Leitsatz (amtlich)

  1. Unter einem "im Zollfreigebiet belegenen Betrieb" im Sinne von § 71 Abs. 1 Nr. 3 UStDB (= § 17 Nr. 3 UStG 1965) ist ein Betrieb zu verstehen, in dem mit behördlicher Zulassung eine im Zollfreigebiet auf Dauer gerichtete Tätigkeit ausgeübt wird.
  2. Vorübergehend im Zollfreigebiet errichtete Baustellen, auch wenn sie Betriebstätten im Sinne des § 16 Abs. 2 StAnpG sind, sind nicht als im Zollfreigebiet belegene Betriebe anzusehen.
 

Normenkette

UStG § 17 Abs. 3; UStDB § 71 Abs. 1/3; StAnpG § 16 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1959

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Antragstellerin - Astin -) Ausfuhrhändler- und Ausfuhrvergütung zustehen. Dem Vergütungsantrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Astin betreibt ein Unternehmen für Tief- und Schlengenbau. Im Jahre 1959 baute sie Buhnen und Leitdämme. Die Anlagen sollen eine Verschlammung der Fahrwasserrinne verhindern und damit die Zufahrt zum ... Hafen in der erforderlichen Wassertiefe erhalten. Die Arbeiten wurden von zwei Wohnschiffen aus durchgeführt. Das eine Wohnschiff war unmittelbar an der Einbaustelle verankert, während das andere an der Hafenmauer festgemacht und durch einen Steg mit dem Land fest verbunden war. Auf dem letzteren Schiff befand sich die örtliche Bauleitung, die u. a. über ein Telefon verfügte. Beide Wohnschiffe befanden sich im Zollfreigebiet. Die Astin überführte das Schlengenmaterial in das Zollfreigebiet, stellte daraus Senkstücke her, und versenkte sie dort, indem sie die Senkstücke mit Steinen beschwerte. Sie begehrte für die Ausfuhr des Schlengenmaterials Ausfuhrhändler- und Ausfuhrvergütung.

Das Finanzgericht (FG) stellte außerdem fest, daß die Astin mit Schreiben vom 24. März 1960 beim Finanzamt (FA) angefragt hat, ob sie für den Bau von Leitdämmen und Buhnen im Zollausschlußgebiet Vergütung erhalten könne. Bejahendenfalls bat sie, ihr Schreiben als Antrag auf Vergütung für das I. Quartal 1959 zu betrachten, und kündigte an, die genauen Zahlen nach Eingang der Antwort des FA nachzureichen. Am 13. Juli 1960 reichte sie den amtlichen Antragsvordruck ein, in dem sie auch die Höhe der beantragten Vergütung angab. Das FA lehnte den Antrag ab, weil nach seiner Auffassung kein Vergütungstatbestand vorlag. Der Einspruch blieb aus sachlichen Gründen erfolglos.

Das FG verneinte, daß die Astin die Vergütung innerhalb der Ausschlußfrist wirksam beantragt hat, ließ die Frage, ob der Astin Nachsicht zu gewähren sei, dahingestellt bleiben und wies die Berufung aus sachlichen Gründen als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Mit der als Revision zu behandelnden Rb. (ß 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO) beantragt die Astin, die Vorentscheidung aufzuheben und ihr die Vergütung entsprechend ihrem Antrag zuzuerkennen.

  1. Die Vorentscheidung ist fehlerhaft, soweit sie dahingestellt sein ließ, ob die Astin Nachsicht wegen Versäumens der Ausschlußfrist zu gewähren ist. Die Vorinstanz mußte prüfen, ob die Ausschlußfrist versäumt war, ob - wenn sie versäumt war - Nachsichtgründe vorlagen, und mußte, wenn keine Nachsichtgründe vorlagen, die Klage als unbegründet zurückweisen; sie durfte diese Frage nicht dahingestellt sein lassen.

Das FA hat jedoch der Astin, wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, stillschweigend Nachsicht gewährt. Dem Aktenvermerk des FA auf dem Antragsformular über das Eingangsdatum ist zu entnehmen, daß das FA dem Zeitpunkt der Antragstellung Bedeutung beigemessen hat. Das FA stellte Ermittlungen an, verhandelte mit der Astin auch nach dem 31. März 1960 sachlich, sprach im Aktenvermerk vom 7. Dezember 1960 vom "Vergütungsantrag vom 24. 3. 1960" und berief sich weder bei der Ablehnung des Vergütungsantrages noch bei seiner Einspruchsentscheidung noch im Berufungs- oder Revisionsverfahren auf den Ablauf der Ausschlußfrist. Aus all dem ergibt sich, daß das FA für das Nachreichen der Angaben, die im formlosen Vergütungsbegehren nicht enthalten waren, stillschweigend Nachsicht gewährt hat. Das FA war befugt, den Sachverhalt dahin gehend zu würdigen, daß bei der schwierigen Sach- und Rechtslage die Fristversäumung ohne Verschulden der Astin eingetreten ist.

Der Senat vermag daher in der Sache zu erkennen.

  1. Der Vergütungsantrag der Astin ist sachlich unbegründet, weil die Astin keinen Gegenstand zwecks gewerblicher Verwendung in ihrem Unternehmen in das Ausland verbracht hat (ß 16 Abs. 1 UStG, § 70 Abs. 1 Nr. 2 UStDB). Eine gewerbliche Verwendung im Ausland im Sinne des § 70 Abs. 1 Nr. 2 UStDB liegt nicht vor, weil keiner der Tatbestände des § 71 Abs. 1 UStDB, auf die sich die Astin beruft, erfüllt ist.
    1. Eine gewerbliche Verwendung im Sinne von § 71 Abs. 1 Nr. 2 UStDB liegt nicht vor, weil sich die von der Astin errichtete ortsgebundene Anlage nicht außerhalb des Reichsgebiets befindet, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat.
    2. ß 71 Abs. 1 Nr. 3 UStDB kommt der Astin nicht zugute, weil sie keinen im Zollfreigebiet belegenen Betrieb unterhalten hat.

Bei den Vorschriften des § 71 Abs. 1 UStDB muß dem Sinn und Zweck des einzelnen Tatbestandes entnommen werden, was jeweils unter Betrieb zu verstehen ist.

Durch die Bestimmung des § 71 Abs. 1 Nr. 3 UStDB soll der besonderen Lage der in den Freihäfen belegenen Be- und Verarbeitungsbetriebe Rechnung getragen werden. Die im Zollfreigebiet belegenen Betriebe sollen die für die Produktion oder zum Aufbau des Betriebes bestimmten Gegenstände begünstigt beziehen können. Die Vorschrift dient dem Zweck, die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftskraft der im Zollausschluß belegenen gewerblichen Betriebe gegenüber ausländischen Betrieben zu stärken. Unter einem "im Zollfreigebiet belegenen Betrieb des Antragstellers" ist daher nur ein Betrieb zu verstehen, der in einem Zollfreigebiet belegen und von der zuständigen Behörde als Dauerbetrieb zugelassen ist (Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 29. April 1957 IV A/2 - S 4015 - 10/57, BStBl I 1957, 235 ff., 245 = USt-Kartei S 4165 Karte 68, Tz. 37 Abs. 4; siehe auch Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., Tz. 5929, 5930, 5939 a; Hübschmann-Grabower-Beck- v. Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Anm. 4 zu § 17; Sölch-Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 7. Aufl., Bem. 6 zu § 17). Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, besaß die Astin keinen solchen im Zollfreigebiet belegenen Betrieb. Unbeachtlich ist im Rahmen des § 71 Abs. 1 Nr. 3 UStDB, ob die Astin im Zollfreigebiet eine Betriebstätte im Sinne des § 16 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes unterhalten hat.

Zu Unrecht beruft sich die Astin für die Auslegung des Begriffs "im Zollfreigebiet belegener Betrieb des Antragstellers" auf das Urteil des Senats V 99/60 U vom 16. Mai 1963 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 77 S. 80 - BFH 77, 80 -, BStBl III 1963, 346), das die Auslegung des Betriebsbegriffs im Sinne von § 71 Abs. 1 Nr. 7 UStDB betrifft. Der Senat hat in jenem Urteil betont, daß sich die dort gegebene Begriffsbestimmung des Betriebs auf den Tatbestand des § 71 Abs. 1 Nr. 7 UStDB beschränke.

  1. Die Vorschrift des § 71 Abs. 1 Nr. 4 UStDB schließlich kommt für eine Vergütung nicht in Betracht, weil der Gegenstand der Werklieferung nicht in einem Betrieb des Abnehmers Verwendung findet. Leistungsempfänger ist nach den Feststellungen der Vorinstanz der Bund. Wie die Vorinstanz weiter zutreffend ausführt, werden die Buhnen und Leitdämme in keinem Betrieb des Bundes verwendet. Der Bund empfängt die Leistung der Astin vielmehr, wie die Vorinstanz festgestellt hat, in seinem hoheitlichen Aufgabenbereich.
 

Fundstellen

Haufe-Index 425772

BFHE 1968, 332

BFHE 90, 332

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