311, BStBl III 1965, 613) müßten diese nach Zeit und Höhe fest bestimmt sein. Das ist hier nicht der Fall.
3. Nach § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG sind wiederkehrende Bezüge, die freiwillig oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt werden, nicht dem Empfänger zuzurechnen, wenn der Geber unbeschränkt steuerpflichtig ist.
a) Ist der Geber hingegen nur beschränkt steuerpflichtig oder unterliegt er überhaupt nicht der inländischen Steuerpflicht, so sind die Unterhaltsleistungen stets dem Empfänger zuzurechnen (im Ergebnis ebenso Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 12 zu § 22 EStG; Lademann-Lenski-Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Bd. II, 3. Aufl., 1963, Anm. 3 zu § 22; Jansen-Wrede, Renten, Raten, Dauernde Lasten, 4. Aufl., 1972, 66; ebenso Abschn. 166 EStR 1960). Dies ergibt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 7 in Verbindung mit § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG. Eine Gleichstellung der Unterhaltsleistungen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen mit solchen, die von einem nicht oder beschränkt steuerpflichtigen Geber bezogen werden, ist rechtlich nicht zulässig.
Die Nichtzurechnung der Zuwendungen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen beim Empfänger steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit § 12 Nr. 2 EStG. Nur dort, wo § 12 Nr. 2 EStG auf den Zuwendenden nicht anwendbar ist, kann er Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben abziehen (BFH-Urteile vom 2. Dezember 1966 VI R 4/66, BFHE 87, 479; vom 6. November 1970 VI R 94/69, BFHE 100, 456, BStBl II 1971, 99, und vom 13. Juli 1973 VI R 222/71, BFHE 110, 167, BStBl II 1973, 776). § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG sichert andererseits in demselben Umfang bei der inländischen Einkommensbesteuerung die steuerliche Freistellung des Empfängers. Nur dort, wo § 12 Nr. 2 EStG keine Anwendung findet, greift § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG ein. Diese steuerliche Beurteilung gewährleistet, und darauf kommt es hier an, daß die Unterhaltsleistungen wenigstens einmal im Inland steuerlich erfaßt werden. Dabei genügt es - entgegen der Ansicht des Klägers -, daß der Empfänger der Bezüge zu dem Kreis der unterhaltsberechtigten Personen gehört (§ 1601 BGB); auf die Unterhaltsbedürftigkeit des Empfängers im Einzelfall kommt es nicht an (ständige Rechtsprechung vgl. z. B. BFH-Urteile vom 31. Oktober 1969 VI R 60/68, BFHE 97, 303, BStBl II 1970, 115; VI R 222/71, und vom 13. Juli 1973 VI R 108/72, BFHE 109, 570, BStBl II 1973, 778). Unerheblich ist auch, ob der Unterhalt kraft Gesetzes oder auf Grund einer besonderen Vereinbarung geleistet wird (BFH-Urteile VI R 94/69, VI R 222/71, VI R 108/72). Eine Vereinbarung tritt nicht an die Stelle der gesetzlichen Unterhaltspflicht, sondern bestärkt diese nur.
Eine Differenzierung, wenn der Geber beschränkt steuerpflichtig ist, je nachdem, ob inländische Einkünfte, aus denen die Unterhaltszahlungen bewirkt sein können, vorliegen oder nicht, sieht das Gesetz zu Recht nicht vor (Entscheidung des RFH vom 2. März 1933 VI A 2052/33, RStBl 1933, 585). Die Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 20. Januar 1959 I 112/57 S, BFHE 68, 340, BStBl III 1959, 133) hat stets betont, daß der Steuerpflichtige mit seinen inländischen Einkünften grundsätzlich unabhängig davon zu beurteilen ist, wie sich seine Verhältnisse im Ausland darstellen. Zu diesen Verhältnissen gehört vor allem die Einkommensverwendung und die Lebenshaltung. Eine dem § 12 Nr. 2 EStG entsprechende steuerliche Zurechnungsvorschrift ist deshalb in § 49 EStG nicht enthalten. Im Gegensatz zu Werbungskosten und Betriebsausgaben bei inländischen Einkünften ließe sich für solche Einkommensverwendungsbeträge auch nicht feststellen, ob sie tatsächlich aus inländischen Einkünften bezahlt werden sowie ob und welches ausländische Einkommen der Zuwendende daneben noch hat. Entsprechend der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG erstreckt sich die Einkommensbesteuerung aber auf alle Einkünfte des Steurpflichtigen. Ist eine solche umfassende Einkommensbesteuerung nicht gewährleistet, fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung der gegenseitigen Abhängigkeit von Steuerbarkeit der Zuwendungen beim Geber und ihrer Nichtzurechnung beim Empfänger.
b) An diesem Ergebnis würde sich nichts ändern, wenn man in dem Verzicht des Klägers auf seine erbund Pflichtteilsansprüche eine angemessene Gegenleistung für die gewährten Zuwendungen zu erblicken hätte (BFH-Urteil vom 10. April 1953 IV 384/52 U, BFHE 57, 400, BStBl III 1953, 157; vgl. aber auch BFH-Urteile vom 4. September 1959 VI 176/58, StRK, Einkommensteuergesetz, § 12 Nr. 2, Rechtsspruch 22; wohl auch vom 30. August 1963 VI 216/62 U, BFHE 78, 147, BStBl III 1964, 59). Würde eine Leibrente vorliegen, so wäre bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Geber § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht anwendbar. Denn der Zuwendende könnte, da § 12 Nr. 2 EStG infolge Entgeltlichkeit der Zuwendung nicht eingriffe, die Rente nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgabe abziehen (BFH-Urteile vom 23. Januar 1964 IV 8/62 U, BFHE 79, 516, BStBl III 1964, 422; vom 30. November 1967 IV 137/63, BFHE 91, 84, BStBl II 1968, 264). Die Steuerpflicht beim Empfänger ergäbe sich aus § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit Satz 3 Buchst. a mit dem Ertragsanteil (BFH-Urteil vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1969, 706). Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Beurteilung eine andere sein sollte, wenn der Zuwendende nur beschränkt steuerpflichtig ist. Beim Vorliegen einer dauernden Last - wie im Streitfall ist die Rechtslage, was die Besteuerung beim Empfänger dem Grunde nach anbetrifft, keine andere. Auch hier ist § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG bei Entgeltlichkeit der dauernden Last nicht anwendbar, weil ein Fall des § 12 Nr. 2 EStG nicht angenommen wird. Die Besteuerung beim Empfänger hat nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erfolgen. Nach dem schon erwähnten BFH-Urteil IV 67/61 S sind jedoch die vollen Zuwendungsbeträge vom Empfänger zu versteuern, da auch der Zuwendende die vollen Zuwendungsbeträge als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehen kann. Denn im Verzicht auf die Erb- oder Pflichtteilsansprüche als Gegenleistung kann ein darlehens- oder kaufähnliches Geschäft, bei dem nach dem BFH-Urteil IV 67/61 S eine Verrechnung der Gegenleistung mit der Summe der empfangenen Zuwendungen in Betracht kommen könnte, nicht erblickt werden (vgl. auch BFH-Urteil VI 294/64 U). Auch hier ist ein Grund, warum die Besteuerung beim Empfänger eine andere sein sollte, wenn der Zuwendende nur beschränkt steuerpflichtig ist, nicht ersichtlich.
Daß nach § 50 Abs. 1 letzter Satz EStG beschränkt Steuerpflichtige Sonderausgaben nach § 10 EStG nicht abziehen können, beeinflußt das gefundene Ergebnis nicht. Denn die Vorschrift betrifft nur die Geberseite, ein allgemeiner Grundsatz, daß Aufwendungen, die beim Zuwendenden nicht abgezogen werden können, gleichwohl beim Empfänger entgegen der für diesen geltenden gesetzlichen Regelung nicht einkommensteuerpflichtig sind, besteht nicht (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 25. November 1966 VI R 111, 112/66, BFHE 87, 476, BStBl III 1967, 178).
Fundstellen
Haufe-Index 70722 |
BStBl II 1974, 101 |
BFHE 1974, 33 |