Leitsatz (amtlich)
Eine von einem gemeinnützigen Blindenverein Blinden und deren Familienangehörigen bis zu einem Monat unentgeltlich zur Erholung zur Verfügung gestellte Ferienwohnung ist Erholungsheim im Sinne der Ziffer 3 des § 4 Abs. 1 Nr. 5 des schleswig-holsteinischen Grunderwerbsteuergesetzes.
Normenkette
Schlesw.-holst.GrEStG § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c
Tatbestand
Die Klägerin ist eine gemeinnützige rechtsfähige Stiftung zur Betreuung Blinder. Sie hat vier Eigentumswohnungen in ... gekauft, um sie mit voller Einrichtung Blinden zum Ferienaufenthalt und zur Erholung unentgeltlich bis zur Dauer eines Monats zur Verfügung zu stellen. Die auf Vorschlag von Blindenvereinen ausgewählten Benutzer der Ferienwohnungen sollten von sehenden Familienangehörigen begleitet werden und sich selbst versorgen.
Der Rechtsstreit betrifft die Grunderwerbsteuerfestsetzung für den Erwerb einer dieser Wohnungen. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Mit der Revision rügt die Klägerin Nichtanwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Ziffer 3 des Grunderwerbsteuergesetzes in der schleswig-holsteinischen Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1967 (GVBl 1967, 20) und des Änderungsgesetzes vom 25. März 1970 (GVBl 1970, 86) - schlesw.-holst.GrEStG -; sie hält ein Erholungsheim im Sinne dieser Vorschrift für gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Der Erwerb der Klägerin unterlag der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 schlesw.-holst.GrEStG; er war von dieser gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 schlesw.-holst.GrEStG befreit.
Die Klägerin erfüllt die persönlichen Voraussetzungen des Buchstaben c dieser Vorschrift; sie ist eine inländische Körperschaft, die nach der Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient.
Den Grundstückserwerb einer solchen Körperschaft nimmt Ziffer 3 des § 4 Abs. 1 Nr. 5 schlesw.-holst.GrEStG von der Besteuerung aus, wenn auf dem Grundstück eine Krankenanstalt, ein Alters- oder Pflegeheim, ein Rentnerwohnheim, ein Entbindungsheim, ein Jugendheim, ein Kindertagesheim, ein Erholungsheim, ein Freizeitheim, ein Kinderspielplatz, eine Sportanlage, ein Frei- oder Hallenbad oder eine öffentliche Bücherei errichtet oder betrieben werden soll. Die von der Klägerin gekaufte Eigentumswohnung ist zur Verwendung als Erholungsheim im Sinne dieser Vorschrift bestimmt.
Das mit dem Wort "Heimat" stammverwandte Wort "Heim" hat in Wortverbindungen des neueren Sprachgebrauchs eine erhebliche Ausweitung erfahren. Für solche Wortverbindungen ist es nicht mehr begriffsnotwendig, daß das "Heim" - wie etwa das "Familienheim" oder "Eigenheim". aber auch das "Altersheim" oder "Pflegeheim" - den dauernden Mittelpunkt des Lebens bildet. In anderen Wortverbindungen ist für "Heime" eine besondere Pflege oder Fürsorge charakteristisch, so für Entbindungsheime und für Kindertagesheime, aber auch für die bereits erwähnten Alters- und Pflegeheime. Weder das eine noch das andere Merkmal ist aber für "Jugendheime" und "Freizeitheime" begriffsnotwendig. Mögen diese auch durch das Zusammensein mehrerer in einer - unter Umständen nur losen - Gemeinschaft charakterisiert werden, so zeigt sich doch allein schon an diesen dem Text der maßgebenden Vorschrift selbst entnommenen Beispielen, daß mindestens drei voneinander unabhängige Begriffsmerkmale alternativ zur Wahl gestellt werden müßten, wenn dem Wortteil "Heim" für sich allein eine weitergehende Einschränkung als die eines zum Aufenthalt von Menschen bestimmten und geeigneten Raumes entnommen werden sollte. Jedes dieser drei Merkmale versagt aber gegenüber dem Ausdruck "Übernachtungsheim". der zwar nicht in § 4 Abs. 1 Nr. 5 schlesw.-holst.GrEStG enthalten, im allgemeinen Sprachgebrauch aber durchaus geläufig ist.
Die Aufzählung der Ziffer 3 kann in ihrem Zusammenhang zwar nicht nur als eine beispielhafte verstanden werden, die beliebiger Ausdehnung zugänglich wäre. Eine kasuistische Auslegung, bei der die begrifflich denkbaren Zwischenräume etwa zwischen Krankenanstalten und Erholungsheimen, Kinderspielplätzen und Kindertagesheimen, Freizeitheimen und Jugendheimen oder Altersheimen und Rentnerwohnheimen nicht ausgefüllt wären, würde aber den Sinn der Vorschrift im ganzen verfehlen. Dieser ist einer Zusammenschau der in den Buchstaben a bis c gestellten persönlichen Anforderungen und der Zweckmerkmale der Ziffern 1 bis 3 zu entnehmen.
§ 4 Abs. 1 Nr. 5 schlesw.-holst.GrEStG begünstigt nach näherer Maßgabe seiner Tatbestände Grundstückserwerbe zu gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken, wie sie in §§ 17 bis 19 StAnpG beschrieben sind, durch besonders qualifizierte Erwerber. Diese Qualifikation wird für juristische Personen des öffentlichen Rechts (Buchstabe a) und Religionsgesellschaften (Buchstabe b) generell unterstellt, für andere juristische Personen speziell gefordert (Buchstabe c). Diese in Buchstabe c gestellten persönlichen Anforderungen entsprechen denen der §§ 17, 18 StAnpG; Zweckverwendung und Zweckträger sind also insoweit gekoppelt. Das bedeutet zwar nicht, daß jeder Erwerb, der einem gemeinnützigen oder mildtätigen Zweck dient, befreit wäre, oder daß auf das Erfordernis einer unmittelbaren Verwendung des erworbenen Grundstücks zu einem der begünstigten Zwekke verzichtet werden dürfte. Wohl aber ergibt sich aus der beiderseitigen Bezugnahme auf gemeinnützige und mildtätige Zwecke der in §§ 17, 18 StAnpG beschriebenen Art, daß verbal offene Begriffe nach dem Sinngehalt dieses Begriffskreises auszufüllen sind, auch wenn die genannten Vorschriften nicht unmittelbar in Bezug genommen sind.
Prägt demnach der Gedanke der Gemeinnützigkeit auch die Begriffsinhalte der Ziffer 3, so können zwar nur "steuerlich unschädliche" Zielsetzungen (vgl. §§ 5, 7 GemV) die grunderwerbsteuerrechtliche Begriffsbildung nicht beeinflussen, wohl aber solche, die das zentrale Anliegen der Körperschaft sind und denen sie das Prädikat der Gemeinnützigkeit verdankt. Zu diesen zählen die "Einrichtungen, die von einem Blindenverein zur Durchführung der Blindenfürsorge unterhalten werden". Sie sind zwar in § 9 Abs. 1 Nr. 4 GemV (nur) den "steuerlich unschädlichen Geschäftsbetrieben (§ 7)" zugerechnet, aber nur deshalb, weil sie zum Teil wirtschaftliche Geschäftsbetriebe im Sinne des § 6 GemV sind. Das ist aber kein Ausschlußmerkmal der Ziffer 3 des § 4 Abs. 1 Nr. 5 schlesw.-holst.GrEStG; sie nennt ausdrücklich Krankenanstalten (vgl. § 10 GemV), Alters- und Pflegeheime (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GemV), vor allem auch die nicht nur im steuerrechtlichen, sondern auch im gemeinsprachlichen Sinn zweifellos gewerblichen Frei- und Hallenbäder. Reicht die durch § 4 Abs. 1 Nr. 5 schlesw.-holst.GrEStG begünstigte Gemeinnützigkeit so weit, kann sie in den Grenzen möglicher Tatbestandsauslegung nicht vor den mildtätigen Zwecken des § 18 StAnpG haltmachen.
Die Blindenfürsorge unterscheidet sich von der Mehrzahl anderer im Sinne des § 18 StAnpG mildtätiger Zwecke darin, daß sich unter den Betreuten zwar auch Kranke, Gebrechliche und Arme befinden, der betreute Personenkreis im ganzen aber nicht aus Personen besteht, die krank oder gebrechlich sind oder wegen ihrer geistigen Beschaffenheit oder ihrer wirtschaftlichen Lage der Hilfe bedürfen (vgl. § 18 Abs. 2 StAnpG). Eher mag man das Kennzeichen der Blindenfürsorge darin sehen, daß sie - obschon unter § 18 Abs. 2 StAnpG fallend - in Annäherung an die Gemeinnützigkeit des § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG regelmäßig gesunden Menschen zuteil wird. Zwangsläufig ändert sich dadurch der Charakter der gebotenen - und als im Zweck liegend begünstigten - Hilfsmaßnahmen; sie bewegen sich zu einem nicht unerheblichen Teil in Bereichen, die für andere Menschen dem allgemeinen Geschehen des Lebens zugehören.
Unter diesen Gesichtspunkten ist auch einer Ferienwohnung, die Blinden und ihrer Familie bis zur Dauer eines Monats unentgeltlich zur Erholung zur Verfügung gestellt wird, das Merkmal eines Erholungsheimes im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Ziffer 3 schlesw.-holst.GrEStG zuzuerkennen. Denn sie dient ebenso wie ein anstaltsmäßig betriebenes Erholungsheim der Erholung; den durch die Befreiungsvorschrift begünstigten Zwecken wäre nicht dadurch gedient, daß trotz der besonderen Voraussetzungen der Blindenfürsorge ein anstaltsmäßiger Betrieb verlangt würde.
Fundstellen
Haufe-Index 71787 |
BStBl II 1976, 301 |
BFHE 1976, 93 |