Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff Sachgesamtheit.
Normenkette
UStG § 16; UStDB 1951 § 70 Abs. 2 Ziff. 2, § 12
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) stellt in ihrem Unternehmen Musikinstrumente her; sie erwirbt daneben von anderen Herstellerfirmen Geigenbögen und Etuis. Diese zugekauften Gegenstände stellt sie mit den in ihrem eigenen Betriebe hergestellten Geigen zur Garnituren zusammen, die sie im Streitfall in das Ausland ausgeführt hat. Sie beanspruchte für diese Lieferungen sowohl Ausfuhrvergütung als auch Ausfuhrhändlervergütung gemäß § 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit §§ 77 und 70 der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen (UStDB) 1951, die ihr durch Bescheid vom 21. Dez. 1951 auch bewilligt wurden. Nachdem durch eine Betriebsprüfung dieser Tatbestand ermittelt worden war, berichtigte das Finanzamt am 19. August 1952 diesen Bescheid und kürzte die Vergütung um den Betrag, den es als Ausfuhrhändlervergütung gewährt hatte, da die Bgin. durch Zusammenfassung verschiedener Gegenstände zu einer Sachgesamtheit eine steuerlich schädliche Bearbeitung im Sinne der §§ 70 Abs. 2 Ziff. 2, 12 UStDB vorgenommen habe, so daß ihr für die gesamte Lieferung lediglich die Ausfuhrvergütung nach § 16 Abs. 2 UStG als Herstellerin zustünde.
Mit der hiergegen eingelegten Sprungberufung macht die Bgin. geltend, daß eine "Violingarnitur" nicht als neues Verkehrsgut gelten könne; denn jeder Teil werde von ihr auch einzeln oder in jeder beliebigen mengenmäßigen Zusammenstellung, den jeweiligen Wünschen des Käufers entsprechend, geliefert. Es erfolge weder ein Montieren noch ein Einbau der Einzelteile; deshalb trete durch die Zusammenstellung auch keine Preis- oder Werterhöhung ein.
Das Finanzgericht ist dieser Auffassung gefolgt und hat ausgeführt, daß der Begriff "Sachgesamtheit" eine gewisse mechanische Verbindung mittels Einschraubens, Vernietens, Zusammenfügens usw. voraussetze. Es hat den ursprünglichen Bescheid vom 21. Dezember 1951 wieder in Kraft gesetzt. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Vorsteher des Finanzamts Wiederherstellung des Berichtigungsbescheids vom 19. August 1952.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Finanzgericht verkennt den umsatzsteuerlichen Begriff "Sachgesamtheit", wie ihn die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des erkennenden Senats entwickelt hat. Danach kann auch ein einfaches Zusammenstellen verschiedener Gegenstände schon eine Änderung der Nämlichkeit bedeuten, wenn die Verkehrsauffassung in der zusammengestellten "Sachgesamtheit" ein anderes Wirtschaftsgut erblickt wie die einfache Summe ihrer einzelnen Teile (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 381/33 vom 23. Juni 1933, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- S. 1246, und V 76/42 vom 8. Januar 1943, Slg. Bd. 52 S. 337, RStBl. 1943 S. 230). Dagegen ist eine besondere mechanische Verbindung, nicht einmal eine körperliche Zusammenfügung, zur Annahme einer Sachgesamtheit nicht erforderlich (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats V 132/52 U vom 27. April 1953). Im Gegensatz zur Auffassung der Rb. ist es auch nicht entscheidend, ob eine einheitliche oder eine gesonderte Preisberechnung erfolgt, wie es auch auf eine durch die Zusammenstellung bewirkte Wert- oder Preiserhöhung in der Regel nicht ankommen kann, wenn tatsächlich eine Sacheinheit geliefert worden ist (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Bundesfinanzhofs V 87/52 U vom 6. März 1953).
Unstreitig hat der ausländische Abnehmer die Lieferung von Violingarnituren, sogar unter einheitlicher Rechnungstellung, verlangt. Liefergegenstand waren demnach "Garnituren" und nicht die von der Bgin. hergestellten Geigen und die von ihr erworbenen Etuis und Geigenbögen. Aus der Art des Auftrages, der nicht auf Lieferung einer bestimmten Anzahl Geigen und einer bestimmten Anzahl Geigenetuis und Geigenbögen gelautet hat, aus der Preisberechnung je Garnitur sowie daraus, daß die von der Bgin. zusammengestellte Garnitur normalerweise auch künftig in der gleichen Zusammenstellung als Sacheinheit Verwendung finden soll, ergibt sich eindeutig, daß der Begriff einer Sachgesamtheit oder eines Sachinbegriffs im Sinne der bisherigen Rechtsprechung, an der der erkennende Senat festhält, gegeben ist. Daß die Einzelteile auch einzeln geliefert werden können, wie es auch bei Zimmereinrichtungen oder Werkzeugsätzen der Fall ist, kann an dieser Beurteilung nichts ändern. Fehlt es aber hiernach an der Nämlichkeit der bezogenen und der gelieferten Ware, so ist die hier allein streitige Voraussetzung des § 70 Abs. 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 12 UStDB 1951 für die Gewährung einer Ausfuhrhändlervergütung nicht gegeben.
Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben und die Berufung gegen den berichtigten Bescheid vom 19. August 1952 als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407678 |
BStBl III 1953, 206 |
BFHE 1954, 537 |