Leitsatz (amtlich)
An der bisherigen Rechtsprechung, wonach Mehraufwendungen für Verpflegung wegen regelmäßig mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung bei selbständig Tätigen (Gewerbetreibenden; freien Berufen) nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden können (BFH-Urteile vom 8. Juni 1972 IV R 130/71, BFHE 106, 300, BStBl II 1972, 855, und vom 1. Februar 1973 I R 95/71, BFHE 108, 351, BStBl II 1973, 306), hält der Senat auch für die Fälle fest, in denen die tatsächliche Gestaltung der Berufsausübung der eines Arbeitnehmers ähnlich ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1966, ob ein Gewerbetreibender einen Verpflegungsmehraufwand wegen mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung als Betriebsausgaben absetzen kann.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr Pächter einer Tankstelle. Die Entfernung zu seiner Wohnung betrug etwa 6 km. Er hielt die Tankstelle, einer mündlichen Vereinbarung mit der Mineralölgesellschaft entsprechend, an jedem Werktag in der Zeit von 7 Uhr bis 19 Uhr offen. Mit Ausnahme einer an Samstagen als Wagenpfleger tätigen Aushilfe hatte er keine Angestellten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es auch in der Einspruchsentscheidung ab, vom Kläger geltend gemachte Mehrkosten für Verpflegung von täglich 2,50 DM für 240 Tage im Jahr, insgesamt 600 DM, als Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen.
Die Klage hatte Erfolg. Zwar seien Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Ernährung und Verpflegung, so führt das FG aus, als Kosten der Lebensführung grundsätzlich nicht abzugsfähig; in Ausnahmefällen könnten Aufwendungen dieser Art jedoch als Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigt werden, wenn sie ausschließlich oder weitaus überwiegend durch den Beruf oder den Betrieb des Steuerpflichtigen veranlaßt seien. Das gelte sowohl für Arbeitnehmer wie auch für selbständig Tätige. Allerdings sei bei selbständigen Unternehmern, da sie in der Gestaltung ihrer betrieblichen Verhältnisse regelmäßig frei seien, eine strenge Prüfung erforderlich, ob sie infolge der Eigenart ihrer beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit ausnahmsweise zur Einnahme von Mahlzeiten außerhalb ihres Haushaltes oder ihres üblichen Eßlokals gezwungen seien. Ein solcher Fall liege hier vor. Der Kläger sei zwar als Tankstellenpächter und Handelsvertreter selbständiger Gewerbetreibender. Im Verhältnis zu seiner Auftraggeberin, der Mineralölgesellschaft, befinde er sich jedoch wirtschaftlich in einer starken Abhängigkeit. So habe er der Verpflichtung nachkommen müssen, seine Tankstelle an Werktagen stets volle 12 Stunden offen zu halten. Während dieser Zeit sei er stets regelmäßig persönlich an der Tankstelle anwesend gewesen, da Personal zu seiner Vertretung nicht zur Verfügung gestanden habe. Er sei daher nicht in der Lage gewesen, seine Arbeitszeit wie ein anderer Selbständiger nach seinem Ermessen und Gutdünken zu gestalten. Die danach durch die betriebliche Tätigkeit des Klägers unmittelbar veranlaßten Mehraufwendungen für Verpflegung seien mit 2,50 DM pro Tag zu schätzen und als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassenen Revision verweist das FA insbesondere auf die Entscheidungen des BFH vom 8. Juni 1972 IV R 130/71 (BFHE 106, 300, BStBl II 1972, 855), und vom 1. Februar 1973 I R 95/71 (BFHE 108, 351, BStBl II 1973, 306), wonach Mehraufwendungen für Verpflegung wegen mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung bei selbständig Tätigen keine Betriebsausgaben sind.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sind die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, nicht als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Dies bedeutet, wie der Große Senat des BFH (Beschlüsse vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 und GrS 3/70, BFHE 100, 309 und 317, BStBl II 1971, 17 und 21) ausgeführt hat, ein Verbot, einheitliche Aufwendungen, die sowohl durch die Lebensführung als auch durch den Beruf veranlaßt sind, aufzuteilen. Das hat zur Folge, daß diese Aufwendungen in ihrer Gesamtheit vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen sind, es sei denn, daß die Förderung des Berufs bei weitem überwiegt oder daß ein objektiver, zuverlässiger, leicht feststellbarer und nachprüfbarer Maßstab für die Aufteilung gegeben ist.
Die Aufwendungen des Klägers für Ernährung fallen unter dieses gesetzliche Aufteilungs- und Abzugsverbot. Sie sind weder in ihrer Gesamtheit ausschließlich oder weit überwiegend durch den Beruf des Klägers veranlaßt - was nach der Rechtsprechung bei Dienst- und Geschäftsreisen der Fall wäre (vgl. BFH-Urteile vom 15. November 1956 IV 354/55 U, BFHE 64, 257, BStBl III 1957, 99, und vom 27. November 1970 IV 168/64, BFHE 100, 528, BStBl II 1971, 103) - noch besteht für die Ermittlung der Höhe der vom Kläger als beruflich bedingt geltend gemachten Mehraufwendungen em objektiver, zuverlässiger und leicht nachprüfbarer Maßstab. Zwar hat der BFH in ständiger Rechtsprechung zugelassen, daß Arbeitnehmer, die ausschließlich oder überwiegend beruflich bedingt regelmäßig pro Tag mehr als 12 Stunden von zu Hause abwesend sind, einen pauschal angesetzten Betrag für Verpflegungsmehraufwand bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten abziehen können (vgl. Urteile vom 17. November 1950 IV 104/50 U, BFHE 55, 14, BStBl III 1951, 6; vom 17. September 1953 IV 119/53 U, BFHE 58, 81, BStBl III 1953, 322; vom 24. Juni 1966 VI 231/64, BFHE 86, 574, BStBl III 1966, 608; vom 4. August 1967 VI R 322/66, BFHE 90, 23, BStBl III 1967, 782; vom 9. November 1971 VI R 283/70, BFHE 103, 512, BStBl II 1972, 145). In der Entscheidung IV R 130/71, der sich der I. Senat des BFH im Urteil I R 95/71 angeschlossen hat (vgl. auch Urteile IV 168/64 und vom 9. Oktober 1974 I R 128/73, BFHE 114, 47, BStBl II 1975, 203), hat es der erkennende Senat jedoch ausdrücklich abgelehnt, diesen für Arbeitnehmer entwickelten Grundsatz (Abzugsfähigkeit einer Pauschale für Mehrverpflegungsaufwand bei übermäßig langer Abwesenheit von zu Hause) bei selbständig Tätigen (Freiberuflern, Gewerbetreibenden) anzuwenden. Daran hält der Senat fest.
Es ist dem Kläger allerdings beizupflichten, daß seine berufliche Stellung - wie das FG ausgeführt hat - in der äußeren Gestaltung der eines Arbeitnehmers stark angenähert ist. Auf diese äußere Ähnlichkeit kommt es jedoch für die Entscheidung nicht an. Der erkennende Senat hat im Urteil IV R 130/71 ausgeführt, daß bei Freiberuflern und Gewerbetreibenden generell anders gelagerte Umstände vorlägen, die eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern verböten. Das muß auch für die Fälle gelten, in denen die tatsächliche Gestaltung der Berufsausübung der eines Arbeitnehmers ähnlich ist. Denn entscheidend ist, daß die als beruflich bedingt geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung dem gesetzlichen Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unterliegen, weil sie nicht nach einem objektiven, zuverlässigen und leicht nachprüfbaren Maßstab festgestellt, sondern im Weg einer griffweisen Schätzung ermittelt worden sind und auch nur in dieser Weise ermittelt werden können. Ob bei Arbeitnehmern etwas anderes gilt, etwa unter dem Gesichtspunkt, an der jahrzehntelang bestehenden Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit festzuhalten (vgl. GrS 2/70), hat der Senat nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 71795 |
BStBl II 1976, 323 |
BFHE 1976, 173 |