Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des BdF in Tz. 56 bis 58 der VAO zu § 131 LAG, wonach bei Grundstückseigentümern nach Bruchteilen über die Zulässigkeit und den Umfang eines Erlasses jeweils insoweit einheitlich zu entscheiden ist, als die Abgabeleistungen intern von Gesamtschuldnern zu tragen sind, die zu derselben Familieneinheit gehören, ist mit § 131 LAG nicht vereinbar und deshalb nicht anzuwenden, es sei denn, daß alle zu der Familieneinheit gehörenden Personen bedürftig sind.

 

Normenkette

LAG § 131; StAnpG § 7; VAO-LAG131 23; VAO-LAG131 26; VAO-LAG131 56; VAO-LAG131 57; VAO-LAG131 58

 

Tatbestand

Der Streit geht im vorliegenden Fall um die Frage, ob bei der Entscheidung über den nach § 131 LAG gestellten Erlaßantrag der Abgabeschuldnerin die Einkünfte ihres Schwiegersohnes in der Erlaßberechnung zu berücksichtigen sind.

Mutter und Tochter sind je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks und haften als Gesamtschuldner für die darauf ruhende HGA. Die jährlichen HGA-Leistungen betragen 874,80 DM. Die Abgabeschuldnerinnen haben am 6. Oktober 1956 für den Erlaßzeitraum 1953 bis 1955 einen Erlaß der Leistungen in Höhe von (874,80 x 3 =) 2.624,40 DM beantragt. Die Tochter, die verheiratet ist, hat am 5. August 1958 im Beschwerdeverfahren ihren Erlaßantrag wieder zurückgenommen.

Die Mutter ist wegen verschiedener Altersleiden im Erlaßzeitraum pflegebedürftig gewesen. Ihr einziges Vermögen bestand in diesem Zeitraum in dem Eigentumsanteil an dem mit HGA belasteten Grundstück. Außer den anteiligen Hauseinnahmen hat sie keinerlei sonstige Einkünfte. Beide Abgabeschuldnerinnen, die Mutter und die Tochter mit ihrer Familie, wohnen in dem ihnen gehörigen Haus. Innerhalb der Wohnung der Tochter hat die Mutter ein eigenes Zimmer und ein Mitbenutzungsrecht von Küche und Wohnzimmer.

Nach der vom FA geringfügig berichtigten Erlaßberechnung beträgt der Grundstücksüberschuß 5.710 DM und nach Abzug der Verzinsung des Eigenkapitals 5.154 DM. Dieser Betrag übersteigt die HGA- Leistungen um (5.154 ./. 2.624,40 =) 2.529,60 DM.

Das FA hat durch den an Mutter und Tochter gerichteten Bescheid vom 9. Juli 1958 den Erlaßantrag abgelehnt. Nach den "gesetzlichen Vorschriften (Tz. 26 und Tz. 56 der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG - VAO zu § 131 LAG -)" seien die Gesamteinkünfte der eine Familieneinheit bildenden Personen zusammenzurechnen. Nach Abzug der zulässigen Steuerbeträge und dergleichen sowie der Pauschbeträge für Lebenshaltungskosten würden verfügbare Mittel in Höhe von 5.249 DM verbleiben, die zur Erbringung der Leistungen ausgereicht hätten.

Die OFD hat in ihrer Beschwerdeentscheidung folgende Erlaßberechnung aufgestellt:

"Einkünfte aus dem Grundstück ---------------- 5.154 DM + Nettogehalt des Schwiegersohnes der Bf. --- 18.217 DM --------------------------------------------- 23.371 DM ./. Abzugsbeträge gemäß Tz. 54 der VAO (wie angegeben) ------------------------------ 2.642 DM Unterhaltspauschale für die Familie des Schwiegersohnes (2 Kinder) monatlich (250 + 75 + 2 X 35 gemäß Tz. 33 VAO) -------- 14.220 DM Unterhaltspauschale für die Bf. -------------- 1.260 DM nicht anzusetzen gemäß Tz. 58 VAO -------------- 283 DM ---------------------------------------------- 4.966 DM".Da aus dem Betrag von 4.966 DM die Abgabeleistungen ohne weiteres hätten gedeckt werden können, hat die OFD die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Das FG, das zunächst die Anregung gegeben hatte, den Streitfall im Wege des § 94 AO aus der Welt zu schaffen, damit aber wegen der ablehnenden Haltung der OFD keinen Erfolg hatte, gab der Berufung statt und sprach einen Erlaß in Höhe des auf die Mutter entfallenden Leistungsbetrages von 1.312,20 DM aus. In der Begründung führte das FG aus, der Wortlaut in Tz. 57 und 23 der VAO zu § 131 LAG gestatte nicht, die Gehaltseinkünfte des Ehemannes der Tochter in die Erlaßentscheidung einzubeziehen, da sie ihre Beschwerde zurückgezogen habe. Tz. 58 der VAO lasse sich auf die Tochter nicht unmittelbar anwenden, da ihr nur die anteiligen Einkünfte aus der Vermietung des belasteten Grundstücks zugestanden hätten, ihr verdienender Ehemann aber als Nichtschuldner in diese Regelung nicht einbezogen werden könne. Nach Tz. 59 der ab 1. Januar 1959 gültigen VAO zu § 131 LAG werde einem leistungsstarken Gesamtschuldner nicht mehr zugemutet, seine Mittel ungeschmälert für die auf andere Gesamtschuldner entfallenden HGA-Leistungen einzusetzen. Diese Regelung müsse schon wegen des darin zum Ausdruck kommenden richtigen Grundgedankens auch auf den Erlaßzeitraum 1953/55 angewendet werden. Im übrigen sei es aus sozialen und ethischen Erwägungen unbillig, den Schwiegersohn deswegen, weil er seine hochbetagte Schwiegermutter nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern sich ihrer aus freien Stücken unter persönlichen Opfern angenommen habe, nun auch noch zur Bezahlung der anteiligen Abgabeschulden der Schwiegermutter zu verpflichten. Darin liege eine im Gesetz nicht vorgesehene Ausdehnung der Abgabepflicht auf eine Person, die weder Eigentümer des mit der HGA belasteten Grundstücks noch Schuldner der HGA- Leistungen sei. Eine solche Ausdehnung der Abgabepflicht liefe letztlich auf eine finanzielle Bestrafung der anständigen und ihrer Verantwortung für die Familie bewußten Staatsbürger hinaus. Es liege hier eine fiskalische überspannung des Begriffs der Familieneinheit zum Nachteil eines im Familienverband lebenden Nichtschuldners vor.

Die OFD macht demgegenüber mit der Rb. geltend, nach Tz. 56 der für den Erlaßzeitraum 1953/55 maßgebenden VAO zu § 131 LAG könne nicht darauf abgestellt werden, ob bei gesonderter Entscheidung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des einzelnen Gesamtschuldners wegen der auf ihn entfallenden Abgabeleistungen ein Erlaß gerechtfertigt sein würde, es müsse auf die Familieneinheit abgestellt und die verfügbaren Mittel aller zur Familieneinheit gehörigen Personen zusammengerechnet werden. Für die Beteiligten trete eine Haushaltsersparnis ein, was zur Rechtfertigung der Erlaßregelung zu berücksichtigen sei. Auch ein nicht antragstellender Gesamtschuldner sei für die Erlaßentscheidung wie ein Antragstellender zu behandeln. Somit müßten auch die Ehegatten aller Gesamtschuldner, die in die einheitliche Erlaßentscheidung einzubeziehen seien, mit ihren Lebenshaltungskosten und ihren verfügbaren Mitteln berücksichtigt werden. Dies widerspreche weder verfassungsrechtlichen noch bürgerlich-rechtlichen noch steuerrechtlichen Grundsätzen. Auch bedeute dies noch nicht die Inanspruchnahme des Ehemanns der Tochter für die Steuerschulden seiner Schwiegermutter. Da der Ehegatte der Tochter über ausreichende Einkünfte verfüge, sei auch seine Ehefrau auf Grund der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung als leistungskräftig anzusehen. Tz. 58 der für den Erlaßzeitraum 1953/55 maßgebenden VAO zu § 131 LAG könne daher unmittelbar auf die Tochter angewendet werden. Auch darin liege keine Unbilligkeit. Der Umstand, daß die Mutter im Erlaßzeitraum krank und pflegebedürftig gewesen sei und wohl nur deshalb in der Familieneinheit mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn gelebt habe, könne keine über den Rahmen der VAO hinausgehende Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Entscheidung des FG und der Beschwerdeentscheidung der OFD.

I. -

Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 LAG in der für den Erlaßzeitraum 1953 bis 1955 gültigen Fassung des Sechzehnten Gesetzes zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes (16. ändGLAG) können fällige Leistungen (§§ 106, 129 Abs. 10 und 134) insoweit gestundet oder erlassen werden, daß dem aus der öffentlichen Last (§ 111) verpflichteten Eigentümer des Grundstücks oder in den Fällen des § 118 dem Abgabeschuldner der für eine bescheidene Lebensführung unerläßliche Betrag verbleibt. In Satz 2 des § 131 Abs. 1 LAG ist vorgesehen, daß der BdF das Nähere hierüber bestimmt. Dies ist geschehen in einer zu § 131 LAG erlassenen VAO. Da es sich im Streitfall um den Erlaßzeitraum 1953/55 handelt, kommt die VAO in der Fassung vom 10. Juli 1956 - IV C/5 - LA 2630 - 3/56 - (VAO), BStBl I 1956, 347, in Betracht (vgl. Tz. 2 VAO und Tz. 2 VAO vom 25. Mai 1962 - IV C/4 - LA 2623 - 5/62 - (VAO 1959), BStBl I 1962, 834).

Der vollziehenden Gewalt steht auch ohne Auftrag des Gesetzgebers das Recht zu, Anordnungen an die nachgeordneten Verwaltungsbehörden zu erlassen. Eine Bindung der Gerichte an diese Verwaltungsanordnungen besteht nicht (Art. 20 Art. 97 Abs. 1 GG). Diese haben vielmehr selbständig solche verwaltungsinternen Richtlinien auf ihre Vereinbarkeit mit dem GG und mit dem einfachen Gesetz nachzuprüfen. überschreitet eine von Verwaltungsbehörden getroffene Anordnung die ihr durch das GG oder das einfache Gesetz gezogenen Grenzen, so ist sie, da auch die vollziehende Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist, nicht anzuwenden. Auch die zu § 131 LAG erlassene VAO hat keinen anderen Rang als den einer verwaltungsinternen Anordnung an die nachgeordneten Finanzbehörden, ist deshalb keine Rechtsnorm und ist es auch nicht dadurch geworden, daß der Gesetzgeber selbst in § 131 LAG ausdrücklich vorgesehen hat, das Nähere hierüber habe der BdF zu bestimmen. Die VAO unterliegt somit in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Gerichte auf ihre Vereinbarkeit mit dem GG und dem einfachen Gesetz.

II. -

Da die Mutter (Revisionsbeklagte) und ihre Tochter nach § 7 StAnpG die HGA-Leistungen als Gesamtschuldner zu tragen haben, wäre nach Tz. 56 - 59 VAO zu verfahren. Die in diesen Textziffern getroffenen Anordnungen sehen einerseits eine einheitliche Erlaßentscheidung für mehrere oder alle Gesamtschuldner und andererseits eine Erlaßentscheidung, die nur einem einzelnen Gesamtschuldner gegenüber ausgesprochen wird, vor. Ob eine einheitliche Erlaßentscheidung oder nur eine Entscheidung gegen den einzelnen Gesamtschuldner zu treffen ist, wird von dem Vorhandensein einer Familieneinheit zwischen den Gesamtschuldnern abhängig gemacht. Was unter einer Familieneinheit zu verstehen ist, ergibt sich aus Tz. 26 VAO, auf die die Tz. 56 VAO ausdrücklich hinweist. Eine solche liegt dann vor, wenn die gesamte Lebenshaltung unter Einsatz der sämtlichen verfügbaren Mittel einheitlich bestritten wird. Dies ist in erster Linie bei Personen gegeben, die die Wohnung des Antragstellers teilen und einem gemeinsamen Haushalt angehören. Notwendig ist aber nach der VAO weder das gemeinsame Wohnen noch das Leben in demselben Haushalt. Soweit die Gesamtschuldner eine Familieneinheit bilden, sind auch die Ehegatten, jedenfalls der antragstellenden Gesamtschuldner, in die Familieneinheit einzubeziehen, es sei denn, daß der Ehegatte von dem Antragsteller dauernd getrennt lebt (Tz. 57 VAO). Gleichwohl dürfen, wenn mehrere eine Familieneinheit bildende Gesamtschuldner Antrag auf Erlaß der HGA- Leistungen gestellt haben und auch deren Ehegatten zur Familieneinheit gehören, der höhere Pauschbetrag des Antragstellers und der besondere Pauschbetrag für den Ehegatten des Antragstellers insgesamt nur einmal gewährt werden. Lediglich dann, wenn nach den besonderen Umständen des Falles einem leistungskräftigen Gesamtschuldner nicht zugemutet werden könne, daß er seine Mittel ungeschmälert für den Unterhalt der Familieneinheit zur Verfügung stellt, könnte ein angemessener Betrag davon bei der Berechnung der der Familieneinheit zur Verfügung stehenden Mittel außer Ansatz gelassen werden (Tz. 58 VAO). Der Kreis der Personen, die in die einheitliche Erlaßentscheidung einbezogen werden, ist demnach weit gezogen. Er umfaßt einmal die in einer Familieneinheit lebenden Gesamtschuldner selbst und außerdem grundsätzlich auch die Ehegatten, jedenfalls der antragstellenden Gesamtschuldner. Dabei ist von besonderer Bedeutung, daß nicht nur die antragstellenden leistungsschwachen Gesamtschuldner in die Erlaßentscheidung einbezogen werden, sondern auch die leistungsstarken Gesamtschuldner, die deswegen einen Erlaßantrag nach § 131 LAG nicht stellen können und die im Innenverhältnis auf sie entfallenden und von ihnen zu tragenden Abgabeleistungen voll entrichten. Schließlich ist in Tz. 56 VAO vorgesehen, daß die Einbeziehung in die einheitliche Erlaßentscheidung auch dann erfolgen soll, wenn zwischen den in einer Familieneinheit lebenden Gesamtschuldnern ein Angehörigkeitsverhältnis im Sinne des § 10 StAnpG nicht besteht. Durch diese insgesamt getroffenen Bestimmungen wird die Möglichkeit eröffnet, daß ein Erlaß, der bei gesonderter Entscheidung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des einzelnen Gesamtschuldners wegen der auf ihn entfallenden Abgabeleistungen gerechtfertigt wäre, nicht oder nicht in der vollen beantragten Höhe zu gewähren ist. Nur so kann der Hinweis in Tz. 56 letzter Satz VAO seinem Sinn und Zweck nach verstanden werden. Im Ergebnis wirken sich deshalb diese Anordnungen in der Regel nachteilig für den antragstellenden leistungsschwachen Gesamtschuldner aus.

Die Vorentscheidung ist davon ausgegangen, es sei gemäß Tz. 56 VAO über den Erlaßantrag einheitlich zu entscheiden. Die Streitfrage, ob eine Familieneinheit zwischen der Mutter, der Revisionsbeklagten, und der Tochter bestehe, könne aber auf sich beruhen bleiben. Diese Ausführungen sind widerspruchsvoll. Eine einheitliche Erlaßentscheidung ist, wenn von der Regelung der Tz. 56 VAO ausgegangen werden soll, nur dann zu treffen, wenn auch tatsächlich festgestellt wird, daß eine Familieneinheit besteht. Ist letzteres nicht der Fall, entfällt auch das Erfordernis einer einheitlichen Erlaßentscheidung (Tz. 59 VAO). Es ist nicht möglich, die Frage der Familieneinheit einerseits auf sich beruhen zu lassen und auf eine Feststellung in dieser Richtung zu verzichten, dann aber andererseits trotzdem die Notwendigkeit der einheitlichen Erlaßentscheidung zu bejahen.

Der Senat hat in dem Urteil III 131/63 vom 21. April 1967 (BFH 89, 31, BStBl III 1967, 564) ausgesprochen, daß die Regelung der VAO, soweit sie zum Nachteil eines verheirateten Antragstellers statt auf diesen selbst auf die Einheit der Ehegatten abstellt, in § 131 LAG keine Rechtsgrundlage hat und deshalb nicht anzuwenden ist. Soweit daher in den Fällen der Tz. 56 VAO auch die Ehegatten der Gesamtschuldner in die einheitlich zu treffende Erlaßentscheidung nach Tz. 57 VAO einbezogen werden und sich die Entscheidung dadurch zum Nachteil der Gesamtschuldner auswirkt, muß eine Behandlung der Ehegatten als Einheit entgegen der Regelung in Tz. 23, 56 und 57 VAO unterbleiben.

Im Streitfall kommt es aber nicht nur darauf an, ob die Anordnung, daß die Ehegatten als Einheit zu behandeln sind, mit § 131 LAG zu vereinbaren ist. Von entscheidender Bedeutung ist auch die Frage, ob die Anordnung in Tz. 56 VAO, wonach über den Antrag eines Gesamtschuldners, der in einer Familieneinheit mit einem anderen Gesamtschuldner lebt, einheitlich zu entscheiden ist, gegen § 131 LAG verstößt. Während in dem durch das Urteil III 131/63 vom 21. April 1967 entschiedenen Fall der Schuldner- Ehegatte auch gleichzeitig Alleineigentümer des mit HGA belasteten Grundstücks war, der Nichtschuldner-Ehegatte demnach weder Miteigentum noch irgendeine Verpflichtung zur Tragung der HGA- Leistungen hatte, sind im Streitfall Mutter und Tochter nicht nur Gesamtschuldner der HGA-Leistungen, sondern auch Bruchteilseigentümer an dem belasteten Grundstück zu je 1/2. Der Begriff des "Eigentümers des Grundstücks" nach § 131 LAG bedurfte in dem dem erwähnten Urteil zugrunde liegenden Fall keiner weiteren Klärung, da sich die Begriffe "Alleineigentümer" und "Eigentümer" decken. Aber auch bei der Eigentumsgemeinschaft nach Bruchteilen hat jeder Miteigentumsanteil die Natur des Eigentums, und alle Regeln des Eigentums gelten für ihn (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 144 S. 241 - RGZ 144, 241 -; RGZ 146, 364). Auch ein Miteigentümer ist deshalb ein Eigentümer, ohne daß es dessen einer besonderen Klarstellung bedarf. Es hätte deshalb einer ausdrücklichen Sonderregelung in § 131 LAG bedurft, wenn der Gesetzgeber den Erlaß der auf den einzelnen Gesamtschuldner entfallenden HGA-Leistungen nicht von dem unerläßlichen Lebensbedarf des einzelnen Miteigentümers, sondern von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Einheit der Gesamtschuldner als Miteigentümer des Grundstücks hätte abhängig machen wollen. Eine solche Regelung wäre aber sachlich gegenüber dem Fall, in dem es sich um einen Alleineigentümer handelt, grundsätzlich etwas anderes. Wird auf eine Einzelperson abgestellt, so kommt es ausschließlich und allein darauf an, daß dieser Einzelperson der für eine bescheidene Lebensführung unerläßliche Betrag verbleibt. Wird dagegen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse einer aus allen Miteigentümern eines Grundstücks bestehenden Einheit abgestellt, so kommt es nicht mehr darauf an, daß im Innenverhältnis dem einzelnen Miteigentümer der für eine bescheidene Lebensführung unerläßliche Betrag tatsächlich verbleibt, sondern es genügt, daß sich nach einer Durchschnittsrechnung rein rechnerisch ein solcher Betrag für jeden einzelnen Miteigentümer ergibt, während tatsächlich dem einen Miteigentümer mehr, einem anderen dagegen weniger verbleibt. Ein solches Ergebnis würde aber weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 131 LAG entsprechen. Denn danach kommt es allein darauf an, daß einer bestimmten Person, mag diese Alleineigentümer und Alleinschuldner oder Miteigentümer und Gesamtschuldner sein, nach ihren individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der für eine bescheidene Lebensführung unerläßliche Betrag auch wirklich und nicht nur rechnerisch verbleibt. Im Ergebnis ist deshalb unter dem im § 131 LAG gebrauchten Begriff "Eigentümer des Grundstücks" nicht nur der Alleineigentümer, sondern auch der Miteigentümer nach Bruchteilen zu verstehen. Damit wird aber die als Personeneinheit behandelte Mehrheit von Bruchteilseigentümern, an deren zusammengefaßter wirtschaftlicher Leistungskraft der unerläßliche Lebensbedarf gemessen werden soll, als Entscheidungsgrundlage für einen Erlaß nach § 131 LAG ausgeschlossen. Auch die Familieneinheit, die mehrere Gesamtschuldner auf familienrechtlicher Grundlage bilden oder zu der sie sich bei Fehlen eines gegenseitigen Angehörigenverhältnisses im Sinne des § 10 StAnpG aus irgendwelchem Anlaß zusammengeschlossen haben, kann nicht an die Stelle des einzelnen Miteigentümers an einem Grundstück gesetzt werden, ohne daß dadurch gegen die Regelung des § 131 LAG verstoßen würde. Eine Anordnung in einer VAO, die entgegen der Vorschrift des § 131 LAG den Erlaß nicht von den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des Alleineigentümers oder Miteigentümers und dem für eine bescheidene Lebensführung unerläßlichen Betrag abhängig macht, sondern dabei auf die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Familieneinheit abstellt, ist gesetzwidrig und darf nicht angewendet werden, wenn sie sich zum Nachteil des Antragstellers auswirkt. Der einer Familieneinheit angehörende leistungsschwache antragstellende Gesamtschuldner wäre deshalb nur dann nicht benachteiligt, wenn der Erlaß bei einer Abstellung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familieneinheit nicht in geringerer Höhe ausgesprochen würde als bei gesonderter Entscheidung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers wegen der auf ihn entfallenden Abgabeleistungen. Ist dies nicht der Fall, können die Tz. 56-58 VAO nicht zur Grundlage der Entscheidung über den Erlaßantrag des Antragstellers und dementsprechend im vorliegenden Fall der Revisionsbeklagten gemacht werden.

Im Streitfall stand der Revisionsbeklagten zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln nur die Hälfte der Erträge aus dem mit HGA belasteten Grundstück zur Verfügung. Zu berücksichtigen ist aber, daß die Tochter ihrer pflegebedürftigen Mutter gegenüber zum Unterhalt verpflichtet war. Unterhaltsleistungen auf familienrechtlicher Grundlage sind, soweit sie nicht eine Gegenleistung für überlassene Vermögenswerte darstellen, in den Fällen der Parallelvorschrift des § 54 LAG a. F. von dem BdF in der dazu erlassenen VAO von Anfang an nicht zu den Einkünften zu rechnen gewesen (vgl. Tz. 17 VAO vom 17. März 1955 - IV C/3 - LA 2341 - 1/55 - VAO zu § 54 LAG, BStBl I 1955, 119). In den Fällen des § 131 LAG sind sie nach der VAO 1959 (vgl. Tz. 40 h) ebenfalls weder unter den Einkünften noch als sonstiger Geldzuwachs oder geldwerter Vorteil anzusetzen. In der hier anzuwendenden VAO fehlt aber eine solche Regelung. Der Wert der Unterhaltsleistung bestimmt sich nach den Mitteln, die der Tochter der Revisionsbeklagten im Erlaßzeitraum 1953 - 1955 zur Verfügung standen. Da die Tochter verheiratet ist, wird die Höhe ihrer Mittel einmal von ihren eigenen anteiligen Einkünften aus dem mit HGA belasteten Grundstück und außerdem nach dem erwähnten Urteil des Senats III 131/63 vom 21. April 1967 von den Mitteln bestimmt, die ihr nach Berücksichtigung des Unterhaltsanteils ihres Ehemannes und der gemeinsamen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern aus den Einkünften ihres Ehemannes auf Grund ihrer Tätigkeit als Hausfrau und Mutter verbleiben. Im Streitfall kann unterstellt werden, daß die Gehaltsbezüge des Ehemannes im vollen Umfang zum Unterhalt der Familie verwendet worden sind. Da die Tochter im Höchstfall die ihr zukommenden Mittel mit ihrer Mutter zu teilen hat, kann von diesen Mitteln äußerstenfalls die Hälfte davon der Revisionsbeklagten zugerechnet werden. Würde von der Tochter darüber hinaus wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter mehr geleistet worden sein, müßte andererseits geprüft werden, ob bei der Revisionsbeklagten Zuschläge zu den Lebenshaltungskosten nach den bisher anzuwendenden Tz. 36 und 37 VAO zu machen wären. Die eigenen Einkünfte der Revisionsbeklagten sind mit dem Unterhaltsbeitrag der Tochter zusammenzurechnen und der Gesamtbetrag mit dem Betrag in Vergleich zu setzen, der der Revisionsbeklagten für eine bescheidene Lebensführung als unerläßlich verbleiben muß. Aus der Gegenüberstellung der beiden Beträge läßt sich abschließend ermitteln, ob und in welcher Höhe ein Erlaß auszusprechen oder abzulehnen ist.

III. - Zutreffend hat das FG erkannt, daß die VAO Mängel aufweist. Das FG hat aber nicht geprüft, ob die Mängel der VAO auf einem Verstoß gegen die Rechnung des § 131 LAG beruhen. Statt dessen hat es im wesentlichen die Regelung in der VAO 1959 seiner Entscheidung zugrunde gelegt und dem Erlaßantrag stattgegeben. Grundsätzlich kann aber ein Gericht sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde setzen und die der Verwaltung zukommende Ermessensentscheidung selbst treffen. Es könnte zwar im Streitfall naheliegen, unter Hinweis auf das Gutachten des BFH Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (BFH 55, 277, BStBl III 1951, 107) den Standpunkt zu vertreten, daß es sich vorliegend um einen Fall handele, bei dem der Ermessensspielraum so eingeengt sei, daß jede andere Entscheidung zu einer Ermessensverletzung führen würde. Der Senat hat aber in dem Urteil III 131/63 vom 21. April 1967 ausgeführt, die Feststellung, die Tz. 23 VAO sei mit dem Gesetz nicht vereinbar, könnte den Bestand der VAO so wesentlich beeinflussen, daß es fraglich sei, ob der BdF an ihr in der noch verbleibenden Fassung festhalten werde. Dieser Frage werde durch eine Entscheidung des Gerichts nicht vorgegriffen werden können, da sie und ihre Beantwortung in den Ermessensspielraum der Verwaltung falle. Deshalb müsse zunächst diese Entscheidung des BdF abgewartet werden. Erst dann könne entweder aufgrund der bisher geltenden und weiter anzuwendenden VAO ohne die ungültigen Anordnungen oder aufgrund einer neu erlassenen VAO eine noch ausstehende Erlaßentscheidung getroffen werden. Im Streitfall muß dies um so mehr gelten, da die Tz. 56 - 58 VAO ebenfalls gegen § 131 LAG verstoßen und nicht anwendbar sind. Das FG hätte demnach den Erlaß nicht selbst aussprechen dürfen. Seine Entscheidung unterliegt deshalb schon aus diesem Grunde der Aufhebung. Aber auch die ablehnende Entscheidung der OFD muß aufgehoben werden, da diese die nicht anwendbaren Tz. 23, 56 - 58 VAO rechtsirrtümlich zur Grundlage ihrer Beschwerdeentscheidung gemacht hat. Die OFD wird deshalb über die Beschwerde erneut zu entscheiden haben. Sie wird aber zunächst abwarten müssen, welche Anweisungen der BdF trifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412574

BStBl III 1967, 633

BFHE 1967, 287

BFHE 89, 287

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