Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum zolltariflichen Begriff ,,Kopfbedeckungen"
Leitsatz (NV)
Der Begriff ,,Kopfbedeckungen" i. S. der Tarifnr. 65.05 GZT umfaßt nur Waren, die eindeutig den Charakter von Kopfbedeckungen haben. Das sind nur Waren, die dazu bestimmt sind, das Haupthaar im wesentlichen zu bedecken. ,,Ohrmuffen" gehören nicht dazu.
Normenkette
GZT ATV 3 a und 3 b; Tarifnrn. 65.05 und 60.05
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ bei einem dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA -) unterstehenden Zollamt eine Ware aus Taiwan abfertigen, die sie in der Zollanmeldung als ,,Ohrmuffen aus Plüsch mit Kunststoffbügel" bezeichnete. Die Ware besteht aus zwei ovalen (der Formgebung und der Festigung dienenden) Schalen aus Eisenblech, die an der Innen- und Außenseite mit (wärmenden und dem modischen Effekt dienenden) Plüschgewirken aus Polyacryl überzogen und an den beiden Enden eines elastischen, verstellbaren Kunststoffbügels befestigt sind. Das Zollamt wies die Ware abweichend von der Zollanmeldung zunächst der Tarifnr. 43.04 (,,künstliches Pelzwerk und Waren daraus") des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu (Zollsatz 8,2 %) und erhob dementsprechend Zoll. Mit Änderungsbescheid vom 12. November 1981 änderte das Zollamt seine Tarifauffassung, ordnete die Ware in die Tarifst. 60.05 A II b 5 bb GZT (u. a. Bekleidungszubehör) ein (Zollsatz 18 %) und erhob Zoll nach. Während des Klageverfahrens erließ das HZA den weiteren Änderungsbescheid vom 26. Januar 1984, tarifierte die Ware nach der Tarifst. 60.05 B II GZT (Zollsatz 13 %) und setzte den Zoll entsprechend herab. Die Klägerin beantragte, diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Das Finanzgericht (FG) hob die Änderungsbescheide vom 12. November 1981 und vom 26. Januar 1984 sowie die Einspruchsentscheidung auf. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:
Die Ohrmuffen gehörten als Kopfbedeckung aus Stücken von Gewirken zur Tarifnr. 65.05 GZT (,,Hüte und andere Kopfbedeckungen - einschließlich Haarnetze -, gewirkt oder aus Stücken . . . von Gewirken . . . hergestellt . . .). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch seien Kopfbedeckungen der Bekleidung des Menschen dienende Waren, die den Kopf bedeckten. Es mache keinen Unterschied, ob der Gegenstand den Kopf ganz oder teilweise bedecke. Dieses Verständnis des Ausdrucks Kopfbedeckung stimme überein mit der Systematik des GZT, der Waren, die der Bekleidung des Menschen dienten, in den Kapiteln 60, 61, 64 und 65 erfasse. Der Tarif hebe im wesentlichen darauf ab, an welchem Körperteil die Bekleidung getragen werde. Dies rechtfertige es, zu den Kopfbedeckungen i. S. des GZT alle jene der Bekleidung des Menschen dienenden Waren zu rechnen, die am oder auf dem Kopf getragen würden und Teile des Kopfes bedeckten.
Das HZA begründet seine Revision wie folgt: Das FG habe den Begriff ,,Kopfbedeckung" falsch ausgelegt. Alle in der Tarifnr. 65.05 GZT aufgeführten Gegenstände wie Hüte, Mützen, Kappen usw. umschlössen die vom Kopfhaar bedeckten Kopfteile ganz oder zumindest überwiegend. Auch die Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT) führten nur entsprechende Waren als zur Tarifnr. 65.05 gehörig auf. Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz könnten Haarnetze sein; um diesen Zweifel auszuräumen, seien Haarnetze in der Tarifnr. 65.05 ausdrücklich genannt.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Das FG hat den Begriff ,,Kopfbedeckungen" i. S. der Tarifnr. 65.05 GZT verkannt. Dieser Begriff umfaßt nur Waren, die eindeutig den Charakter von Kopfbedeckungen haben (vgl. auch ErlZT zu Tarifnr. 65.05 Teil I Rdnr. 11). Das sind nur Waren, die dazu bestimmt sind, das Haupthaar im wesentlichen zu bedecken. So wird der Begriff auch im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden. Der GZT verwendet ihn in diesem Sinn. Die ,,Ohrmuffen" gehören nicht zu den Kopfbedeckungen in diesem Sinn.
Die Tarifnr. 65.03 bis 65.05 GZT erfassen nach ihrem Wortlaut ,,Hüte und andere Kopfbedeckungen". Danach will der GZT unter Kopfbedeckungen solche Kleidungsstücke verstanden wissen, die die wesentlichen Eigenschaften von Hüten besitzen. Dagegen spricht nicht, daß von Kapitel 65 auch sog. Bandeaux erfaßt werden (Tarifnr. 65.01 GZT). Das sind entgegen der Auffassung der Klägerin keine Stirnbänder, sondern spezielle Waren aus Filz zur Herstellung von Hüten (ErlZT zu Tarifnr. 65.01 Teil I Rdnr. 9). Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auch auf den Klammerzusatz in Tarifnr. 65.05 GZT ,,(einschließlich Haarnetze)". Dieser besondere Hinweis legt eher einen Umkehr- als einen Analogieschluß nahe. Die Autoren des GZT dürften gerade deswegen die Haarnetze besonders genannt haben, da sie sich der Besonderheiten dieser Ware im Vergleich zu sonstigen Kopfbedeckungen bewußt waren. Überdies entsprechen solche Haarnetze der oben gegebenen Begriffsbestimmung, da sie das Kopfhaar im wesentlichen bedecken. Das tun zwar auch Kopftücher, die in der Tarifnr. 61.06 GZT ausdrücklich genannt sind, vom GZT also nicht als Kopfbedeckungen i. S. des Kapitels 65 angesehen werden. Insoweit handelt es sich aber um eine Spezialvorschrift, die überdies wegen der größeren Nähe der Kopftücher zu den sonst in der Tarifnr. 61.06 GZT genannten Waren (,,Schals, Umschlagtücher, Halstücher, Kragenschoner, Schleier und ähnliche Waren") als zu den Kopfbedeckungen sinnvoll erscheint.
Die ErlZT, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des erkennenden Senats maßgebliche Erkenntnismittel bei der Auslegung des GZT sind, stützen die Richtigkeit dieser Auffassung. Alle in den ErlZT (Tarifnrn. 65.05 und 65.06, jeweils Teil I) beispielhaft aufgeführten Kopfbedeckungen sind solche im genannten Sinn (z. B. Mützen für Köche, Hauben für Nonnen, Krankenschwestern und Serviererinnen, Barette). Zu Unrecht beruft sich das FG für seine andere Auffassung auf die Systematik des GZT. Aus dem Umstand, daß der GZT manche Waren danach benennt, wo am Körper sie getragen werden (z. B. Handschuhe, Oberkleidung), kann nicht geschlossen werden, daß sich daraus ohne Ausnahme oder auch nur im Regelfall ein Anknüpfungspunkt für die Auslegung des GZT ergibt. So gehören z. B. Sonnenschutzschirme, die am Kopf getragen werden zur Tarifnr. 62.05 GZT (vgl. ErlZT, Tarifnr. 62.05 Teil III Rdnrn. 7 und 8), und nicht, wie es nach Auffassung des FG der Fall sein müßte, zu den ,,Kopfbedeckungen" des Kapitels 65 GZT).
Da die streitbefangenen Ohrmuffen keine Kopfbedeckungen i. S. des Kapitels 65 GZT sind, werden sie von der Tarifnr. 65.05 nicht erfaßt. Sie sind auch in keiner anderen Tarifnummer des GZT namentlich genannt. Da sie aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzt sind, nämlich aus unedlem Metall, Kunststoff und Gewirken, kommen für die Tarifierung je nach diesen Stoffen verschiedene Tarifnummern in Betracht. Die Tarifierung ist also nach den Regeln der Allgemeinen Tarifierungs-Vorschrift (ATV) 3 vorzunehmen. Das führt zwar dazu, daß die ,,Ohrmuffen" je nach ihrer stofflichen Beschaffenheit unterschiedlichen Tarifpositionen zuzuordnen sind. Dieser Umstand kann aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einer ausdehnenden Auslegung des Kapitels 65 GZT führen.
Die Regel der ATV 3 a ist hier nicht anwendbar; denn falls für die Tarifierung von gemischten Waren zwei oder mehrere Tarifnummern in Betracht kommen, von denen sich jede auf einen der Stoffe der Ware bezieht, so kann keine dieser Tarifnummern allein deshalb als genauer als die anderen angesehen werden, weil sie die betreffende Ware genauer oder vollständiger beschreibt (EuGH-Urteil vom 25. September 1975 Rs. 28/75, EuGHE 1975, 989, 996; Senatsurteile vom 12. August 1981 VII K 10/81, BFHE 134, 204, und vom 4. Oktober 1983 VII K 17/82, BFHE 139, 447). Nach der ATV 3 b werden aus verschiedenen Stoffen bestehende Waren, die nicht nach ATV 3 a tarifiert werden können, nach dem charakterbestimmenden Stoff oder Bestandteil tarifiert. Das sind, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, im vorliegenden Fall die Gewirketeile; denn diese dienen in erster Linie dem speziellen Verwendungszweck der Ware, nämlich dem Kälteschutz und der Hervorrufung modischer Effekte.
Waren aus Gewirken werden von Kapitel 60 GZT erfaßt. Nach Vorschrift 2 b zu Kapitel 60 GZT gehören durch Nähen konfektionierte Waren aus Gewirken zu den Tarifnrn. 60.02 bis 60.06. Da die Tarifnrn. 60.02 bis 60.04 und 60.06 nach ihrem Wortlaut ausscheiden, bleibt nur übrig, die eingeführten Waren der Tarifnr. 60.05 GZT zuzuordnen. In dieser Tarifnummer kommen nur die Tarifst. A II b 5 bb und B II in Betracht. Welche davon die richtige ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da das HZA die Ware der Tarifstelle mit dem niedrigeren Zollsatz zugeordnet hat. Der angefochtene Zollbescheid unter Anwendung dieses Zollsatzes verletzt also die Klägerin nicht in ihren Rechten.
In Anwendung der Grundsätze des Urteils des EuGH vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415) und des Senatsurteils vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81 (BFHE 145, 266) sieht sich der Senat zur Einholung einer Vorabentscheidung nicht für verpflichtet.
Fundstellen
Haufe-Index 415402 |
BFH/NV 1988, 540 |