Leitsatz (amtlich)
Ein Schuldenabzug für Preisrückgewähr wegen Überschreitung des preisrechtlich zulässigen Höchstpreises bei öffentlichen Aufträgen ist für Feststellungszeitpunkte nicht anzuerkennen, an denen das wirtschaftliche Ergebnis der Preisüberschreitung noch besteht. § 5 Abs. 5 StAnpG ist auf laufend veranlagte Steuern, für die das Stichtagsprinzip gilt, nicht anwendbar.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62; StAnpG § 5 Abs. 3, 5
Tatbestand
Die Revisionsklägerin übernahm im wesentlichen die Aktiven und Passiven einer anderen GmbH, deren Unternehmen sie praktisch fortführte. Das FA (Revisionsbeklagter) stellte zum 1. Januar 1962 durch Nachfeststellung den Einheitswert für das Betriebsvermögen der Revisionsklägerin fest. Es behandelte die von der Revisionsklägerin geltend gemachte Rückstellung für Preisrückgewähr nicht als Schuld und erhöhte das Vermögen um diese Rückstellung. Diese Rückstellung beruht auf Zulieferungen der Rechtsvorgängerin der Revisionsklägerin an die X-Werke, die für einen öffentlichen Auftrag der X-Werke bestimmt waren. Auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers haben die X-Werke die Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 - im folgenden VO PR 30/53 - (Bundesanzeiger Nr. 244 vom 18. Dezember 1953) und die Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (im folgenden LSP) zum Vertragsinhalt gemacht. Die Revisionsklägerin machte geltend, daß die Preisberechnungen für die Zulieferungen ihrer Rechtsvorgängerin an die X-Werke danach überhöht seien. Aus diesem Grund müßte sie mit einer Preisrückgewähr rechnen.
Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Schulden könnten bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nur dann berücksichtigt werden, wenn sie am maßgebenden Stichtag rechtlich bestanden hätten und ernstlich mit ihrer Geltendmachung zu rechnen sei. Gewährleistungsverbindlichkeiten aus mangelhaften Lieferungen habe die Rechtsprechung für den Regelfall nur insoweit als abzugsfähige Schulden anerkannt, als der Abnehmer bis zum Bewertungsstichtag Ansprüche geltend gemacht habe. Die von der Revisionsklägerin geltend gemachte Rückstellung für Preisrückgewähr sei in gleicher Weise zu behandeln wie Gewährleistungsansprüche. Da die X-Werke den Unterschiedsbetrag zwischen dem von ihr mit dem öffentlichen Auftraggeber vereinbarten Preis und dem von der Rechtsvorgängerin der Revisionsklägerin für die Zulieferungen geltend gemachten Preis noch nicht angefordert hätten und die Revisionsklägerin auch von sich aus die Zahlung nicht angeboten habe, sei ein Schuldenabzug wegen der Verbindlichkeit gegenüber den X-Werken nicht zulässig.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wird mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung materiellen Rechts gerügt.
Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, daß die Rechtsprechung über den Schuldenabzug auf Grund von Gewährleistungsansprüchen und Haftungsansprüchen, insbesondere das Urteil des BFH III 345/57 S vom 8. Januar 1960 (BFH 70, 222, BStBl III 1960, 83) auf ihren Fall nicht anzuwenden sei, weil es sich bei der Verpflichtung zur Rückgewährung des überhöhten Preisanteils nicht um eine Schuld handle, die qualitativ mit einer Gewährleistungsverpflichtung oder mit einer Haftungsverpflichtung vergleichbar sei. Der Rückgewähranspruch ergebe sich vielmehr aus den preisrechtlichen Vorschriften; insoweit sei die Revisionsklägerin einer preisrechtlichen Prüfung unterworfen. Im übrigen beruhe die Feststellung des FG, die Revisionsklägerin habe am maßgebenden Feststellungszeitpunkt nicht ernstlich damit rechnen müssen, daß der Anspruch geltend gemacht werde, auf mangelnder Sachaufklärung. Sie habe wiederholt dargelegt, daß sie auf Grund der Anwendung der Preisvorschriften mit einer preisrechtlichen Prüfung habe rechnen müssen, die zu dem Ergebnis führen mußte, daß die von ihrer Rechtsvorgängerin gegenüber den X-Werken in Rechnung gestellten Preise um rd. ... DM über dem nach der VO PR 30/53 und den LSP zulässigen Preisen gelegen hätten. Schließlich habe sie auf Grund einer in späteren Jahren durchgeführten Prüfung auch einen Betrag in Höhe von rd. 6/7 der begehrten Rückstellung an die X-Werke zurückbezahlt.
Das FA hält das Urteil des FG sachlich für zutreffend. Es ist der Meinung, daß die Vorinstanz ihre Aufklärungspflicht nicht verletzt habe, denn die von der Revisionsklägerin vorgetragenen Tatsachen, die im übrigen teilweise nach dem Feststellungszeitpunkt lägen und sich teils als im Revisionsverfahren unzulässiges neues tatsächliches Vorbringen darstellten, seien nicht entscheidungserheblich. Es beantragt die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Für die Entscheidung kann es dahingestellt bleiben, ob die Verpflichtung zur Rückgewähr eines Teils des vereinnahmten Preises für die Lieferung der Rechtsvorgängerin der Revisionsklägerin an die X-Werke darauf beruht, daß die VO PR 30/53 von Gesetzes wegen oder auf Grund vertraglicher Vereinbarung anzuwenden ist. Fest steht, daß nur die Verletzung preisrechtlicher Vorschriften die bürgerlich-rechtliche Rechtsgrundlage für den Rückgewähranspruch sein kann (§ 134 BGB). Es kann auch weiter dahingestellt bleiben, ob auf einen Anspruch auf Preisrückgewähr die Rechtsprechung des Senats über den Schuldenabzug für Gewährleistungsansprüche und Haftungsansprüche, insbesondere das Urteil III 345/57 S (a. a. O.) anwendbar ist; denn die Entscheidung des FG entspricht aus anderen Erwägungen dem geltenden Recht. Das FG hat nicht seine Aufklärungspflicht verletzt. Selbst wenn man unterstellt, daß die Revisionsklägerin am maßgebenden Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1962 mit der Rückforderung eines Teils des vereinnahmten Preises rechnen mußte, so führt das im Endergebnis nicht dazu, daß sie zu diesem Feststellungszeitpunkt einen Schuldenabzug wegen Preisrückgewähr geltend machen kann.
Der von der Revisionsklägerin beanspruchte Schuldenabzug beruht auf einer Verletzung der VO PR 30/53. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 11 S. 90 [95]) führt bei Gütern, die Gegenstände des regelmäßigen Handelsverkehrs sind, die Überschreitung des preisrechtlich zulässigen Höchstpreises nicht zur Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts; das Rechtsgeschäft wird vielmehr zu den preisrechtlich zulässigen Bedingungen aufrechterhalten. Das bedeutet, daß nur eine Teilnichtigkeit in Höhe des Forderungsbetrags gegeben ist, der den preisrechtlich zulässigen Höchstpreis überschreitet (§ 134 BGB).
Nach § 5 Abs. 3 StAnpG ist die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts insoweit und solange ohne Bedeutung, als die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts bestehen lassen. Gleiches gilt auch für die Teilnichtigkeit. § 5 Abs. 3 StAnpG ist, wie sich aus Abs. 2 dieser Vorschrift ergibt, nicht nur auf die ausdrücklich aufgeführten, sondern auf alle Fälle der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit anzuwenden (BFH-Urteil III 89/52 U vom 26. März 1954, BFH 58, 648, BStBl III 1954, 159). Nach den unwidersprochenen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 FGO), haben am maßgebenden Feststellungszeitpunkt weder die X-Werke den Vollzug der Preisrückgewähr gefordert noch die Revisionsklägerin ihn angeboten. Damit war am 1. Januar 1962 die von der Rechtsvorgängerin der Revisionsklägerin geltend gemachte und vereinnahmte Forderung für die Besteuerung als rechtmäßig zu betrachten. Zwar sieht § 5 Abs. 5 StAnpG vor, daß Steuerfestsetzungen und Steuerfeststellungen zu ändern sind, wenn das wirtschaftliche Ergebnis eines nichtigen Rechtsgeschäfts nachträglich wieder beseitigt wird. Diese Vorschrift ist jedoch nicht auf laufend veranlagte Steuern anzuwenden, für die das Stichtagsprinzip gilt. Dies ergibt sich zunächst daraus, daß nach § 5 Abs. 3 StAnpG für die Besteuerung von dem nichtigen Rechtsgeschäft auszugehen ist, "so lange" die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis bestehen lassen. Für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens bedeutet das, daß die Wirkung eines nichtigen Rechtsgeschäfts bis zu dem Zeitpunkt als fortbestehend zu betrachten ist, in dem die Nichtigkeit geltend gemacht wird. Erst von diesem Zeitpunkt an ändert sich die steuerliche Rechtslage, aber eine solche Änderung hat bewertungsrechtlich keine rückwirkende Kraft (Urteil des RFH III A 226/35 vom 9. Januar 1936, RStBl 1936, 116, und ihm folgend BFH-Urteil I 154/58 U vom 17. Februar 1959, BFH 68, 658, BStBl III 1959, 250). Auf demselben Rechtsgedanken beruhen auch die Vorschriften der §§ 5 Abs. 2 und 7 Abs. 2 BewG, nach denen bei Eintritt einer auflösenden Bedingung nur die nicht laufend veranlagten Steuern berichtigt werden können. Weiterhin werden die vom Einheitswert abhängigen Steuern auch nicht "auf Grund" des nichtigen Rechtsgeschäfts festgesetzt. Denn das nichtige Rechtsgeschäft ist nicht Ursache für die Einheitsbewertung und die Festsetzung der darauf beruhenden Steuern, sondern es ist bei der Einheitsbewertung lediglich maßgebend, ob die Beteiligten am maßgebenden Feststellungszeitpunkt das wirtschaftliche Ergebnis noch bestehen gelassen oder schon rückgängig gemacht haben. Aus diesem Grund hat der RFH im Urteil III A 133/32 vom 27. Oktober 1932 (RStBl 1932, 1098) die Bewertung einer anfechtbaren Forderung nicht deshalb in Frage gestellt, weil die spätere Anfechtung zur Nichtigkeit mit Rückwirkung führte (§ 142 BGB).
Der Auffassung von Tipke-Kruse (Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 5 StAnpG, Anm. 3), daß das BFH-Urteil VI 22/61 S vom 13. Dezember 1963 (BFH 78, 477, BStBl III 1964, 184) diese Rechtsauffassung nicht mehr voll billige, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Eine Einschränkung der bisherigen Rechtsprechung durch dieses Urteil ist nicht erkennbar (vgl. auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 StAnpG, Anm. 8 Abs. 5). In dem seinerzeit zu entscheidenden Fall war die Frage streitig, ob zu Unrecht vereinnahmte Zinsen, die später wieder zurückgezahlt werden mußten, in dem Veranlagungszeitraum der Rückzahlung von den Einkünften aus Kapitalvermögen abgesetzt werden können oder ob es erforderlich ist, die Veranlagung für das Jahr zu ändern, in dem die Zinsen vereinnahmt worden sind. Der VI. Senat hat unter Berufung auf § 11 Abs. 1 EStG entschieden, daß diese Zinsen im Jahr der Rückzahlung als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln seien und dabei darauf hingewiesen, daß u. a. § 5 StAnpG nur eingreife, wenn sich aus den Steuergesetzen nichts anderes ergebe. Er hat sich damit darauf beschränkt, die Subsidiarität des § 5 StAnpG gegenüber der Vorschrift des § 11 EStG herauszustellen, die sich aus Abs. 6 des § 5 StAnpG ausdrücklich ergibt.
Die Revisionsklägerin und die X-Werke haben am 1. Januar 1962 die Wirkungen des teilnichtigen Rechtsgeschäfts noch bestehen lassen. Deshalb muß gemäß § 5 Abs. 3 StAnpG am 1. Januar 1962 die Vereinbarung des preisrechtlich überhöhten Entgelts für die Besteuerung als zu Recht bestehend behandelt werden. Ein Schuldenabzug für Preisrückgewähr wegen eines vereinnahmten Entgelts, das preisrechtlich überhöht ist, kommt somit nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 68535 |
BStBl II 1969, 432 |
BFHE 1969, 456 |