Leitsatz (amtlich)
Gewährt ein ausländischer Verkäufer bestimmten Käufern im Hinblick auf einen langjährigen Liefervertrag und eine größere Gesamtbezugsmenge Preisnachlässe, die er anderen Käufern der gleichen Handelsstufe für die gleiche eingeführte Warenmenge nicht einräumt, entspricht der in Rechnung gestellte Preis nicht dem Normalpreis.
Normenkette
ZG § 29 Abs. 1, § 31 Abs. 1 S. 2; WertZO § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1-2, § 31 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Kaltwalzwerk, ließ in der Zeit von November 1961 bis 1966 von N bezogenes Warmbreitband aus Stahl (Coils) zum freien Verkehr abfertigen. Den Einfuhren lag ein am 7. April 1960 abgeschlossener Zehnjahresvertrag zugrunde. Dieser sah vor, daß der Preis für die einzelnen Lieferungen spätestens sechs Wochen vor Beginn eines jeden Kalendervierteljahrs für das nächste Vierteljahr gemeinsam vereinbart wird, wobei für die zu berücksichtigenden Aufpreise die Aufpreisliste der N gilt. Diese sieht Mindermengenzuschläge vor. Das Zollamt (ZA) wertete die Nichtberechnung der Mindermengenzuschläge als außergewöhnliche Preisnachlässe und forderte die entsprechenden Eingangsabgaben nach.
Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Abgaben herab.
Mit der Revision macht das HZA geltend, daß die Grundpreise und die Aufpreise eine Einheit bildeten. Erst beide zusammen ergaben den erzielbaren Preis. Für Bestellungen bis zu 20 t bzw. bis zu unter 50 t ergebe sich nach der Aufpreisliste bei Warmbreitband ein anderer Preis als für Bestellungen ab 20 t bzw. ab 50 t. Der Verzicht auf einen Aufpreis könne wertzollrechtlich nur dann anerkannt werden, wenn dieser Preisnachlaß jedem unabhängigen Käufer der gleichen Handelsstufe gewährt werde, wenn er also auch bei Lieferungen solcher Mindermengen an die anderen Walzwerke in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gewährt werde. Die Mindermengenzuschläge stellten ihrem Sinn nach einen Kostenausgleich für die unrentable Herstellung von kleinen Mengen, also einen echten Kostenfaktor für den relativ hohen Arbeitsaufwand dar, und seien unabhängig von der Größenordnung und dem Auftragsvolumen des jeweiligen Käufers aus der Sicht des Lieferwerkes gerechtfertigt. Deshalb müßten insoweit alle Käufer der gleichen Handelsstufe gleichbehandelt werden. Wenn in dem maßgebenden Zeitpunkt ein Preisdruck bestanden habe, so habe sich dieser bei allen Kunden von N auswirken müssen. Die Preisbegünstigung der Klägerin und ggf. auch des anderen Großabnehmers gegenüber den Walzwerken mit geringerer Kapazität stelle einen außergewöhnlichen Preisnachlaß dar und stehe in Widerspruch zu den Bestimmungen über den Normalpreis. Habe die Klägerin größere Mengen als die anderen Walzwerke bezogen, sei dafür üblicherweise ein Mengenrabatt gewährt worden.
Die Klägerin führt aus, daß N davon ausgegangen sei, daß die Klägerin als langjähriger Großkunde einen Druck auf die Mindermengenpreise ausüben würde. Die Klägerin habe von N Mengen bezogen, die nach dem Vertrag mindestens das Zehnfache, nach der tatsächlichen Abnahme aber das Dreißig- bis Fünfzigfache der Abnahmemenge der kleineren Abnehmer betragen habe. Dies sei bei der Würdigung jedes der Preisbestandteile, wie Rabatte, Skonti oder Preisaufschläge. zu beachten. Es komme auf den normal ausgehandelten Preis an, der auch einem Abnehmer gleicher Mengen und gleicher Vertragsdauer unter Berücksichtigung der ebenfalls normalen, innerhalb des Preisbandes liegenden Abweichungen berechnet werde. Den Verhandlungen habe ein Preisgerüst zugrunde gelegen, das von dem „durchschnittlichen Feinblechvollpreis abzüglich aller Rabatte” ausgehe und von ihm aus rückrechnend den Warmbandpreis für das Quartal unter Beachtung der Liefermengen für ein halbes Jahr ermittle. Der Preis stehe also in allen Einzelheiten, auch bezüglich der Liefermengen, im Bewertungszeitpunkt fest. Der Mindermengenaufpreis könne nur im Zusammenhang mit dem Basispreis, der Liefermenge und der Vertragsdauer richtig gewertet werden. Abnehmer einer Quartalsmenge von 30 000–50 000 t könnten nicht mit Käufern verglichen werden, die in der gleichen Zeit 1 000–2 000 t bezögen. Der Mindermengenaufschlag stelle nichts als eine Schutzmaßnahme des Verkäufers dar, die sich in Zeiten entwickelt habe, in denen der Verkäufer die Möglichkeit gehabt habe, solche Preismehrungen durchzusetzen. Diese verlören ihren Sinn gegenüber Käufern in anderer Position mit einem langfristigen Vertrag und entsprechenden Planungs- und Kalkulationsvorteilen der Lieferfirma und der damit verbundenen weiteren Voraussetzungen einer beträchtlichen Abnahmemenge. Der übliche Wettbewerbspreis sei ein Preis, der „jedem Käufer der nach Vertragsdauer und Gesamtabnahmemenge vergleichbaren Ware” auf derselben Stufe zu gewähren sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Streitig ist, ob der der Klägerin von der Verkäuferin in Rechnung gestellte Preis dem üblichen Wettbewerbspreis entspricht oder ob der Klägerin ein außergewöhnlicher Preisnachlaß durch Verzicht der Verkäuferin auf die Mindermengenzuschläge eingeräumt wurde. Bei der Feststellung des üblichen Wettbewerbspreises im Sinne des § 29 Abs. 1 ZG wird nach § 1 Abs. 1 der Wertzollordnung (WertZO) von einem Preis ausgegangen, zu dem der Verkäufer die eingeführte Ware üblicherweise an jeden Käufer verkauft oder verkaufen würde. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des Normalpreises, d. h. des normalen Preises, der für die eingeführte Ware bei einem Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zwischen unabhängigen Verkäufern und Käufern im maßgebenden Zeitpunkt erzielt werden kann (§ 29 Abs. 1 ZG). Steht ein Preisnachlaß mit dieser Bestimmung in Widerspruch, so ist der um diesen Nachlaß verminderte Rechnungspreis entsprechend zu berichtigen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 ZG) bzw. ist der besonders ausgeworfene Nachlaß wertzollrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. §§ 30 ff. WertZO).
Das FG hat den Verzicht der Verkäuferin auf die Mindermengenzuschläge in den Quartalen IV/1961, I und II/1962 deshalb als mit dem Normalpreis in Widerspruch stehend angesehen, weil er nur für die Anlaufzeit wie ein Einführungsrabatt ausgesprochen wurde. Dies ist nicht mehr Gegenstand der Revision. Für die übrigen Quartale hat es die in Rechnung gestellten Preise als übliche Wettbewerbspreise angesehen, weil nach den Aussagen des Zeugen H der Preisdruck auf Bleche so stark geworden sei, daß die Mindermengenzuschläge bei der Klägerin und dem anderen Großabnehmer in der BRD nicht mehr hätten durchgesetzt werden können. Das FG hat es hierbei als unbeachtlich angesehen, daß die kleineren Abnehmer der Verkäuferin nach wie vor die Mindermengenzuschläge zahlen mußten, weil sie wegen der geringeren Abnahmemengen nicht mit der Klägerin vergleichbar seien. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verkäufer die eingeführte Ware üblicherweise an jeden Käufer verkauft oder verkaufen würde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 WertZO), ist unter „jedem Käufer” jeder Käufer der gleichen Handelsstufe zu verstehen, wobei Be- und Verarbeitungsbetriebe als eigene Handelsstufe gelten, soweit ihnen handelsüblich ein besonderer Preis eingeräumt wird (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WertZO). Denn für die Feststellung des üblichen Wettbewerbspreises einer Ware können nur Preise von Käufern miteinander verglichen werden, welche die gleiche Handelsfunktion ausüben bzw. die gleiche Art der Be- oder Verarbeitung vornehmen. Bei auf einer anderen Ebene abgeschlossenen Kaufverträgen ist der erzielbare Preis handelsüblich um die Handelsspanne dazwischengeschalteter Händler entsprechend höher bzw. bei Fehlen solcher Händler entsprechend niedriger. Im Streitfalle ist offensichtlich das FG davon ausgegangen, daß sämtliche Abnehmerwerke der Verkäuferin auf der gleichen Be- oder Verarbeitungsstufe stehen und sich nur nach den im Jahresdurchschnitt abgenommenen Mengen unterscheiden. Für die Verzollung und auch für die Bewertung der eingeführten Ware ist aber grundsätzlich nur die zur Abfertigung gestellte Menge maßgebend (§ 35 Abs. 1 Satz 2 ZG). Diese ist auch ein bei der Feststellung des Normalpreises zu berücksichtigendes Preiselement (§ 2 WertZO), was sich bei größeren eingeführten Mengen in einem als Mengenrabatt üblicherweise bezeichneten Preisnachlaß ausdrückt, der wertzollrechtlich anzuerkennen ist (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WertZO). In gleicher Weise muß ein etwaiger Mindermengenzuschlag, wie er nach den Vertragsbedingungen vorgesehen war, in den Zollwert einbezogen werden. Dies ist dadurch gerechtfertigt, daß der Kostenaufwand bei der Lieferung von Mindermengen verhältnismäßig höher ist als bei Lieferung größerer Mengen und der Hersteller diesen Mehraufwand normalerweise im Preis von seinen Abnehmern hereinholt. Wird aber bei einem Mindermengenzuschlag dem Käufer ein solcher Zuschlag aus anderen, mit dem Normalpreis nicht in Einklang stehenden Gründen nicht in Rechnung gestellt, so stellt dies einen außergewöhnlichen Preisnachlaß dar, der wertzollrechtlich nicht anerkannt werden kann. Sonst würde ein Kleinabnehmer, der am gleichen Tage die gleiche Warenmenge wie ein Großabnehmer zur Abfertigung stellt, aus wertzollrechtlich nicht zu beachtenden Gründen schlechter gestellt als ein Großabnehmer, obwohl er auf der gleichen Be- oder Verarbeitungsstufe steht. Dies wäre nur dann anders, wenn der Verzicht des Verkäufers auf den Mindermengenzuschlag in der Abnahme einer größeren Menge begründet wäre und dies einem Mengenrabatt gleichkäme, der wertzollrechtlich anzuerkennen wäre. Das FG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Wie das HZA vorgetragen hat, hat die Klägerin aufgrund der Vereinbarung vom 9. April 1960 für die maßgebenden Einfuhren Mengenrabatte von 2,25 % bis 3 % des Basispreises erhalten. Dies spricht dagegen, daß der Verzicht auf die Mindermengenzuschläge mit der einen Mengenrabatt rechtfertigenden Abnahme von größeren Mengen durch die Klägerin in Zusammenhang steht.
Bei der Feststellung des üblichen Wettbewerbspreises könnte, wie das FG insoweit zutreffend ausgeführt hat, ein allgemeiner Preisdruck dann berücksichtigt werden, wenn ein Mindermengenzuschlag vom Verkäufer nicht mehr auf dem Markt durchgesetzt werden kann und daher der in Rechnung gestellte Preis der übliche Wettbewerbspreis ist, sofern dieser von jedem Käufer der gleichen Handelsstufe erzielbar wäre. Aus den vom FG angeführten Gründen kann jedoch eine solche Ermäßigung des üblichen Wettbewerbspreises nicht gefolgert werden. Denn außer der Klägerin und der anderen größeren Abnehmerfirma mußten die anderen Walzwerke, die von der Verkäuferin Warmbreitband bezogen, weiterhin auch ab dem III. Quartal 1962 die Mindermengenzuschläge entrichten. Unterscheiden sich diese Abnehmer von den beiden Großfirmen lediglich durch die geringeren Gesamtbezüge und dadurch, daß die beiden Großfirmen längerfristige Verträge mit der Verkäuferin abgeschlossen hatten, so stehen diese Umstände jedoch mit der Zollwertnorm nicht im Einklang. Wäre der übliche Wettbewerbspreis tatsächlich durch den Preisdruck gesunken, so hätte sich dies auch bei den kleineren Abnehmern auswirken müssen. Mag ein Großabnehmer auch einen günstigeren Preis für sich aushandeln und selbst einen Preisdruck ausüben können, so steht ein in solcher Weise erzielter Preis dennoch nicht jedem Käufer der gleichen Handelsstufe offen. Vergleichbar sind nicht etwa nur die Großabnehmer und nur die Kleinabnehmer je untereinander. Denn beide Gruppen können der gleichen bzw. der als gemäß § 4 Abs. 2 WertZO gleich geltenden Handelsstufe angehören. Wird ein Preisnachlaß aber wegen der erheblicheren wirtschaftlichen Bedeutung einer größeren Gesamtbezugsmenge oder wegen einer längerfristigen vertraglichen Verbundenheit erzielt, so ist ein solcher Preisnachlaß nicht durch die wirtschaftliche Funktion der Handelsstufe bzw. des Be- oder Verarbeitungsbetriebs oder die im Einzelfall eingeführte Warenmenge bedingt und daher außergewöhnlich im Sinn der Normalpreisbestimmung. Dies hat das FG verkannt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin würde gerade bei dem Begriff „jeder Käufer” im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 2 WertZO ein erläuternder Zusatz „jedem Käufer der nach Vertragsdauer und Gesamtabnahmemenge vergleichbaren Ware” mit der Normalpreisbestimmung nicht im Einklang stehen. Denn für die Verzollung ist die Ware in ihrer Beschaffenheit und Menge im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr ohne Rücksicht auf eine zwischen zwei Geschäftspartnern vereinbarte Vertragsdauer oder Gesamtabnahmemenge maßgebend. Der Klägerin ist zuzugeben, daß dieser Umstand bei der Aushandlung eines Preises zwischen zwei Geschäftspartnern eine wesentliche Rolle spielen kann und daß dies auch im Wettbewerb üblich ist. Um aber mit dem Normalpreis eine für alle möglichen Einfuhrgeschäfte geltende Bewertungsnorm und damit eine wettbewerbsneutrale gleichmäßige Zollbelastung zu erreichen, kann der Begriff „jeder Käufer” nur in dem Sinn umschrieben und eingeschränkt werden, daß darunter jeder Käufer der gleichen Handelsstufe zu verstehen ist.
Waren die anderen Abnehmer der Verkäuferin ebenfalls Kaltwalzwerke, also Be- oder Verarbeitungsbetriebe im Sinn des § 4 Abs. 2 WertZO wie die Klägerin, so standen sie auf der gleichen Stufe wie die Klägerin im wertzollrechtlichen Sinne. Dann war der Verzicht der Verkäuferin auf die Mindermengenzuschläge als außergewöhnlicher Preisnachlaß anzusehen. Da das FG aber hinsichtlich der Handelsstufe bzw. der Be- oder Verarbeitungsstufe der Abnehmer der Verkäuferin keine eindeutigen Feststellungen getroffen und die anderen Abnehmer nur wegen der geringeren Gesamtbezugsmenge als nicht vergleichbar angesehen und daher unzutreffend die in Rechnung gestellten Preise als übliche Wettbewerbspreise angesehen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 514748 |
BFHE 1975, 137 |