Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest: Danach sind aus betrieblichen Mitteln eines Kaufmanns hingegebene Darlehen nicht ohne weiteres als Betriebsvermögen aufzufassen; sie können nur dann als gewillkürtes Betriebsvermögen zum Betriebsvermögen gezogen werden, wenn sie in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 10 a
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtige) sind Eheleute. Sie haben in dem Jahr 1961 zu dem in § 10a Abs. 1 EStG aufgeführten begünstigten Personenkreis gehört. Der Ehemann hat im Streitjahr ein Kaufhaus betrieben. Der Gewinn aus dem Betrieb ist gemäß § 5 EStG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden. Die Ehefrau ist in dem Kaufhaus als Angestellte tätig gewesen. Ihr hat die Kassenkontrolle, die Kassenabrechnung sowie sonstige Kontrollen, gelegentlich auch eine Verkaufstätigkeit oblegen. Das Arbeitsverhältnis ist auch steuerrechtlich anerkannt.
Im Jahre 1961 hat die Ehefrau auf einem ihr gehörenden Grundstück ein Wohnhaus errichtet, dessen Baukosten rd…. DM betragen haben. Die Kosten wurden größtenteils von dem Ehemann aus Mitteln des Betriebs beglichen und auf einem besonderen Konto verbucht. An den jeweiligen Bilanzstichtagen aktivierte der Ehemann die sich aus dem Konto unter Berücksichtigung von Zinsen und Tilgungen ergebenden Beträge als betriebliche Darlehnsforderungen gegen seine Ehefrau. Zum 31. Dezember 1961 hat die Darlehnsforderung gegen die Ehefrau rd. 131 500 DM betragen.
Unter dem „1. Oktober 1960” haben der Ehemann und die Ehefrau einen privatschriftlichen Darlehnsvertrag geschlossen, in dem sich der Ehemann zur Finanzierung des Hausbaus durch Hingabe von rd…. DM verpflichtete. Das Darlehen ist nach dem Vertrag mit 1/2 v. H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens mit 4,5 v. H. zu verzinsen und ein Jahr lang tilgungsfrei; die Ehefrau darf das Anwesen nicht ohne Zustimmung des Ehemanns belasten. Tatsächlich ist das Grundstück auch nicht belastet.
Das als Mietwohngrundstück bewertete Gebäude wird von den Steuerpflichtigen gemeinsam bewohnt. Es hat eine Wohnfläche von rd. 132 qm, wovon ein Zimmer mit rd. 16 qm als gewerblich genutzter Arbeitsraum anzusehen ist. Eine zusätzliche Einliegerwohnung mit einer Wohnfläche von rd. 73 qm war im Streitjahr und in der Folgezeit – jedenfalls bis zur Betriebsprüfung im Jahre 1965 – nicht bezogen. Von den rd. 100 qm Kellerräumen sind etwa 72 qm als Lagerraum für den Betrieb des Kaufhauses genutzt worden. Die beiden Garagen mit zusammen 35 qm Nutzfläche sind ausschließlich für Lieferwagen des Kaufhauses beansprucht.
Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) behandelte den Darlehnsbetrag als Entnahme. Durch die Erhöhung der Entnahmen überstiegen sie insgesamt den Gewinn. Deshalb versagte das FA die Steuerbegünstigung des § 10a EStG und nahm außerdem eine Nachversteuerung des in den Vorjahren abgesetzten nicht entnommenen Gewinns vor.
Die Sprungberufung (jetzt Sprungklage) blieb erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Entscheidend sei, ob die Darlehnsgewährung als betrieblicher oder privater Vorgang anzusehen sei. Eine Zuwendung, die ein Steuerpflichtiger – wie im Streitfall – an seine Ehefrau leiste und die zur Errichtung eines überwiegend den privaten Wohnbedürfnissen der Steuerpflichtigen dienenden Hauses bestimmt sei, müsse in der Regel als Privatentnahme behandelt werden, sofern nicht eindeutig feststellbar sei, daß die Zuwendung unabhängig von den persönlichen Beziehungen durch den Betrieb veranlaßt worden sei. Von einer vorwiegend betrieblichen Veranlassung der Geldhingabe habe sich das FG aber nicht überzeugen können. Es komme darauf an, ob die Ehefrau das Darlehen in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin oder als Ehefrau erhalten habe. Das vorliegende Darlehen unterscheide sich nach Art und Umfang grundlegend von einem geschäftsüblichen Arbeitgeberdarlehen. Die besonderen Eigenarten der Darlehnsgewährung seien zur Erreichung der angegebenen betrieblichen Zwecke weder erforderlich noch üblich. Sei aber das Darlehen in der konkreten Form, in der es gewährt worden sei, nicht eindeutig durch betriebliche Zwecke veranlaßt worden, dann sei seine Hingabe steuerrechtlich als betriebsfremder Vorgang und damit als Entnahme im Sinne des EStG anzusehen.
Mit der Revision machen die Steuerpflichtigen geltend: Die Berufung des FG auf § 4 Abs. 4 EStG sei völlig unverständlich. Der strittige Betrag sei gerade nicht als Betriebsausgabe behandelt worden; denn die Forderung sei als Betriebsvermögen ausgewiesen. Es sei zulässig, eine Forderung in den Betrieb einzubringen, wenn eine ausreichende Verknüpfung mit einem betrieblichen Interesse gegeben sei. Die Entscheidung des FG stehe im Widerspruch zum Akteninhalt, soweit sie davon spreche, daß der überwiegende Teil der Wohnfläche des Wohnhauses den privaten Wohnbedürfnissen diene. Würde das Gebäude dem Firmeninhaber gehören, so hätte die Finanzverwaltung das Grundstück bei dieser Nutzungsart ohne Zweifel zu mindestens 50 v. H. als betriebsnotwendiges Vermögen behandelt. Man könne von einem Kaufmann auch kein unwirtschaftliches Verhalten fordern. Der steuerpflichtige Ehemann brauche seine Frau nicht auf teuere Fremdfinanzierungen zu verweisen, zumal das Haus auch seinem Kaufhausbetrieb diene. Die Vorentscheidung verstoße schließlich gegen Art. 3 GG, wenn Verträge, die aus betrieblichen Interessen abgeschlossen worden seien, nur deshalb in die Privatsphäre verlagert werden, weil die Vertragspartner Ehegatten seien.
Das FA hat während des Revisionsverfahrens den Einkommensteuerbescheid 1961 nach § 218 Abs. 4 AO geändert. Die hier anhängige Streitfrage ist dadurch jedoch nicht berührt worden. Auf Antrag der Steuerpflichtigen ist der berichtigte Einkommensteuerbescheid Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden (§§ 123, 68 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die Steuervergünstigung des § 10a EStG setzt voraus, daß der Steuerpflichtige seinen Gewinn aufgrund eines Betriebsvermögensvergleichs ermittelt und den Gewinn nicht voll entnommen hat. Im Streitfall rechnet, wie das FG in nicht zu beanstandener Weise festgestellt hat, das der Ehefrau hingegebene Darlehen nicht zum Betriebsvermögen, so daß die Darlehnsbeträge als entnommen zu behandeln sind.
Das Darlehen steht zu der Tätigkeit des Ehemanns als Inhaber eines Kaufhauses nicht in einer solchen Beziehung, daß man es als Teil des notwendigen Betriebsvermögens ansehen müßte. Die Tatsache, daß der Ehemann das Darlehen aus Mitteln des Betriebs gegeben hat, macht das Darlehen nicht zum Betriebsvermögen (vgl. die Urteile des Senats VI 52/64 vom 26. Februar 1965, HFR 1965, 503; VI 390/65 vom 30. Juni 1966, BFH 86, 556, BStBl III 1966, 583). Es handelt sich bei dem Darlehen allerdings auch nicht um notwendiges Privatvermögen. Denn es ist nicht von vornherein eindeutig ersichtlich, daß es ausschließlich privaten Zwecken dient. Gehört das Darlehen damit weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum notwendigen Privatvermögen, so kann es aber nur dann zum Betriebsvermögen (gewillkürtes Betriebsvermögen) gezogen werden, wenn es in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb steht und ihn zu fördern bestimmt und geeignet ist (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. die Urteile VI 10/60 S vom 15. Juli 1960, BFH 71, 625, BStBl III 1960, 484; I 185/59 S vom 19. Juli 1960, BFH 71, 629, BStBl III 1960, 485; I 53/63 vom 11. Januar 1966, BFH 85, 13, BStBl III 1966, 218). Es ist kein Grund ersichtlich, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Zwar hat der BFH im Urteil IV 167/64 U vom 10. Dezember 1964 (BFH 82, 356, BStBl III 1965, 377) ausgeführt, an das Bestehen eines objektiven Zusammenhangs zwischen dem Wirtschaftsgut und dem Betrieb dürften keine übertriebenen Forderungen gestellt werden. Er hat aber gleichwohl an diesem Erfordernis im Grundsatz festgehalten. Denn das Steuerrecht kann es nicht dem völlig freien, durch objektive Umstände nicht kontrollierbaren Ermessen des Steuerpflichtigen überlassen, ob Gegenstände Betriebsvermögen sind oder nicht und welche Einkunftsart in Betracht kommt.
Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das FG angenommen, das Darlehen des Ehemannes sei nicht betrieblich veranlaßt. Ob eine betriebliche Veranlassung dargetan ist, gehört aber in den Bereich der Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigung, die ausschließlich dem FG obliegt (vgl. das Urteil des Senats VI 390/65, a. a. O.). Wenn das FG hier die betriebliche Veranlassung als nicht gegeben angesehen hat, so ist das eine mögliche Würdigung; ein Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen den Akteninhalt ist nicht ersichtlich. Zwar hat der Ehemann seinen Willen, das Darlehen als Betriebsvermögen zu behandeln, durch Bilanzierung des Darlehens kundgetan. Er hat das Darlehen auch aus ursprünglich betrieblichen Mitteln, also aus Betriebsvermögen, hingegeben. Was jedoch für die ursprünglichen Mittel gilt, muß nicht auch für die damit angeschafften Wirtschaftsgüter zutreffen. Ob die Anschaffung eines Wirtschaftsguts einen betrieblichen Vorgang darstellt und ob das Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen gehört, beurteilt sich vielmehr allein danach, ob das Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen gezogen werden kann. Ist das nicht der Fall, dann muß die Anschaffung als Entnahme der für die Anschaffung verwendeten Gelder behandelt werden.
Das FG konnte davon ausgehen, daß das Darlehen mit dem Betrieb des Ehemanns nicht in einem objektiven Zusammenhang steht und ihn nicht zu fördern bestimmt und geeignet ist. Mag auch von vornherein festgestanden haben, daß die Ehefrau das Gebäude zum Teil dem Betrieb des Ehemanns zur Verfügung stellen werde, so entspricht doch der Vorgang, wie er sich hier abspielte, nicht einer normalen Geschäftsabwicklung zwischen Fremden. Ein Geschäftsmann kommt wohl kaum auf den Gedanken, einem Fremden Geld als ungesichertes Darlehen hinzugeben, damit dieser sich ein Grundstück kauft oder ein Gebäude baut und es dann dem Geschäftsmann für Geschäftszwecke zur Verfügung stellt (vgl. das Urteil des Senats VI 390/65, a. a. O.). Es liegt deshalb in einem solchen Fall nahe, daß private Gründe für die Darlehnsgewährung ausschlaggebend gewesen sind. Der Ehemann hat auch nicht dargetan, daß er Darlehen in etwa gleicher Höhe und ebenfalls ungesichert an andere Angestellte seines Unternehmens hingegeben hat.
Wenn der Ehemann im Streitfall seine baren Einnahmen nicht auf ein ungünstiger verzinsliches Bankkonto legen, sondern ertragbringender anlegen wollte, so ist das verständlich. Diese Anlegung ist aber, wie das FG in nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat, mit der Tätigkeit des Ehemanns als Kaufhausinhaber nicht verbunden, sondern allein in seinem privaten Interesse begründet. Sollte der Ehemann das Darlehen aber deshalb zu seinem Betriebsvermögen rechnen wollen, weil er sich nur dadurch die Vergünstigung des § 10a EStG erhalten kann, so liegt diese Erwägung ebenfalls nicht im betrieblichen Bereich, sondern im privaten, nämlich der Bemessung der Einkommensteuer. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG die Höhe des Darlehens und die Tatsache, daß das Darlehen nicht dinglich gesichert worden ist, als mitentscheidend dafür angesehen hat, die betriebliche Veranlassung für die Darlehnsgewährung zu verneinen. Denn bei einem Darlehen von der hier in Rede stehenden Höhe, das dinglich nicht abgesichert ist, spricht vieles dafür, daß es aus familiären oder freundschaftlichen Gründen hingegeben wurde.
Schließlich ist es nicht zu beanstanden, daß das FG das der Ehefrau gehörende Gebäude als überwiegend privat genutzt angesehen hat. Tatsächlich ist im Streitjahr und auch in den Folgejahren eine betriebliche Nutzung nur hinsichtlich eines Büroraums von rd. 16 qm, von zwei Garagen von rd. 35 qm und von Kellerräumen von rd. 72 qm Nutzfläche erfolgt. Die betriebliche Nutzung betrug deshalb nur geringfügig mehr als ein Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes. Die Sachwürdigung des FG enthält deshalb entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen keinen Widerspruch zum Akteninhalt.
Die Vorentscheidung beruht auch nicht auf einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Das FG hat das Darlehen aus den vorstehenden Gründen als nicht betrieblich veranlaßt angesehen. Es hat ausgeführt, daß die Art der Darlehnsgewährung und der Umfang des Darlehens insbesondere auch deshalb für einen betriebsfremden Vorgang sprechen, weil die Darlehnsnehmerin die Ehefrau des Darlehnsgebers ist und der Darlehnsgeber an familienfremde Arbeitnehmer entsprechende Darlehen nicht hingegeben hat. Das Darlehen ist folglich als betriebsfremd behandelt worden, nicht weil es der Ehefrau gewährt worden ist, sondern weil betriebliche Interessen bei der Darlehnshingabe nicht im Vordergrund gestanden haben.
Die Steuerpflichtigen können schließlich nicht damit gehört werden, daß das Darlehen wenigstens teilweise aus betrieblicher Veranlassung gegeben worden sei und daß deshalb das gesamte Darlehen – als wirschaftliche Einheit – zum Betriebsvermögen gehöre. Wenn, wie hier, die Gesichtspunkte dafür überwiegen, daß das Darlehen nicht betrieblich veranlaßt ist, kann es insgesamt nicht zum Betriebsvermögen gezogen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 557496 |
BStBl II 1970, 621 |
BFHE 1970, 196 |