Leitsatz (amtlich)
Der nichtbeamtete Notar unterliegt mit den Gebühren aus dem Notariat der Umsatzsteuer.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 3; UStDB 1951 § 19 Abs. 1, 4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20, 100 Abs. 1 S. 1, Art. 123 Abs. 1, Art. 129 Abs. 3; BNotO §§ 1, 8, 19 Abs. 1, §§ 24, 38
Nachgehend
Gründe
Aus den Gründen:
B.
Die Revision, mit der Verletzung des sachlichen Rechts und Verstöße gegen das GG gerügt werden, ist nicht begründet. Der Senat stimmt den Ausführungen der Vorinstanz in allen Punkten zu. Die Einwendungen des Steuerpflichtigen vermögen am Ergebnis der Entscheidung nichts zu ändern.
I.
Umsatzbesteuerung der nichtbeamteten Notare
1. Der Steuerpflichtige hält den Notar deshalb nicht für einen Unternehmer, weil er weder ein Gewerbe noch einen freien Beruf ausübe. Es trifft zu, daß der Notar kein Gewerbetreibender ist. Dies wird in § 2 Satz 3 BNotO ausdrücklich hervorgehoben und folgt schon daraus, daß der Notar nach § 1 BNotO Träger eines öffentlichen Amtes ist. Weniger klar ist die Frage, ob der Notar den "freien Berufen" angehört. Im Hinblick auf seine Eigenschaft als Amtsträger und auf das Verbot, die Beurkundungstätigkeit zu verweigern, wird die Frage teilweise verneint (z. B. von Saage, Bundesnotarordnung, § 1 Anm. 4; Oberverwaltungsgericht - OVG - Münster, Deutsche Notarzeitung 1959 S. 435 - DNotZ 1959, 435 -). Aber auch andere natürliche Personen (z. B. Fleischbeschau-Tierärzte, Sachverständige zur Prüfung von Kfz., Chemiker für die amtlichen Nahrungsmitteluntersuchungen, Konkursverwalter, Zwangsverwalter) sind mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut und werden trotzdem zu den Angehörigen freier Berufe gezählt. Die Pflicht zur Leistungsbereitschaft besteht auch bei anderen Personen, die zweifelsfrei freiberuflich tätig sind (z. B. Ärzten, Apothekern). Zwar kommt zwischen dem Notar und den am Notariatsakt Beteiligten kein zivilrechtlicher Vertrag zustande; auch sind die Notariatsgebühren nicht frei vereinbar. Andererseits hat aber der Notar mit den freiberuflich Tätigen gemeinsam, daß er über die ihm zustehenden Gebühren im Rahmen der Kostenordnung, der Beitragsordnungen und der besonderen im Bereich der Notarkasse geltenden Regeln frei verfügen kann, selbst das Risiko für seine Tätigkeit trägt und für Amtspflichtverletzungen haftet (vgl. § 19 Abs. 1 - insbesondere Satz 4 - BNotO).
Der Begriff des "freien Berufs" ist im allgemeinen Verwaltungsrecht nicht eindeutig festgelegt. Auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts wird die selbständige Berufstätigkeit der Notare kraft gesetzlicher Vorschrift (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) der freiberuflichen Tätigkeit zugerechnet. Diese Klassifizierung ist durch § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 für die Mehrwertsteuer übernommen worden. Aber auch unter der Herrschaft des UStG 1934 wurde vom Großen Senat des RFH (Gutachten Gr. S. D 4/42 vom 24. Oktober 1942, RStBl 1942, 1057) die Tätigkeit des Notars als freiberuflich beurteilt. Auch in dem Beschluß des BVerfG 2 BvL 5/67 vom 7. Mai 1968 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 23 S. 276 - BVerfGE 23, 276 -) wird wiederholt von "freiberuflichen Notaren" gesprochen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß bei der Bestimmung des Unternehmerbegriffs in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951 nicht von einer "freiberuflichen", sondern von einer "beruflichen" Tätigkeit die Rede ist, worunter der Gesetzgeber jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (auch ohne Gewinnabsicht) versteht (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1951).
2. Es ist dem Steuerpflichtigen darin zuzustimmen, daß der Notar in mancher Hinsicht eine beamtenähnliche Position hat (besondere Vertrauensstellung im Rechtsleben, Treueverhältnis zum Staat, Bestellung auf Lebenszeit durch Aushändigung einer Urkunde, Aufsicht und Disziplinargewalt der Justizbehörden, Amtsenthebung und Amtsverlust bei bestimmten Straftaten, Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 BGB usw.). Hierauf wird bereits in dem o. a. Gutachten des Großen Senats des RFH hingewiesen. Entscheidend ist jedoch, daß der Notar seit dem Inkrafttreten der Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937 (RGBl I, 191) nicht mehr Beamter ist. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber den Notar nicht nur formal-rechtlich außerhalb des Beamtenrechts stellen. Er wollte ihn im Gegensatz zum Beamten - unter Beibehaltung mehr oder weniger starker Bindungen an die ihn beauftragende Körperschaft - beruflich verselbständigen. Von den drei Möglichkeiten der Ausgestaltung des Notariats als Behördennotariat, Beamtennotariat und freiberuflichem Notariat hat er die zuletzt erwähnte Art gewählt, weil sie am meisten der Funktion des Notars, im wesentlichen im Dienste privater Interessen tätig zu sein, entspricht. Der Steuerpflichtige weist in der Revisionsbegründung auf die Doppelstellung des Notars unter der Herrschaft des UStG 1926 und des UStG 1934 bis zum Ergehen des o. a. RFH-Gutachtens hin (steuerbare Leistungen des Notars: Erteilung von Rat und Auskunft, Abfassung von Gutachten, Entwerfen von Urkunden, Testamentsvollstreckungen und dgl.; nichtsteuerbare Leistungen des Notars: Beurkundungen, Beglaubigungen, Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden und dgl. - vgl. im einzelnen § 54 UStDB 1926). Grund für die Aufgabe dieser unterschiedlichen Behandlung der Notartätigkeit war aber weder der damals sehr hohe Geldbedarf des Staates noch ein dahin gehender Wunsch des RdF, sondern die Änderung des Status der Notare durch die Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937, die die Notare nicht in das Deutsche Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 (RGBl. I 1937, 39) einbezog, sondern ihnen die Stellung von freiberuflich Tätigen gab. Daß vor dem Inkrafttreten der Reichsnotarordnung nicht alle Notare (z. B. nicht die Notare in Thüringen und Österreich) Beamte waren, hat der RFH nicht - wie der Steuerpflichtige meint - übersehen, sondern in seinem Gutachten besonders hervorgehoben.
3. Es ist daher festzustellen, daß der Unternehmerbegriff grundsätzlich den Beruf des Notars mitumfaßt. Es fragt sich nur, ob die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 3 UStG 1951, wonach die Ausübung öffentlicher Gewalt keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ist, zum Zuge kommt. Der Begriff der "Ausübung öffentlicher Gewalt" hat im allgemeinen Verwaltungsrecht insofern eine erweiterte Bedeutung, als die hoheitliche Tätigkeit, die von Haus aus Behörden und anderen Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts zusteht, auf Rechtssubjekte des privaten Rechts delegiert werden kann. Man spricht in diesen Fällen von sogenannten "beliehenen Unternehmern" und versteht darunter Personen des Privatrechts, die kraft staatlicher Übertragung Hoheitsaufgaben im eigenen Namen wahrnehmen (vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 526).
In der Regel sind die Grundbegriffe des allgemeinen Verwaltungsrechts auch für das Steuerrecht anzuwenden. Dies gilt aber dann nicht, wenn das Steuerrecht abweichend vom allgemeinen Verwaltungsrecht eine Sonderregelung trifft. Dies ist durch § 2 Abs. 3 UStG 1951 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 und 4 UStDB 1951 geschehen. In Abs. 1 dieser Vorschrift wird bestimmt, daß der Bund, die Länder, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die Zweckverbände und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts insoweit nicht gewerblich oder beruflich tätig sind, als sie öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllen. Der Ansicht des Steuerpflichtigen, durch § 19 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 solle lediglich eine erweiterte Auslegung der öffentlichen Gewalt auf solche Aufgaben der Körperschaften des öffentlichen Rechts ermöglicht werden, bei denen die hoheitliche Natur zweifelhaft ist, kann nicht zugestimmt werden. Daß die Bestimmung eine Begriffserläuterung zu § 2 Abs. 3 UStG 1951 bezweckt, ergibt sich aus dem Klammerzusatz "Ausübung der öffentlichen Gewalt". Völlig klar wird dies durch Abs. 4 der Vorschrift, nach der die Steuerpflicht gegeben ist, wenn die der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben dienende Tätigkeit nicht vom Träger der öffentlichen Gewalt selbst, sondern von einem Unternehmer ausgeübt wird. Die Geltung nur des engeren Begriffs der Ausübung öffentlicher Gewalt für das Umsatzsteuerrecht wird auch im Gesetz selbst zum Ausdruck gebracht, nämlich durch die systematische Eingliederung der Begriffsbestimmung in § 2 UStG 1951, der insgesamt (auch in seinen Absätzen 1 und 2) vom Rechts subjekt - dem Unternehmer - handelt. Außerdem ist zu beachten, daß der Begriff "Ausübung öffentlicher Gewalt" selbst von zwei Komponenten bestimmt wird: von dem Inhalt der Hoheitsaufgaben einerseits und von den Rechtssubjekten, die diese wahrnehmen, andererseits. Wenn in § 2 Abs. 3 UStG 1951 der Begriff nicht ausdrücklich auf die Körperschaften des öffentlichen Rechts bezogen wird, so ist das darauf zurückzuführen, daß bei der Einführung dieser Vorschrift die Rechtsfigur des "beliehenen Unternehmers" in der Verwaltungsrechtslehre noch umstritten war. Jedenfalls wollte der Gesetzgeber, wie sich aus der Begründung zu § 2 UStG 1934 (RStBl 1934, 1550), in dem die Vorschrift erstmalig erschien, ergibt, nur die Ausübung öffentlicher Gewalt durch Körperschaften des öffentlichen Rechts von der Umsatzsteuer ausnehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte - wie die Begründung zum Ausdruck bringt - der Kreis der unter das Gesetz fallenden Umsätze derselbe bleiben wie zuvor. Der RFH hatte aber schon damals in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß die Ausübung öffentlicher Gewalt nur für den Bereich des Eigenlebens der Körperschaften öffentlichen Rechts keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit darstellt (vgl. Urteile V A 399/23 vom 29. Februar 1924, RStBl 1924, 166, Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Bd. 13 S. 221 - RFH 13, 221 -; V A 833/27 vom 27. April 1928, RStBl 1928, 218; V A 350/30 vom 24. Juli 1931, RFH 29, 132; V A 794/30 vom 7. August 1931, RStBl 1932, 367). Dies entspricht dem System des Umsatzsteuerrechts als allgemeiner Verbrauchsteuer, die grundsätzlich jeden Umsatz erfaßt. Ausgenommen sind nur Leistungen, die zu den Vorgängen des Privatlebens eines Unternehmers, des Eigenlebens privatrechtlicher Zusammenschlüsse und des Eigenlebens der Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören (vgl. Begründung des UStG 1934, RStBl 1934, 1550). Die nachhaltigen Leistungen einer mit Hoheitsaufgaben betrauten selbständigen Privatpersonen fallen nicht unter diese Ausnahmen.
4. Auch wenn man den für das Umsatzsteuerrecht geltenden engeren Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt nicht schon aus dem Gesetz, sondern erst aus § 19 Abs. 1 und 4 UStDB 1951 herleiten will, ändert sich an der Rechtslage nichts. Die Vorinstanz hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH (vgl. die Urteile III 70/50 S vom 16. Dezember 1950, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 55 S. 78 - BFH 55, 78 -, BStBl III 1951, 31; V 58/51 U vom 23. Oktober 1952, BFH 57, 60, BStBl III 1953, 22) unter Schilderung der Entstehungsgeschichte des § 19 Abs. 1 und 4 UStDB 1951 zutreffend dargelegt, daß diese Vorschriften mit dem GG in Einklang stehen. Die Einwendungen des Steuerpflichtigen hiergegen sind unbegründet. § 19 UStDB 1951 beruhte nicht - wie der Steuerpflichtige meint - auf der Ermächtigung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1951, sondern auf der reichsrechtlichen Ermächtigung in § 18 UStG 1934 (die im UStG verwendeten Begriffe näher zu bestimmen) und § 12 AO in der Fassung von 1934 (Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung und Ergänzung der vom Reich erlassenen Steuergesetze zu erlassen). Diese Vorschriften waren - wie das BVerfG im o. a. Beschluß 2 BvL 5/67 vom 7. Mai 1968 bestätigt hat - ausreichende Ermächtigungsgrundlagen. § 19 UStDB 1951 ist mit § 18 UStDB 1938 inhaltsgleich und wurde bis zur Außerkraftsetzung des UStG 1951 durch das Mehrwertsteuergesetz inhaltlich nicht geändert. Wenn der BdF bei der Neubekanntmachung der UStDB gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1951 in § 18 UStDB 1938 die Worte "Reich" und "Reichsgesetzblatt" durch "Bund" und "Bundesgesetzblatt" ersetzte und die NSDAP aus dem Kreis der steuerbegünstigten Körperschaften des öffentlichen Rechts strich, so handelte es sich dabei nicht um Rechtsetzung, sondern nur um die Anpassung des Wortlauts an die tatsächlichen und verfassungsrechtlichen Gegebenheiten von 1951. Eine Aufnahme der gesamten Regelung des § 18 UStDB 1938 in den Willen des nachkonstitutionellen Verordnungsgebers kann in diesem Vorgang schon deshalb nicht liegen, weil gemäß § 18 Abs. 1 UStG 1951 nur die Bundesregierung, nicht dagegen der BdF zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt war (Beschluß des BVerfG 2 BvL 5/67 vom 7. Mai 1968, a. a. O.). Außerdem hat die Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des BVerfG nur für die Frage der Zulässigkeit der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG und nur für formelle Gesetze Bedeutung (Beschluß des BVerfG 2 BvF 1/60 vom 16. Mai 1961, BVerfGE 12, 341 [353]). Danach würde auch dann, wenn der Verordnungsgeber § 19 UStDB im Jahre 1951 oder später in seinen Willen aufgenommen hätte, diese Vorschrift doch nach wie vor auf den genannten reichsrechtlichen Ermächtigungen beruhen (vgl. Beschluß des BVerfG 2 BvF 1/60 vom 16. Mai 1961, a. a. O.). Als vorkonstitutionelles Recht gilt § 18 UStDB 1938 (= § 19 UStDB 1951), soweit er dem GG - und zwar nach allgemeiner Ansicht (vgl. Maunz-Dürig, Grundgesetz, Anm. 9 zu Art. 123 GG; Beschluß des BVerfG 2 BvF 1/60 vom 16. Mai 1961, a. a. O.) den dort genannten Grundrechten - nicht widerspricht, gemäß Art. 123 Abs. 1 GG fort. Art. 129 Abs. 3 GG bewirkt nach allgemeiner Ansicht ein Erlöschen von Ermächtigungen zu gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen nur ex nunc, d. h. für die Zeit nach dem Inkrafttreten des GG (24. Mai 1949). Vorschriften, die aufgrund erloschener Ermächtigungsgrundlagen ergangen sind, bleiben weiter in Kraft (Beschluß des BVerfG 1 BvR 488/57 vom 3. Dezember 1958, BVerfGE 9, 3 [12]; Urteil des BFH V 58/51 U vom 23. Oktober 1952, BFH 57, 60, BStBl III 1953, 22; Hamann, Das Grundgesetz, Kommentar, Anm. B 12 zu Art. 129 GG). Für vorkonstitutionelles Recht ist die Art des Zustandekommens unerheblich (Maunz-Dürig, a. a. O.). Der auf dem Prinzip der Gewaltenteilung beruhende Grundsatz, daß Gesetze nur durch Gesetze erweitert oder ergänzt werden können, gilt uneingeschränkt erst für die Zeit nach dem Inkrafttreten des GG.
5. Es bleibt zu prüfen, ob die obige Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 3 UStG 1951 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 und 4 UStDB 1951 (= § 18 Abs. 1 und 4 UStDB 1938) mit den im GG statuierten Grundrechten im Einklang steht. Der Steuerpflichtige macht Bedenken hinsichtlich des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend. Dieser besagt, daß unter Ausrichtung am Gerechtigkeitsgedanken sachverhaltlich Gleiches rechtlich gleich, sachverhaltlich Ungleiches je nach seiner Eigenart rechtlich ungleich (= unterschiedlich) zu behandeln ist (vgl. u. a. Urteil des BVerfG 1 BvR 147/52 vom 17. Dezember 1953, BVerfGE 3, 58 [135 ff.]; Beschluß des BVerfG 1 BvR 154/55 vom 6. April 1955, BVerfGE 9, 124 [129]; weitere Fundstellennachweise bei Brinkmann, Grundrechts-Kommentar, Anm. I 3a zu Art. 3 GG). Bei der Einordnung der einzelnen Tatbestände in die Rechtsordnung bleibt dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum (Urteil des BVerfG 2 BvL 15, 16/61 vom 24. Juli 1962, BVerfGE 14, 221 [238]; Beschluß des BVerfG 2 BvL 2, 3, 21, 24/60, 4, 17/61 vom 11. Dezember 1962, BVerfGE 15, 201). Er darf nur nicht willkürlich vorgehen (vgl. Urteil des BVerfG 2 BvK 1/54 vom 16. März 1955, BVerfGE 4, 144 [155]; Beschluß des BVerfG 2 BvL 10/59 vom 16. Juni 1959, BVerfGE 9, 334 [337]; Beschluß des BGH V BLw 47/58 vom 5. Mai 1959, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 30 S. 52 - BGHZ 30, 52 -). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt (Beschluß des BVerfG 2 BvL 10/59 vom 16. Juni 1959, a. a. O.).
Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ist festzustellen, daß durch die Besteuerung der Leistungen der Notare und die Nichtbesteuerung gleichartiger Leistungen der Amtsgerichte der Gleichheitssatz nicht verletzt wird. Ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender Grund liegt schon im Sinn und Zweck der Umsatzbesteuerung. Die Umsatzsteuer knüpft ihrem Wesen nach an Vorgänge des privatwirtschaftlichen Rechtsverkehrs an. Rechtssubjekte des Privatrechts und des öffentlichen Rechts müssen gleichmäßig zur Umsatzsteuer herangezogen werden, wenn sie sich am privatwirtschaftlichen Rechtsverkehr beteiligen. Wird aber ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts (z. B. ein Amtsgericht) auf dem ihm zugewiesenen Hoheitsgebiet (z. B. auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit) tätig, so würde es dem Sinn und Zweck sowie dem Wesen der Umsatzbesteuerung widersprechen, seine Leistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Denn das sogenannte Eigenleben der Körperschaften öffentlichen Rechts und das Privatleben der natürlichen Personen sind von der Umsatzsteuer entsprechend der Natur dieser Steuer ausgeschlossen.
Es würde im Gegenteil dem Gleichheitssatz zuwiderlaufen, wollte man die Notare, die Rechtspersonen des Privatrechts sind, umsatzsteuerrechtlich anders behandeln als andere Rechtspersonen des Privatrechts, z. B. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und dgl., obwohl sie wie diese am privatwirtschaftlichen Rechtsverkehr teilnehmen, ein Unternehmerrisiko tragen und über die ihnen zufließenden Gebühren (im Rahmen der geltenden Vorschriften) frei verfügen können.
Weitere sachliche Unterschiede gegenüber den Amtsgerichten liegen darin, daß den Notaren Aufgaben auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit obliegen, für die die Amtsgerichte nicht oder nur in beschränktem Umfange in Betracht kommen, so z. B. die Betreuung der Beteiligten auf dem Sektor der vorbeugenden Rechtspflege (vgl. § 24 BNotO) und ihre Vertretung vor den Behörden und Gerichten bis in die obersten Instanzen (vgl. § 29 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 80 der Grundbuchordnung). Hierdurch und durch die bereits vom FG erwähnte Freibetragsregelung des § 7a UStG 1951, nach der in vielen Fällen Umsatzsteuer nicht zu erheben ist, obwohl sie dem Klienten in Rechnung gestellt und von ihm an den Notar abgeführt wird, werden die Nachteile der Besteuerung der Notare gegenüber der Nichtbesteuerung der Amtsgerichte weitgehend wettgemacht. Im übrigen räumt der Steuerpflichtige selbst ein, daß es einen verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Chancengleichheit - von Teilgebieten (z. B. für politische Parteien und für die Ablegung von Prüfungen) abgesehen - nicht gibt.
Schließlich erscheint es überhaupt problematisch, im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG den Notar mit dem Amtsgericht zu vergleichen; denn der Gleichheitssatz gebietet nur, alle Menschen vor dem Gesetz als gleich zu behandeln (Beschluß des BVerfG 1 BvR 580/53 vom 8. Juni 1960, BVerfGE 11, 192 [203]).
6. Die Heranziehung der Einnahmen aus dem Notariat zur Umsatzsteuer verstößt auch nicht gegen das Gebot der sozialen Gerechtigkeit (Art. 20 GG). Das in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht des Menschen auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, worunter hauptsächlich die Handlungsfreiheit zu verstehen ist (vgl. Maunz-Dürig, a. a. O., Anm. 9 und 11 zu Art. 2 Abs. 1 GG) besteht nur in den Grenzen der "verfassungsmäßigen Ordnung". Die Handlungsfreiheit des einzelnen findet u. a. ihre Schranken in dem Recht des Staates, Steuern zu erheben und die Rechte und Pflichten eines Berufsstandes entsprechend den Bedürfnissen der Allgemeinheit einzuschränken oder zu erweitern. Die Pflicht zur ständigen Dienstbereitschaft (§ 38 BNotO) teilt der Notar mit Angehörigen anderer Berufe (z. B. dem Arzt). Die Übernahme anderer Tätigkeiten zum Broterwerb ist nur in den in § 8 BNotO genannten Fällen versagt (persönliche Ausübung eines besoldeten Amtes) bzw. an die Genehmigung der Aufsichtsbehörde geknüpft (Übernahme einer entgeltlichen Nebenbeschäftigung, insbesondere einer gewerblichen Tätigkeit; Eintritt in den Vorstand usw. eines wirtschaftlichen Unternehmens). Der Notar, der zugleich als Rechtsanwalt zugelassen ist (Notaranwalt), kann sich - soweit seine Amtsgeschäfte als Notar hierdurch nicht beeinflußt werden - unbeschränkt den Anwaltsgeschäften widmen. Der Spielraum, der dem Notar innerhalb und außerhalb des Notariats verbleibt, ist beträchtlich. Seine Verdienstmöglichkeiten sind so bemessen, daß es der Befreiung von der Umsatzsteuer nicht bedarf, um das soziale Gleichgewicht des Notarberufs im Verhältnis zu anderen Berufen herzustellen.
7. Der Anregung des Steuerpflichtigen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, vermag der Senat nicht zu entsprechen. Die Frage, ob § 19 UStDB 1951 wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 3 UStG 1934 gesetzwidrig oder wegen Verletzung von Art. 3 Abs. 1 oder andere Vorschriften des GG verfassungswidrig ist, kann dem BVerfG im Verfahren der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht zur Entscheidung vorgelegt werden (Beschluß des BVerfG 2 BvL 5/67 vom 7. Mai 1968, BVerfGE 23, 276). Gegenstand der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG können nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG nur Gesetze im formellen Sinne sein (Beschluß des BVerfG 2 BvL 26/63 vom 4. Februar 1964, BVerfGE 17, 208 [209 f.]), und auch sie nur insoweit, als sie nach dem Inkrafttreten des GG verkündet worden sind (Beschluß des BVerfG 2 BvL 1 und 2/64 vom 10. November 1964, BVerfGE 18, 216 [219 f.]). Bei § 19 UStDB 1951 handelt es sich dagegen - wie oben dargelegt - um eine vorkonstitutionelle Rechtsverordnung. Über die Gültigkeit dieser Norm hatte daher das erkennende Gericht in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.
II.
Umsatzbesteuerung der Rechtsanwälte
Zur Frage der Heranziehung der Leistungen der Rechtsanwälte zur Umsatzsteuer hat der Steuerpflichtige im Revisionsverfahren keine Ausführungen gemacht. Der Senat hat die Frage von Amts wegen geprüft. Er schließt sich in vollem Umfange den Darlegungen der Vorinstanz an.
Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1971, 281 |
BFHE 1971, 318 |
DNotZ 1971, 560 |