Leitsatz (amtlich)
1. Erhält ein als gemeinnützig anerkanntes Wohnungsunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft für bestimmte Geschäfte nach § 6 Abs.3 und 4 WGG eine Ausnahmebewilligung, ist es mit sämtlichen Einkünften aus dieser Tätigkeit steuerpflichtig.
2. Zu diesen Einkünften zählt auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Verwaltungsgebäudes.
3. Die Entscheidungen der Anerkennungsbehörde nach dem WGG unterliegen nicht der Nachprüfung durch die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit.
Orientierungssatz
Dem Beschluß der Anerkennungsbehörde, eine Kapitalgesellschaft als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anzuerkennen, kommt die Wirkung eines für die Steuerfestsetzung bindenden Grundlagenbescheids zu. Im Rahmen des Besteuerungsverfahrens hat das FA lediglich zu prüfen, ob das Wohnungsunternehmen in dem maßgebenden Steuerabschnitt als gemeinnützig anerkannt war (vgl. RFH-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1; KStDV 1968 §§ 7, 8 Nr. 1, § 16; WGG § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 1, 3-4, § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1; WGGDV § 10 Abs. 3; AO 1977 § 171 Abs. 10
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die durch Beschluß des Ministers für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen vom ... als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen nach dem Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 29.Februar 1940 --WGG-- (BGBl III, Gliederungsnr.2330-8, veröffentl. bereinigte Fassung) anerkannt worden ist.
Die Klägerin errichtete in den Jahren 1956 und 1957 ein Verwaltungsgebäude, das von ihr zunächst mit 6,3 v.H. der Nutzfläche selbst genutzt und im übrigen vermietet wurde. Mit Bescheid vom 2.März 1960 erteilte die Anerkennungsbehörde im Einvernehmen mit dem Landesfinanzminister nachträglich eine Ausnahmebewilligung für die Errichtung des Verwaltungsgebäudes mit der ausdrücklichen Auflage, daß, soweit das Gebäude den Eigenbedarf der Klägerin übersteigt, die darauf entfallenden Steuern zu entrichten sind. Die Ausnahmebewilligung wurde insbesondere von folgenden Auflagen abgabenrechtlicher Art abhängig gemacht:
"1. Für die Einkünfte und für das Vermögen, die aus der Errichtung bzw. Nutzung der genannten Gebäudeteile entstehen, ist Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer zu entrichten.
2. Für die Zwecke der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer sind die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen jährlich aufgrund gesonderter Buchführungsunterlagen zu erklären."
Mit Vertrag vom 26.März 1973 verkaufte die Klägerin das Verwaltungsgebäude, das seit Mai 1970 in vollem Umfang vermietet war, zu einem Kaufpreis von 1,5 Mio DM //Zahlen geändert// an den Mieter. In Höhe des sich hierbei ergebenden Veräußerungsgewinns von 954 200 DM bildete die Klägerin eine Reinvestitionsrücklage nach § 6b Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schätzte für das Streitjahr (1975) die voraussichtlichen Aufwendungen für das Reinvestitionsobjekt auf 680 000 DM und löste die Rücklage in Höhe des überschießenden Betrags gewinnerhöhend auf.
Nach erfolglosem Einspruch gegen den nach einer Betriebsprüfung geänderten Steuerbescheid, bei der eine Kürzung des Reinvestitionsvolumens auf 600 000 DM festgestellt worden war, erhob die Klägerin gegen die steuerliche Erfassung des Veräußerungsgewinns Klage, da sie als nach dem WGG steuerbefreite Körperschaft durch die Vermietung des Verwaltungsgebäudes keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten habe, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgegangen sei. Die Steuerpflicht ergebe sich auch nicht aus den Auflagen abgabenrechtlicher Art vom 2.März 1960, da für diese Auflagen keine Rechtsgrundlage im WGG vorhanden sei.
Nachdem die Klägerin beantragt hatte, bei der Überprüfung der Körperschaftsteuer der Höhe nach zu berücksichtigen, daß der bis zum Jahre 1970 selbstgenutzte Anteil in Höhe von 6,3 v.H. mit dem höheren Einlagewert angesetzt werden müsse, stellte das Finanzgericht (FG) durch Zwischenurteil gemäß § 99 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fest, daß der Veräußerungsgewinn zu den steuerpflichtigen Einkünften gehöre.
Auf die Revision gegen das Zwischenurteil hob der erkennende Senat dieses mit Urteil vom 25.November 1987 I R 182/83 auf.
Daraufhin wies das FG die Klage ab.
Die Entscheidungsgründe entsprechen denen des Zwischenurteils, das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 573 veröffentlicht ist.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 4 Abs.1 Nr.6 des Körperschaftsteuergesetzes in der vor dem 1.Januar 1977 geltenden Fassung (KStG a.F.), des § 6 WGG und des § 10 der Verordnung über die Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGGDV) i.d.F. vom 24.November 1969 (BGBl I, 2142).
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).
1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Klägerin als unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 KStG a.F. den Gewinn aus der Veräußerung des Verwaltungsgebäudes der Körperschaftsteuer zu unterwerfen hat. Die auf der Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen nach dem WGG beruhende Steuerbefreiung wird durch die Auflagen abgabenrechtlicher Art der Anerkennungsbehörde vom 2.März 1960 insoweit eingeschränkt. Für die steuerrechtliche Beurteilung kommt es auf die Rechtmäßigkeit dieser Auflagen nicht an.
a) Nach § 4 Abs.1 Nr.6 KStG a.F. sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, von der Körperschaftsteuer befreit, soweit sie keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Für die Durchführung der Steuerbefreiung gelten nach § 7 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. vom 26.März 1969 --KStDV 1968-- (BGBl I 1969, 270) die §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und die Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24.Dezember 1953 (GemVO). In § 8 Nr.1 KStDV 1968 ist ergänzend bestimmt, daß von der Körperschaftsteuer auch Wohnungsunternehmen befreit sind, solange sie aufgrund des WGG und der dieses Gesetz ergänzenden Vorschriften als gemeinnützig anerkannt sind.
b) Die Klägerin hat durch den Beschluß vom ... die nach § 16 Abs.1 i.V.m. § 17 Abs.1 WGG vorgeschriebene förmliche Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen durch die hierfür zuständige Wohnungsbaubehörde erhalten. Sie gilt damit nach § 1 Abs.2 WGG als Unternehmen, das ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient und dessen wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb über den Rahmen der Vermögensverwaltung nicht hinausgeht. Das WGG konstituiert insoweit ein Sonderrecht der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, das eine zusätzliche Überprüfung am Maßstab der §§ 17 bis 19 StAnpG und der GemVO nicht zuläßt (vgl. hierzu Ipsen, Rechtsfragen der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen, in Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 23.Jahr (1978), S.121 ff.). Die Frage, ob ein Unternehmen nach dem WGG als gemeinnützig anzuerkennen ist, bestimmt sich damit ausschließlich nach den Vorschriften dieses Gesetzes.
Die Entscheidung über die Anerkennung ist für die Steuerbehörden bindend (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 28.November 1942 VI a 35/42, RStBl 1942, 1147; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.Dezember 1954 III 78/54 S, BFHE 60, 165, BStBl III 1955, 63). Das WGG eröffnet den Steuerbehörden die Möglichkeit, die Entziehung der Anerkennung zu beantragen, falls nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht erfüllt sind (vgl. §§ 19 und 20 WGG). Im Rahmen des Besteuerungsverfahrens hat das FA lediglich zu prüfen, ob das Wohnungsunternehmen in dem maßgebenden Steuerabschnitt als gemeinnützig anerkannt war (BFH-Urteil in BFHE 60, 165, BStBl III 1955, 63). Dem Anerkennungsbeschluß kommt hierbei die Wirkung eines für die Steuerfestsetzung bindenden Grundlagenbescheides zu (vgl. die Legaldefinition in § 171 Abs.10 der Abgabenordnung --AO 1977--), der ohne zeitliche Befristung erteilt wird.
c) Der gemeinnützige Zweck nach dem WGG beschränkt sich grundsätzlich auf die Errichtung und Verwaltung von sog. Kleinwohnungen (vgl. § 6 Abs.1 WGG). Dem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen kann jedoch durch eine Ausnahmebewilligung der Anerkennungsbehörde nach § 6 Abs.3 und 4 WGG auch die Ausübung von Geschäften erlaubt werden, die nicht im Rahmen der Gemeinnützigkeit liegen. Die Ausnahmebewilligung kann (vgl. § 10 Abs.3 WGGDV) unter Auflagen abgabenrechtlicher Art erteilt werden. Durch diese Auflagen soll für eine Betätigung außerhalb des gemeinnützigen Zwecks der Wettbewerbsvorsprung gegenüber den freien Wohnungsunternehmen aufgehoben werden (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 14.November 1968 VIII C 68.64, BVerwGE 31, 35; Thies, Wohnungsgemeinnützigkeit, 1986, S.43). Sinn und Zweck der abgabenrechtlichen Auflagen sind insoweit mit der Regelung in § 6 GemVO vergleichbar, die ebenfalls der Wettbewerbsneutralität dient (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 21.August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88). Soweit die Klägerin im Hinblick auf die nach dem WGG beschränkten Gewinnverwendungsmöglichkeiten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht steuerbefreiten Wohnungsunternehmen verneint, verkennt sie, daß es unter Wettbewerbsgesichtspunkten unerheblich ist, ob der Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet oder für gemeinnützige Zwecke verwendet wird.
d) Soweit die Klägerin aufgrund der Ausnahmebewilligung vom 2.März 1960 tätig geworden ist, ist sie mit sämtlichen Einkünften aus dieser Tätigkeit nach § 1 Abs.2 KStG steuerpflichtig. Zu diesen Einkünften rechnet auch der Gewinn aus der Veräußerung des Verwaltungsgebäudes (§ 6 Abs.1 Satz 1 KStG a.F. i.V.m. § 15, § 2 Abs.2, §§ 5 und 6 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung --EStG 1975--).
aa) Die abgabenrechtlichen Auflagen verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (vgl. hierzu Tipke, Steuerrecht, § 3 Abschn.4.1). Denn die Steuerpflicht folgt nicht aus diesen Auflagen; sie ergibt sich vielmehr unmittelbar und abschließend aus den Steuergesetzen.
Die Auflagen abgabenrechtlicher Art nach § 10 Abs.3 WGGDV schränken lediglich den Umfang der auf der Fiktion des § 1 Abs.2 WGG beruhenden Steuerbefreiung des § 4 Abs.1 Nr.6 KStG a.F. i.V.m. § 8 KStDV 1968 ein (vgl. Urteil des BVerwG in BVerwGE 31, 35; Thies, a.a.O., S.43; vgl. zur Rechtsnatur und Wirkungsweise der abgabenrechtlichen Auflagen auch Ipsen, a.a.O., S.130). Sie begrenzen die Wirkungen des Anerkennungsbescheides auf die nicht in der Ausnahmebewilligung genannten Geschäfte und lassen damit für die dort aufgeführten Tätigkeiten die durch die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach dem WGG zunächst in vollem Umfang aufgehobene Steuerpflicht nach § 1 KStG a.F. wieder aufleben.
bb) Die Ausnahmebewilligung vom 2.März 1960 ist inhaltlich hinreichend bestimmt und gewährleistet eine eindeutige Abgrenzung zwischen dem gemeinnützigen Geschäftskreis der Klägerin und ihrem steuerpflichtigen Tätigkeitsbereich. Die Verfügung vom 2.März 1960 läßt auch keine besonders schwerwiegenden Mängel erkennen, die ihre Nichtigkeit zur Folge haben könnten. Insbesondere führt die von der Klägerin behauptete Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs.3 WGGDV nicht zur Nichtigkeit der auf dieser Vorschrift beruhenden Verfügung, wie sich aus § 79 Abs.2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ergibt.
Im übrigen kommt es auf die Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Ausnahmebewilligung im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht an, weil die Entscheidungen der Anerkennungsbehörde nach dem WGG, zu denen auch die Erteilung von Ausnahmebewilligungen mit abgabenrechtlichen Auflagen rechnen, weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörden und die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit unterliegen. Es kann deshalb dahinstehen, ob das WGG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Auflagen abgabenrechtlicher Art nach § 10 Abs.3 WGGDV enthält.
cc) Im Streitfall kann auch offenbleiben, ob die Vermietung des Verwaltungsgebäudes als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu werten ist, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nach § 6 GemVO ist nur von Bedeutung, soweit eine Steuerbefreiung nach § 4 Abs.1 Nr.6 KStG a.F. in Betracht kommt. Die Klägerin unterliegt jedoch mit dieser Tätigkeit der Steuerpflicht nach den allgemeinen Grundsätzen. Sie hat insoweit alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln (§ 6 Abs.1 KStG a.F. i.V.m. § 16 KStDV 1968) und ihren Gewinn nach § 2 Abs.2, § 5 EStG 1975 durch Vermögensvergleich zu ermitteln. Aus dem Wesen der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich folgt zwangsläufig, daß eine Gewinnrealisierung eintreten muß, wenn ein zum Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut zu einem über dem Buchwert liegenden Verkaufswert veräußert wird (BFH-Urteil vom 18.Juni 1969 I R 187/66, BFHE 96, 99, BStBl II 1969, 578). Die steuerliche Erfassung dieses Gewinns ist durch die Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs.3 EStG lediglich zeitlich hinausgeschoben worden.
Fundstellen
Haufe-Index 62770 |
BFH/NV 1989, 52 |
BStBl II 1989, 997 |
BFHE 158, 216 |
BFHE 1990, 216 |
BB 1989, 2324-2324 (L1-3) |
DB 1990, 90 (S) |
DStR 1989, 722 (K) |
HFR 1990, 200 (LT) |