Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 116/50 S vom 7. Mai 1951 (BStBl. 1951 Teil III S. 116) grundsätzlich unzulässige, allgemeine Fortschreibung der Einheitswerte wird nicht dadurch zu einer zulässigen Einzelfortschreibung, daß die Fortschreibung nur auf einige aus der Gesamtzahl der wegen überschreitung der Wertgrenzen in Frage kommenden Fortschreibungen herausgegriffene Einzelfälle beschränkt wird.
Normenkette
BewG § 22
Tatbestand
Es handelt sich um die Art- und Wertfortschreibung für den Grundbesitz des Beschwerdeführers (Bf.) auf den 1. Januar 1948. Der Bf. betreibt Land- und Forstwirtschaft und unterhält einen Forstpflanzenzuchtbetrieb. Bei der Einheitsbewertung 1935 ist der gesamte Grundbesitz auf Vorschlag des Katasteramts nach landwirtschaftlichen Grundsätzen bewertet worden. Gemäß VI des Runderlasses des Reichsministers der Finanzen vom 5. Oktober 1935 betreffend Einheitsbewertung gärtnerischer Betriebe nach dem Stand vom 1. Januar 1935 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 1268) konnten auf Baumschulbetriebe hilfsweise die Richtlinien für Gemüsebaubetriebe angewandt werden. Demgemäß ordnete die Verfügung des Oberfinanzpräsidenten vom 8. November 1935 an, daß Baumschulbetriebe zunächst als Gemüsebaubetriebe bewertet werden sollen. Am 9. Juni 1937 ergingen der Runderlaß des Reichsministers der Finanzen über die Bewertung der Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe für die Einheitsbewertung zum 1. Januar 1935 sowie die Richtlinien für die Ermittlung des Ertragswerts der Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe - BaumschulBew. 1935 - (RStBl. 1937 S. 743). Danach sollte mit der vergleichenden Bewertung der Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe für die Einheitsbewertung 1935 begonnen werden. Es wurden Bewertungsstützpunkte ausgewählt. Als maßgebendes Gebiet wurde der Amtsbezirk des Oberfinanzpräsidenten Nordmark bestimmt. Bei der vergleichenden Bewertung waren die Richtlinien zu beachten. Die neu ermittelten Ertragswerte der Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe sollten an die Stelle der bisher ermittelten, vorläufigen Ertragswerte treten. In Gebieten ohne Bewertungsstützpunkte konnten die Ertragswerte der Bewertungsstützpunkte des Bezirks Nordmark sowie die Richtlinien als Anhalt dienen, soweit bisher nur eine vorläufige Wertermittlung durchgeführt worden war. Daraufhin ordnete der Oberfinanzpräsident am 3. Juli 1937, zwecks Nachprüfung der Einheitswerte der Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe und gegebenenfalls Vornahme von Wertfortschreibungen, ohne Vorlage der betreffenden Einheitswertakten an. Das Finanzamt, in dessen Bereich der größte Teil der Forstpflanzenzuchtbetriebe (95) der Oberfinanzdirektion liegt, bat im Hinblick auf die erhebliche Zahl von Betrieben um nähere Anweisung, welche Akten vorgelegt werden sollten. Der Oberfinanzpräsident bezeichnete die sechs größten Betriebe und bemerkte bei Rückgabe der Akten in seiner Verfügung vom 12. Januar 1937 an das Finanzamt: "Eine besondere Bewertung der Baumschul- und Forstpflanzenerzeugung dienenden Betriebsteile halte ich für den 1. Januar 1935 nicht mehr für erforderlich, zumal bei der teilweise geringen Größe der Forstpflanzenzuchtbetriebsteile eine Erhöhung des Einheitswerts nicht eintreten würde." Auf Grund einer Verfügung der Oberfinanzdirektion vom 31. Juli 1938, die wegen der seit dem Kriege festgestellten Veränderungen und Neuerrichtung von Baumschulbetrieben eine allgemeine überprüfung anordnete, nahm das Finanzamt im November 1949 eine Art- und Wertfortschreibung des Einheitswerts des Betriebs des Bf. auf den 1. Januar 1950 vor, wobei die Anlehnung an die Richtlinien für die Ermittlung des Ertragswerts der Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe für den 1. Januar 1935 der Wert der der Forstpflanzenzuchtflächen wesentlich erhöht (bisheriger Einheitswert der gesamten wirtschaftlichen Einheit 27.200 RM, fortgeschriebener Einheitswert 88.600 DM) und nunmehr ein gärtnerischer Betrieb als vorliegend angenommen wurde. Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Einspruch die Berufung des Bf., der die Wertfortschreibung als "Sammelwertfortschreibung" gemäß dem Urteil des Senats III 116/50 S vom 7. Mai 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 116) grundsätzlich für unzulässig erachtet und im übrigen die neue Bewertung wegen Verschiedenartigkeit der örtlichen Verhältnisse in der hier in Frage kommenden Gegend und in Schleswig-Holstein auch der Höhe nach angreift. Das Finanzamt hingegen beantragte aus Gründen steuerlicher Gerechtigkeit, die Wertfortschreibung schon auf den 1. Januar 1948 vorzunehmen, da der Bf. schon jahrelang ungerechtfertigte Steuervorteile gehabt habe.
Das Finanzgericht hat gemäß § 284 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) eine Vorentscheidung dem Grunde nach erlassen und dahin erkannt, daß die Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1948 dem Grunde nach zulässig sei, und daß die Bewertung im Wege der Einzelbewertung zu erfolgen habe. Das Urteil beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Der Oberfinanzpräsident habe für die Einheitsbewertung der Baumschulenbetriebe, zu denen auch die Forstpflanzenzuchten gehörten, Bewertung nach gärtnerischen Grundsätzen angeordnet. Die tatsächlich vorgenommene Bewertung als Landwirtschaft sei daher unrichtig. Die oben erwähnte Verfügung vom 12. Januar 1937 enthalte keine allgemeine Anweisung zur Bewertung nach landwirtschaftlichen Grundsätzen. Es handle sich insoweit nur um eine in einem Einzelfalle ergangene Anordnung. Die Fortschreibung könne zur Beseitigung von Bewertungsfehlern vorgenommen werden. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. Mai 1951 stehe nicht entgegen. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Tatbestand stellten die vom Finanzamt vorgenommenen Fortschreibungen die allgemeine Fortschreibung der Einheitswerte fast sämtlicher wirtschaftlicher Einheiten oder Untereinheiten einer bestimmten Betriebsart im Bezirk einer Oberfinanzdirektion dar. Dies sei hier nicht der Fall. Nach dem oben erwähnten Bericht des Finanzamts handele es sich insgesamt um 95 Forstpflanzenzuchtbetriebe im Bezirk des Finanzamts und weitere 25 Betriebe im übrigen Bezirk des Oberfinanzpräsidenten, größtenteils um Kleinbetriebe unter 5 ha. Der Oberfinanzpräsident habe für die überprüfung nur die größeren Betriebe - insgesamt sechs - in Erwägung gezogen. Bei den übrigen Betrieben verbleibe es bei der ursprünglichen Bewertung. Von den sechs Betrieben würden z. Zt. vier von Fortschreibungen erfaßt. Bei diesem Zahlenverhältnis könne keine Rede davon sein, daß eine allgemeine Fortschreibung vorliege. Es handele sich vielmehr nur um vier Einzelfälle. Als Zeitpunkt der Fortschreibung sei der 1. Januar 1948 anzunehmen, da die von der Wertfortschreibung abhängigen Steuern noch nicht verjährt seien. In der Bewertungsfrage selbst lehnt das Finanzgericht die vergleichende Bewertung im Anhalt an die schleswig-holsteinischen Richtlinien als unzweckmäßig ab, weil die örtlichen Verhältnisse zu verschieden lägen, und weist das Finanzamt zur Ermittlung des Einzelertragswerts an. Gegen dieses Urteil richten sich die Rechtsbeschwerden des Bf. und des Finanzamts. Der Bf. verbleibt dabei, daß die Fortschreibung des Einheitswerts unzulässig sei. Wenn die Bewertung 1935 entgegen den ergangenen Anweisungen gemäß dem Vorschlag des Katasteramts nach landwirtschaftlichen Grundsätzen vorgenommen worden sei, habe damals bei der Bewertungsbehörde kein Rechtsirrtum vorgelegen. Im übrigen handele es sich sachlich um eine allgemeine Fortschreibung der Einheitswerte der Forstpflanzenzuchtbetriebe im Bezirke der Oberfinanzdirektion. Die vom Finanzgericht bezeichneten sechs bzw. vier Fälle seien nur Probefälle für die Fortschreibung des gesamten Betriebszweigs. Wenn das Finanzgericht die Auffassung vertrete, daß es sich nur um vier Einzelfälle handele, habe es im Hinblick auf die genauen Angaben des Bf. den Sachverhalt sorgfältig untersuchen und gegebenenfalls Beweis erheben müssen. Sollte das Finanzgericht aber die Auffassung vertreten, daß die Finanzbehörde nur einige, ihr lohnend erscheinende Fälle für die Fortschreibung aus der Gesamtzahl aller Fälle herausgreifen könne, so verstoße dies gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Daß die ursprüngliche landwirtschaftliche Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1935 etwa nur vorläufig erfolgt wäre, sei nicht erkennbar. In der Sache selbst wendet sich der Bf. gegen die Ermittlung des Einzelertragswerts. Die Rechtsbeschwerde des Finanzamts bezweckt, die Bewertung in Anlehnung an die Richtlinien für die Ermittlung des Ertragswerts für Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe auf den 1. Januar 1935 für unzulässig zu erklären.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerden führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Mit der Vorbehörde ist davon auszugehen, daß die Bewertung der dem Forstpflanzenzuchtbetrieb dienenden Flächen nach landwirtschaftlichen Grundsätzen unzutreffend war (§ 48 des Bewertungsgesetzes - BewG -, §§ 13 Abs. 1 Ziff. 4, 26 und 27 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV- sowie die erwähnten Anordnungen der Verwaltungsbehörden). Der Umstand, daß im Streitfall die Einheitsbewertung 1935 nach dem Vorschlag des Katasteramts als der die Bewertung vorbereitenden Behörde erfolgte, schließt das Vorhandensein eines Bewertungsfehlers nicht aus. Fortschreibungen von Einheitswerten zwecks Fehlerberichtigung sind zulässig (Urteil des Reichsfinanzhofs III 303/37 vom 31. März 1938 Bd. 43 S. 325 und Urteil des Bundesfinanzhofs III 110/50 S vom 24. Januar 1952, BStBl. 1952 III S. 84). Auf die Gründe, die zu der fehlerhaften Bewertung geführt haben, kommt es nicht entscheidend an. Entgegen der Annahme des Bf. läßt der Akteninhalt übrigens auch nicht erkennen, daß sich das Finanzamt bei der Einheitsbewertung 1935 bewußt über die maßgebenden Bestimmungen hinweggesetzt habe. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Fortschreibung ist nach dem Urteil des Senats vom 7. Mai 1951 allerdings, daß es sich nicht um eine allgemeine Fortschreibung der Einheitswerte sämtlicher oder nahezu sämtlicher wirtschaftlichen Einheiten (Untereinheiten) im Bezirk einer Oberfinanzdirektion, hier der der Forstpflanzenzucht dienenden Grundstücke, handelt. Das Finanzgericht hat dies mit der Begründung verneint, daß sich die Fortschreibung nur auf vier von insgesamt 120 Fällen beziehe. Diese Begründung setzt sich nicht mit dem Vorbringen des Bf. auseinander, daß die z. Zt. im Streit befangenen vier Fälle nur Probefälle für die Fortschreibungen auch der übrigen Einheitswerte seien, und daß nach dem Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens auch die weiteren Fortschreibungen durchgeführt werden sollen. Mit dieser Behauptung deckt sich im wesentlichen auch die Erklärung des Finanzamts vom 9. März 1953 im Rechtsbeschwerdeverfahren. Liegt nur der Sachverhalt so, daß infolge genereller falscher Bewertung 1935 eine allgemeine Fortschreibung zwecks Beseitigung des Bewertungsfehlers erforderlich wäre, so kann die grundsätzlich unzulässige allgemeine Fortschreibung nicht dadurch in eine zulässige Einzelfortschreibung umgewandelt werden, daß nur einige Fälle herausgegriffen, die übrigen aber unberührt gelassen werden, obwohl auch bei ihnen die Fortschreibung wegen überschreitung der Wertgrenzen in Frage käme. Dies würde dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen. Müßte hiernach bei dem weitaus überwiegenden Teil der in Betracht kommenden wirtschaftlichen Einheiten (Untereinheiten) eine Wertfortschreibung vorgenommen werden, so wäre die Fortschreibung als allgemein im Sinne des Urteils vom 7. Mai 1951 unzulässig. Die Ausführungen des Finanzgerichts zu der Frage der Zulässigkeit der Fortschreibung reichen hiernach nicht aus, um das angefochtene Urteil zu tragen.
Auch die vom Finanzgericht in der Bewertungsfrage selbst vertretene Auffassung ist nicht bedenkenfrei. Zutreffend ist allerdings, daß der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 19. Juni 1937 und die Richtlinien für die Bewertung der Baumschul- und Forstpflanzenzuchtbetriebe auf den 1. Januar 1935 keine die Steuergerichte bindende Wirkung haben. Daraus folgt aber noch nicht, daß diese Richtlinien als unbeachtlich beiseite zu schieben sind und anstatt der vergleichenden Bewertung der Einzelertragswert zu ermitteln ist. Regelmäßig können derartige nach Beratung mit ausgewählten Sachverständigen und Berufsvertretungen zustande gekommenen Richtlinien eine wertvolle Unterlage für die Bewertung bilden. Sie dürfen nur nicht starr angewandt werden. Den besonderen örtlichen Verhältnissen muß Raum gegeben werden. Dies berücksichtigt auch der angeführte Erlaß, wenn er unter II davon spricht, daß die Richtlinien als Anhalt benutzt werden können. Die in der Rechtsbeschwerde des Finanzamts gegen die Bewertung nach dem Einzelertragswert vorgetragenen Bedenken, denen sich, soweit ersichtlich, auch der Bf. in seinem Schriftsatz vom 27. Oktober 1952 angeschlossen hat, sind daher berechtigt.
Wegen dieser Mängel war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das Finanzgericht zu weiterer Prüfung auf Grund vorstehender Ausführungen zurück. Sollte die Einheitsbewertung 1935 der Forstpflanzenzuchtbetriebe für 1935 nur in vorläufiger Form vorgenommen worden sein (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 19. Juni 1937 II und Verfügung des Oberfinanzpräsidenten vom 8. November 1935 II und III, hier das Wort "zunächst"), würden Art- und Wertfortschreibung entfallen und eine endgültige Bewertung vorzunehmen sein. Die Auffassung des Bf., daß die landwirtschaftliche Bewertung, selbst wenn sie ursprünglich vorläufig erfolgt wäre, durch die Verfügung des Oberfinanzpräsidenten vom 12. Januar 1937 endgültig gemacht worden sei, ist nicht zutreffend. Der Inhalt der Einheitswertakten läßt allerdings nicht erkennen, daß die Einheitsbewertung 1935 im Falle des Bf. s. Zt. lediglich vorläufig vorgenommen worden wäre. Gegen die Vornahme der Fortschreibung, falls sie überhaupt zulässig wäre, auf den 1. Januar 1948 bestehen in übereinstimmung mit dem Finanzgericht keine Bedenken, da insoweit die von der Fortschreibung abhängigen Steuern noch nicht verjährt sind. Schließlich besteht Veranlassung, auf die sehr erheblichen Pflanzenzukäufe des Bf. (vgl. dessen Schreiben vom 19. Mai 1950 in den Berufungsakten) hinzuweisen, die dafür sprechen, daß die Pflanzenzucht nicht als Teil eines gärtnerischen Betriebs des Bf., sondern als Betriebsgrundstück (wirtschaftliche Untereinheit) eines gewerblichen Pflanzenhandelsbetriebs des Bf. anzusehen ist (vgl. insoweit auch das Schreiben des Finanzamts vom 14. Juli 1950 an das Finanzgericht). In diesem Falle könnten sich veränderte Gesichtspunkte für die Art- und Wertfortschreibung des Grundstücks des Bf. ergeben, das möglicherweise wegen der hier vorliegenden besonderen Verhältnisse überhaupt nicht mehr als Musterfall für die übrigen Pflanzenzuchtbetriebe gelten könnte. Auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 95/35 vom 26. März 1936 (RStBl. 1936 S. 540) wird hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 407815 |
BStBl III 1954, 11 |
BFHE 1954, 250 |
BFHE 58, 250 |