Leitsatz (amtlich)
1. Kenntnis von seinem Erwerb i. S. des § 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 hat ein Testamentserbe in der Regel erst im Zeitpunkt der Eröffnung des Testaments.
2. Ein an einen bereits verstorbenen Steuerschuldner gerichteter Steuerbescheid ist auch dann unwirksam, wenn er dem Erben des Steuerschuldners bekannt wird. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe den Bescheid auf sich bezieht, ihn aus anderen Gründen anficht und die festgesetzte Steuer nach Rücknahme des Einspruchs zahlt.
2. Die Verjährung wird durch einen unwirksamen vorläufigen Steuerbescheid nicht unterbrochen.
2. Die einem unwirksamen Steuerbescheid beigefügte Zahlungsaufforderung unterbricht die Verjährung hinsichtlich des festgesetzten Betrags auch dann nicht, wenn die Zahlungsaufforderung dem Erben des ursprünglichen Steuerschuldners bekannt wird und dieser die Steuer zahlt.
2. Wird aufgrund eines unwirksamen Steuerbescheids die Steuer gezahlt, bevor die Verjährungsfrist abgelaufen ist, so ist das FA nach Ablauf der Verjährungsfrist gleichwohl an der Festsetzung dieser Steuer gehindert.
Normenkette
AO a.F. § 91; AO i.d.F. ab 1. Januar 1966 § 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a; AO i.d.F. ab 1. Januar 1966 § 145 Abs. 2 Nr. 4; AO i.d.F. ab 1. Januar 1966 § 147 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Am 28. Dezember 1972 starb A X (Erblasser). Er wurde beerbt von seiner Ehefrau B X als Vorerbin. Als Nacherben auf den Todesfall der Vorerbin hatte der Erblasser seinen Enkel eingesetzt. Der Nacherbfall trat am 24. März 1974 ein. B X ihrerseits hatte ihre Tochter, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), zu ihrer alleinigen Vorerbin eingesetzt. Die Beteiligten streiten darüber, ob die durch den Vermögensanfall an B X entstandene Erbschaftsteuer verjährt ist.
Mit Begleitschreiben vom 11. April 1974 übersandten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) die von dieser unterschriebene Erbschaftsteuererklärung. Sie wiesen darauf hin, daß sie im Auftrag der Klägerin als Alleinerbin von B X handelten.
Das FA erließ am 11. Juni 1974 einen gemäß § 100 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Steuerbescheid über 80 000 DM, den es an B X unter deren letzter Wohnanschrift richtete und den die Klägerin in dem Briefkasten des inzwischen unbewohnten Hauses vorfand.
Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin legten mit Schriftsatz vom 26. Juni 1974 namens und in Vollmacht der Klägerin, "der Alleinerbin der am 24. März 1974 verstorbenen Frau B X", Einspruch ein, den sie ausschließlich mit der Verfassungswidrigkeit des § 23 des Erbschaftsteuergesetzes 1959 (ErbStG 1959) begründeten. Zugleich beantragten sie die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und die Aussetzung der Vollziehung.
Mit Schreiben vom 1. August 1974, gerichtet an die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, setzte das FA die Vollziehung des angefochtenen vorläufigen Steuerbescheids aus. In diesem Schreiben bezeichnete das FA als Steuerpflichtige B X und nahm im übrigen auf das Einspruchsschreiben vom 26. Juni 1974 Bezug.
Durch ein an die verstorbene B X unter deren letzte Wohnanschrift gerichtetes Schreiben vom 11. Mai 1976 widerrief das FA die Aussetzung der Vollziehung unter Hinweis auf die inzwischen ergangene Entscheidung des BVerfG. Es bat zugleich um Entrichtung der rückständigen Steuer in Höhe von 80 000 DM und stellte anheim, den Einspruch gegen den vorläufigen Steuerbescheid zurückzunehmen. Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nahmen daraufhin den Einspruch "in der Sache Frau B X" zurück. Die Klägerin zahlte die angeforderten 80 000 DM.
Nach weiteren Ermittlungen erließ das FA am 24. November 1977 einen endgültigen Steuerbescheid über 90 000 DM, den es wiederum an die verstorbene B X unter deren letzter Wohnanschrift richtete. Mit Schreiben vom 16. Januar 1978 wiesen die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nochmals darauf hin, daß B X verstorben sei; der Bescheid sei deshalb an die Klägerin zu richten. Außerdem machten sie weitere Steuerschulden als Nachlaßverbindlichkeiten geltend. Vorsorglich legten sie gegen den Bescheid vom 24. November 1977 Einspruch ein.
Das FA erließ nunmehr am 2. Februar 1978 einen berichtigten endgültigen Steuerbescheid über 85 000 DM, den es an die Klägerin richtete. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und machte Verjährung der gesamten Steuerforderung geltend. Die Verjährung habe mit dem 1. Januar 1973 begonnen und sei somit mit Ablauf des 31. Dezember 1977 eingetreten. Alle vor dem 1. Januar 1978 ergangenen Bescheide seien ohne Rechtswirkung geblieben, da sie an die damals bereits verstorbene Vorerbin des Erblassers gerichtet gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, weil das FG bisher keine Feststellungen darüber getroffen hat, wann B X Kenntnis von ihrem Erwerb erlangte und wann demgemäß der Lauf der Verjährungsfrist begann (§ 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO i. d. F. ab 1. Januar 1966). Diese Frage hätte nur dann unentschieden bleiben können, wenn die Feststellungen des FG im übrigen ergäben, daß die Verjährung des strittigen Steueranspruchs auch bei Annahme eines Verjährungsbeginns auf den 1. Januar 1973 infolge Hemmung oder Unterbrechung noch nicht eingetreten sein könnte. Das ist jedoch nicht der Fall.
1. Der Senat vermag nicht der Annahme des FG zu folgen, wonach deshalb von dem Beginn der Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres 1972 auszugehen sei, weil keine Umstände erkennbar seien, nach denen B X bei Ablauf dieses Kalenderjahres noch nicht wußte, daß sie Vorerbin ihres am 28. Dezember 1972 verstorbenen Ehemannes geworden sei.
Nach § 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 begann die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem B X Kenntnis von ihrem Erwerb erlangte. Ein durch letztwillige Verfügung eingesetzter Erbe erlangt in diesem Sinne Kenntnis von dem Erwerb, wenn er zuverlässig erfahren und somit Gewißheit erlangt hat, daß der Erblasser ihn durch wirksame letztwillige Verfügung zum Erben eingesetzt hat. Angesichts der Testierfreiheit wird es regelmäßig nicht ausreichen, daß der Erbe das Vorhandensein und den Inhalt eines Testaments kennt. Er muß nach Sachlage auch davon ausgehen können, daß der Erblasser nicht zu einem späteren Zeitpunkt das Testament aufgehoben oder anderweitig testiert hat.
Angesichts der nicht ohne weiteres auszuräumenden Ungewißheit darüber, ob der Erblasser ein bekanntes Testament widerrufen oder geändert hat, wird für den Regelfall davon auszugehen sein, daß der durch ein Testament eingesetzte Erbe zuverlässige Kenntnis i. S. des § 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 erst mit der Eröffnung des Testaments erlangt (vgl. hierzu auch die Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts vom 21. Februar 1874 Rep 140/70, Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Bd. 12, S. 436, zu Teil I, Titel 9, § 384 des Preußischen Allgemeinen Landrechts, das noch keine dem § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Vorschrift kannte).
Ausnahmen von diesem Regelfall werden allerdings dann anzunehmen sein, wenn der in einem Testament bestimmte Erbe mit Sicherheit davon ausgehen konnte, daß das ihn begünstigende Testament weder geändert noch widerrufen worden ist. Dieser Fall wird z. B. dann anzunehmen sein, wenn der Erblasser erst kurz vor seinem Tode zur Niederschrift eines an das Krankenbett gerufenen Notars testiert hat und deshalb nicht mehr in der Lage war, dieses Testament noch zu widerrufen oder zu ändern. Läßt sich ein Ausnahmefall nicht nachweisen, so wird von der Regel auszugehen sein, daß eine sichere Kenntnis von dem Erbfall kraft letztwilliger Verfügung erst mit der Eröffnung des Testaments erlangt wird.
Dieses Ergebnis ist auch sinnvoll. Die Eröffnung des Testaments bringt nicht nur dem durch letztwillige Verfügung eingesetzten Erwerber sichere Kenntnis von seinem Erwerb. Sie gewährleistet durchweg auch, daß die FÄ, die die Steuer festzusetzen haben, über die Erfüllung der Anzeigepflichten (vgl. § 12 der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung - ErbStDV -) alsbald von dem Inhalt der letztwilligen Verfügung Kenntnis erhalten und so in die Lage versetzt werden, eine Steuererklärung anzufordern und die Erbschaftsteuer festzusetzen.
In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß der Erbe, solange er noch ausschlagen kann, nur vorläufiger Erbe ist (vgl. §§ 1942, 1958 BGB). Auch dieser Umstand spricht dafür, eine zuverlässige Kenntnis von dem Anfall in der Regel jedenfalls noch nicht anzunehmen, solange eine letztwillige Verfügung noch nicht eröffnet worden ist und die Frist für die Ausschlagung noch nicht begonnen hat.
Aufgabe des FG wird es nunmehr sein, festzustellen, ob B X. i. S. der vorangegangenen Ausführungen vor Ablauf des 31. Dezember 1972 zuverlässig davon Kenntnis erlangt hat, daß der Erblasser sie durch letztwillige Verfügung zur Vorerbin berufen und bis zu seinem Tode die letztwillige Verfügung vom 21. August 1969 weder widerrufen noch zu ihren Ungunsten geändert hatte. Kann sich das FG hiervon nicht überzeugen, so ist davon auszugehen, daß B X. i. S. des § 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 erst mit der Testamentseröffnung am 23. März 1973 sichere Kenntnis von ihrem Erwerb erlangt hat.
2. Diese Feststellungen wären dann entbehrlich, wenn auch im Falle des Beginns der Verjährungsfrist am 1. Januar 1973 der Steueranspruch noch nicht verjährt gewesen wäre, weil der Eintritt der Verjährung durch Maßnahmen des FA bzw. durch Zahlung in nicht rechtsverjährter Zeit verhindert worden wäre. Dies ist aber nach den vom FG getroffenen Feststellungen zu verneinen.
a) Eine Verjährung des Steueranspruchs oder eines Teils des Steueranspruchs ist nicht dadurch verhindert worden, daß das FA vor Ablauf der Verjährungsfrist die Steuerbescheide vom 11. Juni 1974 und vom 24. November 1977 erließ und damit die Erbschaftsteuer festsetzte.
Beide Bescheide sind nicht wirksam geworden, weil sie an eine nicht mehr existierende Person gerichtet waren (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. März 1970 I R 141/69, BFHE 98, 531, BStBl II 1970, 501 und vom 8. März 1979 IV R 75/76, BFHE 127, 497, 500, BStBl II 1979, 501).
Der Senat verkennt nicht, daß das FA bei Ausfertigung der genannten Bescheide sicher nicht den Willen hatte, die Bescheide an eine bereits verstorbene Person zu richten. Hätte der jeweilige Bearbeiter aufgrund der Aktenlage nicht nur gewußt, sondern wäre ihm auch jeweils bewußt gewesen, daß B X. nicht mehr lebte, so hätte er die Bescheide an deren Erbin, die Klägerin, gerichtet. Dieser Umstand berechtigt jedoch nicht dazu, lediglich eine fehlerhafte Bezeichnung des Empfängers der Bescheide anzunehmen, die jederzeit berichtigt werden könnte, und davon auszugehen, daß die Bescheide in dem Zeitpunkt wirksam geworden sind (vgl. § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -), in dem sie der materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an die Stelle der ursprünglichen Steuerschuldnerin getretenen Klägerin bekanntgeworden sind. Derartige Bescheide bleiben auch dann unwirksam, wenn sie dem Gesamtrechtsnachfolger bekannt werden. Hierin ist keine übertriebene Förmlichkeit zu sehen. Die hier vertretene Rechtsauffassung führt vielmehr dazu, daß nur solche Steuerbescheide Grundlage für die Einziehung der Steuer sein können, in denen der Steuerschuldner richtig bezeichnet ist. Dies ist ein Gebot der Rechtssicherheit.
Der unwirksame vorläufige Steuerbescheid vom 11. Juni 1974 ist nicht dadurch wirksam geworden, daß die Klägerin ihn auf sich als Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Steuerschuldnerin bezogen und die Wirksamkeit des Bescheids bis zum Ablauf der Verjährungsfrist nicht in Frage gestellt hat. War der Bescheid unwirksam, so konnte die Wirksamkeit der Steuerfestsetzung nur durch Erlaß eines neuen nunmehr an die Klägerin gerichteten Steuerbescheids erreicht werden. Dies muß auch dann gefordert werden, wenn der Gesamtrechtsnachfolger den fehlerhaften Steuerbescheid erhalten hat und zur Grundlage seines Handelns (Einlegung eines Einspruchs, Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, Rücknahme des Einspruchs, Zahlung der ausgesetzten Steuer) gemacht hat. Auch in diesem Falle kann auf die Schaffung einer einwandfreien verfahrensrechtlichen Grundlage nicht verzichtet werden.
Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß das FA 1974 einen neuen Bescheid erlassen hätte, wenn die Klägerin in irgendeiner Weise Bedenken gegen die Wirksamkeit des an B X. gerichteten Steuerbescheids geltend gemacht hätte. Daß bei rechtzeitigem Erkennen der Unwirksamkeit des vorläufigen Steuerbescheids vom 11. Juni 1974 der Erlaß eines fehlerfreien Steuerbescheids ohne weiteres möglich gewesen wäre, ändert nichts daran, daß der Fehler nach Eintritt der Verjährung nicht mehr beseitigt werden kann.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin 1978 nicht mehr das Recht hatte, die Unwirksamkeit des vorläufigen Steuerbescheids vom 11. Juni 1974 zu rügen. Dabei kann offenbleiben, unter welchen Umständen ein Verlust des Rügerechts denkbar ist (vgl. hierzu Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl., § 74 Anm. 18). Jedenfalls gibt es keine Hinweise, daß das Rügerecht verwirkt war, als die Klägerin die Unwirksamkeit u. a. des vorläufigen Steuerbescheids vom 11. Juni 1974 geltend machte.
Nach allem ist davon auszugehen, daß die Bescheide vom 11. Juni 1974 und vom 24. November 1977 unwirksam waren und daß die Klägerin berechtigt war, die Unwirksamkeit dieser Bescheide auch noch 1978 zu rügen.
b) Durch den Erlaß des unwirksamen vorläufigen Bescheids vom 11. Juni 1974 ist auch keine Anlaufhemmung i. S. des § 145 Abs. 2 Nr. 4 AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 eingetreten. Unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift im übrigen vorgelegen haben, geht der Senat davon aus, daß nur eine wirksame vorläufige Steuerfestsetzung eine Anlaufhemmung bzw. Unterbrechung der Verjährung i. S. des § 145 Abs. 2 Nr. 4 AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 hätte herbeiführen können.
c) Die Verjährung des Erbschaftsteueranspruchs ist nicht durch Zahlungsaufforderungen i. S. des § 147 Abs. 1 AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 unterbrochen worden. Da die Steuerbescheide vom 11. Juni 1974 und 24. November 1977 unwirksam waren, hatten auch die diesen Bescheiden beigefügten Zahlungsaufforderungen keine verjährungsunterbrechende Wirkung (vgl. Urteil vom 22. Mai 1974 I R 259/72, BFHE 113, 145, 148 f., BStBl II 1974, 722; BFHE 127, 497, 500, BStBl II 1979, 501). Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß die Zahlungsaufforderung der Klägerin, die die Erbschaftsteuer infolge Gesamtrechtsnachfolge schuldete, bekannt wurde, und damit für sie ersichtlich war, daß das FA den Anspruch nicht aus den Augen verloren hatte. Auch wenn es möglicherweise rechtspolitisch sinnvoll sein könnte, in derartigen Fällen, in denen kein Zweifel daran bestehen kann, daß FA den ihm bekannten Steueranspruch verfolgt und die diesbezügliche Handlung des FA dem Gesamtrechtsnachfolger des ursprünglichen Steuerschuldners, an den die Zahlungsaufforderung gerichtet war, bekannt wird, eine Verjährungsunterbrechung vorzusehen, so muß doch daran festgehalten werden, daß § 147 AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 im Gegensatz zum früher geltenden Recht in diesem Fall eine Unterbrechung der Verjährung nicht eintreten läßt. Dies folgt nach Auffassung des Senats daraus, daß nach § 147 Abs. 1 AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 nicht mehr jede Handlung des zuständigen FA die Verjährung unterbricht, wie dies vor dem 1. Januar 1966 der Fall war (vgl. zum früheren Recht das Urteil des Senats vom 21. November 1979 II R 69/76, BFHE 129, 291, BStBl II 1980, 207). Wenn ab dem 1. Januar 1966 nur noch bestimmte Handlungen des FA die Verjährung unterbrechen, so müssen nach Auffassung des Senats diese Handlungen wirksam sein. Unwirsksame Handlungen reichen auch dann nicht aus, wenn der Betroffene hiervon Kenntnis erhält und sie als gegen sich gerichtet betrachtet.
d) Eine Verjährungsunterbrechung ist auch nicht dadurch eingetreten, daß das FA durch Verfügung vom 1. August 1974 die Vollziehung des vorläufigen Steuerbescheids vom 11. Juni 1974 ausgesetzt hat. Die Aussetzungsverfügung als solche ist zwar wirksam geworden, weil durch sie die Vollziehung eines Steuerbescheids ausgesetzt wurde, der von den Beteiligten zunächst für wirksam gehalten wurde. Der Senat ist aber der Auffassung, daß eine wirksame Verfügung über die Aussetzung der Vollziehung eines unwirksamen Bescheids i. S. des § 147 Abs. 1 AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 keine verjährungsunterbrechende Wirkung haben kann.
e) Auch der Umstand, daß die Klägerin vor Ablauf der Verjährungsfrist zumindest 80 000 DM gezahlt hat, ändert nichts daran, daß die Steuer auch insoweit nicht mehr nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist festgesetzt werden durfte. Die Zahlung auf eine nicht wirksam festgesetzte Steuer hat keine Tilgungswirkung. Sie führt vielmehr zum Entstehen eines Erstattungsanspruchs i. S. des § 152 Abs. 1 AO. Der Steueranspruch verjährt mit Ablauf der Verjährungsfrist. Von diesem Zeitpunkt ab steht einer Steuerfestsetzung die Verjährung entgegen. Der Senat folgt damit im Ergebnis der Auffassung des I. Senats (vgl. BFHE 113, 145, 150, BStBl II 1974, 722).
f) Aus den Feststellungen des FG ergeben sich keine Hinweise darauf, daß eine Ablaufhemmung gemäß § 146a Abs. 3 AO i. d. F. ab 1. Januar 1966 in Betracht kommen könnte. Der Senat hat deshalb keine Veranlassung, auf diese Frage einzugehen. Er weist jedoch in diesem Zusammenhang auf sein Urteil vom 4. Februar 1981 II R 48/79 (BFHE 132, 511) hin.
Fundstellen
Haufe-Index 74210 |
BStBl II 1982, 276 |
BFHE 1981, 519 |