Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Eine Rb., die sich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung des Finanzgerichts richtet, ist in der Regel unzulässig.
Auch eine nach § 92 Abs. 3 AO berichtigte Kostenentscheidung des Finanzgerichts kann grundsätzlich nicht selbständig angefochten werden.
Normenkette
AO § 307 Abs. 1; FGO § 135/1, § 136/1; AO § 92 Abs. 3, § 92/2, §§ 244, 318/1; FGO § 138/1, § 143
Tatbestand
Auf Grund einer Betriebsprüfung hatte das Finanzamt festgestellt, daß die Bfin., eine OHG, ihre Betriebseinnahmen in der Buchführung nicht voll erfaßt hatte. Im Wege der Schätzung setzte es für 1955 bis 1957 die Umsätze und Gewinne höher fest. Die Berufungen der Bfin. in der Umsatzsteuersache und in der einheitlichen Gewinnfeststellungssache hatten nur geringen Erfolg. Im Urteil vom 13. November 1962 in der Umsatzsteuersache legte das Finanzgericht der Bfin. 5/6 der Kosten des Verfahrens auf, während es in der einheitlichen Gewinnfeststellungssache der Bfin. nur 1/6, dem Land aber 5/6 der Kosten auferlegte. Das Finanzamt beantragte beim Finanzgericht, die Kostenentscheidung in der einheitlichen Gewinnfeststellungssache wegen des offensichtlichen Schreibfehlers gemäß § 92 Abs. 3 AO zu ändern und der Bfin. auch in dieser Sache 5/6 der Kosten aufzuerlegen. Innerhalb der Rechtsmittelfrist teilte der Vertreter des Kammervorsitzenden des Finanzgerichts unter dem 19. Dezember 1962 der Bfin. mit, daß die Kostenentscheidung nach dem Ergebnis des Steuerstreits tatsächlich unrichtig sei und richtig heißen müsse, daß die Bfin. die Kosten des Verfahrens zu 5/6 zu tragen habe; ein Berichtigungsbeschluß werde in der nächsten Sitzung der Kammer ergehen. Mit Schreiben vom 15. Januar 1963 äußerte die Bfin. Bedenken gegen die Zulässigkeit der änderung der Kostenentscheidung. Am 2. April 1963 wurde der Bfin. ein Beschluß der Kammer des Finanzgerichts vom 20. März 1963 zugestellt, worin die Kostenentscheidung dahin geändert war, daß die Bfin. 5/6 der Kosten zu tragen hatte. Nach der beigegebenen Rechtsmittelbelehrung war gegen den Beschluß ein Rechtsmittel nicht gegeben. Erstmals mit Schreiben vom 22. August 1963 an den Präsidenten des Finanzgerichts erhob die Bfin. gegen diesen Beschluß Einwendungen. Auf den Rechtsmittelweg an den Bundesfinanzhof verwiesen, rügte sie nunmehr mit Schreiben vom 3. Oktober 1963 die ergangene Berichtigung der Kostenentscheidung.
Entscheidungsgründe
Der Senat betrachtet dieses Schreiben als Rb., die aber als unzulässig zu verwerfen war.
Zweifelhaft ist zunächst, ob das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 245 AO von einem Monat eingelegt ist. Förmlich hat die Bfin. ein Rechtsmittel gegen die berichtigte Kostenentscheidung erst mit ihrem Schreiben vom 3. Oktober 1963 an den Bundesfinanzhof eingelegt. Da ihr der Berichtigungsbeschluß der Kammer des Finanzgerichts bereits am 2. April 1963 zugestellt worden war, war die Frist des § 245 AO weit überschritten.
Allerdings war eine Rechtsmittelfrist nur in Lauf gesetzt, wenn die der Entscheidung beigegebene Rechtsmittelbelehrung sachlich richtig war. Die hier erteilte Rechtsmittelbelehrung, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei, war aber zutreffend, wie unten näher dargelegt wird. Die Rechtsmittelfrist wurde deshalb mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses am 2. April 1963 in Lauf gesetzt und endete nach einem Monat. Das erst mit Schreiben vom 3. Oktober 1963 eingelegte Rechtsmittel wäre deshalb als verspätete gemäß § 252 Abs. 1 AO zu verwerfen, sofern nicht der Bfin. gemäß § 86 AO Nachsicht gewährt wird.
Der Senat läßt es dahingestellt, ob der Bfin. wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Nachsicht gewährt werden kann. Denn auch wenn Nachsicht gewährt würde, müßte das Rechtsmittel auf jeden Fall aus anderen Gründen als unzulässig verworfen werden. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob bereits in dem Schreiben des Kammervorsitzenden vom 19. Dezember 1962 eine rechtswirksame Berichtigung der Kostenentscheidung im Sinne des § 92 Abs. 3 AO lag, weil auch der Vorsitzende ohne förmlichen Beschluß seiner Kammer zu dieser Berichtigung befugt war und mit dem Schreiben vom 19. Dezember 1962 die Berichtigung der Bfin. angekündigt hatte. Nimmt man das an, so könnte man vielleicht im Schreiben der Bfin. vom 15. Januar 1963 ein fristgerechtes Rechtsmittel gegen die Berichtigungsverfügung des Vorsitzenden sehen.
Aber auch bei dieser Betrachtung müßte das Rechtsmittel aus den nachstehenden anderen Gründen auf jeden Fall als unzulässig verworfen werden. Die Bfin. wendet sich nämlich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung des Finanzgerichts. Nach ständiger Rechtsprechung können aber Urteile der Finanzgerichte im Kostenpunkt in der Regel nur zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache mit der Rb. angefochten werden (vgl. z. B. die Urteile des Bundesfinanzhofs VI 112/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 90, Slg. Bd. 64 S. 237, und III 20/58 U vom 16. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 119, Slg. Bd. 68 S. 305). Nur soweit das Finanzgericht eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr treffen konnte, weil diese sich erledigt hatte, ist eine Rb. gegen die Kostenentscheidung des Finanzgerichts allein zulässig (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 106/59 U vom 21. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 308, Slg. Bd. 69 S. 121). Eine von der Hauptsache getrennte Rb. gegen Urteile der Finanzgerichte hinsichtlich der mit dem Urteil verbundenen Streitwertfeststellung ist zwar nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 10/58 S vom 16. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 145, Slg. Bd. 70 S. 388) zulässig. Das Urteil stellt aber ausdrücklich klar, daß für die selbständige Anfechtbarkeit gerichtlicher Kostenentscheidungen nicht dasselbe gilt.
Die Bfin. rügt weniger die sachliche Richtigkeit der berichtigten Kostenentscheidung des Finanzgerichts als ihre verfahrensrechtliche Zulässigkeit. Das Finanzgericht hat seinen Berichtigungsbeschluß auf die Vorschrift des § 92 Abs. 3 AO gestützt. Diese Vorschrift, die im zweiten Teil des ersten Abschnitts der AO über die allgemeinen Vorschriften enthalten ist, gilt auch für das Rechtsmittelverfahren, das im dritten Abschnitt der AO geregelt ist. Damit steht fest, daß Rechtsmittelentscheidungen, insbesondere auch Urteile der Steuergerichte, ebenfalls nach § 92 Abs. 3 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit berichtigt werden können. Der Bundesfinanzhof könnte in solchen Fällen allenfalls prüfen, ob die Voraussetzung des § 92 Abs. 3 AO, d. h. eine offenbare Unrichtigkeit der ursprünglichen Kostenentscheidung, vorgelegen hat. Aber auch eine solche beschränkte Prüfung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zulässig. Da die Berichtigung eines finanzgerichtlichen Urteils allgemein nach § 92 Abs. 3 AO zulässig ist und die vorliegende Rb. eine Kostenentscheidung des Finanzgerichts betrifft, kann der Bundesfinanzhof sie, sofern nicht einer der erwähnten Ausnahmefälle vorliegt, nicht getrennt, sondern nur zusammen mit der Hauptsache sachlich prüfen. Die Hauptsache ist aber hier nicht mit der Rb. angefochten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bfin. nach der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses nicht mit einem Rechtsmittel sowohl die Sachentscheidung wie die berichtigte Kostenentscheidung hätte angreifen können. Denn ein Rechtsmittel gegen die Hauptsache hat die Bfin. auch nach Empfang des Berichtigungsbeschlusses nicht eingelegt. Unter diesen Umständen muß es bei dem allgemeinen Grundsatz verbleiben, daß die Rb. im Kostenpunkt allein hier nicht zulässig ist.
Das Urteil des III Senats III 106/61 U vom 30. August 1963 (BStBl 1963 III S. 585, Slg. Bd. 77 S. 722) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Nach diesem Urteil soll die selbständige Anfechtung einer Kostenentscheidung zulässig sein, wenn deren verfahrensrechtliche Unzulässigkeit geltend gemacht wird. Der vom III. Senat entschiedene Fall lag aber wesentlich anders. Dort hatte das Finanzgericht nach der Rechtskraft (Unanfechtbarkeit) eines Urteils die Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges nachträglich im zweiten Rechtsgang, der nur die Streitwertfeststellung betraf, geändert. Darin lag ein Verstoß gegen die Grundordnung des steuergerichtlichen Verfahrens, den der III. Senat als mit der Rb. angreifbar ansieht. Im Streitfall verlangt die Bfin. dagegen mit der Rb. die Nachprüfung einer verfahrensrechtlich einwandfreien Kostenentscheidung des Finanzgerichts. Dieses Begehren steht im Widerspruch mit den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung über die Nachprüfung von Kostenentscheidungen und ist unzulässig. Auch das Urteil des Senats VI 106/63 S vom 13. März 1964 (BStBl 1964 III S. 316) geht von ähnlichen Erwägungen aus.
Fundstellen
Haufe-Index 411355 |
BStBl III 1964, 588 |
BFHE 1965, 318 |
BFHE 80, 318 |