Leitsatz (amtlich)
1. Die während der Geltungsdauer des KraftStG 1955 erteilten Kraftfahrzeugsteuer-Bescheide waren nichtförmliche Steuerbescheide im Sinne des § 212 AO.
2. Deshalb konnte die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 223 AO nachgefordert werden; der Zustimmung des Steuerpflichtigen bedurfte es nicht, da § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO in diesem Falle nicht eingreift.
2. Gegenüber der Kraftfahrzeugsteuer-Nachforderung kann der Einwand von Treu und Glauben nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen durchgreifen.
Normenkette
KraftStG 1955 § 14; KraftStDV 1955 § 17; AO § 94 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, §§ 211-212, 222-223
Tatbestand
Der am 15. August 1952 zugelassene, am 12. April 1962 abgemeldete Fahrzeuganhänger des Klägers war ab 15. Juli 1955 nach einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 16 880 kg besteuert worden. Dieses Gesamtgewicht, welches die Zulassungsbehörde dem FA auf Rückfrage mitgeteilt hatte, gab das FA dem Kläger in dem durch die Umstellung der Besteuerungsgrundlage auf Grund des Verkehrsfinanzgesetzes vom 6. April 1955 (BGBl I, 166) erforderlich gewordenen Übergangssteuerbescheid vom 23. Mai 1955 zusammen mit einer Jahressteuer von 1 725 DM bekannt. Nach Übergang vom Steuerkartensystem auf das Steuerbescheidsystem wurde die Kraftfahrzeugsteuer durch Steuerbescheide vom 4. Mai 1959 und 14. Mai 1960 ab 15. Mai 1959 bzw. ab 15. Mai 1960 auf jährlich 2 300 DM bzw. 2 770 DM wegen zwischenzeitlicher Gesetzesänderungen höher festgesetzt.
Am 14. Mai 1962 teilte die Zulassungsbehörde dem FA mit, daß das Gesamtgewicht bereits ab Erstzulassung des Fahrzeuganhängers 24 000 kg betragen habe. Daraufhin erließ das FA vier Festsetzungsverfügungen vom 15. Mai 1962, von denen in drei Bescheiden die Steuernachforderungen für die Zeit vom 15. Juli 1955 bis 14. Mai 1959, vom 15. Mai 1959 bis 14. Mai 1960 und vom 15. Mai 1960 bis 14. Mai 1961 in Höhe von 4 878,60 DM, 1 447,20 DM und 1 874 DM auf § 222 AO gestützt wurden. Mit dem vierten Bescheid forderte das FA auf Grund einer ergänzenden Mitteilung der Zulassungsbehörde über die Änderung des Gesamtgewichts auf 22 000 kg eine Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 1. April 1961 bis 14. Mai 1962 in Höhe von 1 298,40 DM nach.
Mit dem Einspruch gegen die vier Steuerbescheide vom 15. Mai 1962 wandte der Kläger ein, die Steuernachforderungen verstießen gegen Treu und Glauben, da er für den Irrtum der Zulassungsbehörde nicht einstehen könne. Außerdem sei bis zum 4. Mai 1959 ein schriftlicher Steuerbescheid nicht erteilt worden, so daß für die Zeit bis zum 15. Mai 1959 eine Berichtigungsveranlagung nicht möglich gewesen sei. Im übrigen hätten neue Tatsachen im Sinne von § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht vorgelegen. Einer Nachforderung gemäß § 223 AO stehe § 94 AO entgegen, soweit nicht die Steueransprüche ohnehin verjährt seien.
In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die nunmehr auf § 223 AO gestützten Steuernachforderungen auf 7 801,90 DM herab, weil die Nachforderungen für die Jahre 1955 und 1956 in Höhe von insgesamt 1 592,30 DM verjährt seien und weil die Nachforderung durch den vierten Bescheid vom 15. Mai 1962 für die Zeit bis zum 14. Mai 1962 wegen Steuerabmeldung des Fahrzeuganhängers ab 12. April 1962 um 104 DM zu mindern sei.
Nach erfolgloser Berufung begründet der Kläger seine Rechtsbeschwerde erneut damit, daß § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO gleichrangig neben § 223 AO anzuwenden sei, daß also mangels seiner Zustimmung eine Nachforderung nicht auf § 223 AO gestützt werden könne. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege in der Nachforderung deshalb, weil die Zulassungsbehörde als Nebenstelle des FA anzusehen sei. Er habe sich in seinen Dispositionen auf die Richtigkeit der ursprünglichen Steuerfestsetzungen verlassen dürfen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist nicht begründet.
1. Die während der Geltungsdauer des KraftStG 1955 (BGBl I, 417) und der Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Fassung vom 12. Juli 1955 - KraftStDV 1955 - (BGBl I, 423), also vor Inkrafttreten des KraftStG in der Fassung vom 2. Januar 1961 - KraftStG 1961 - (BGBl I, 1) am 1. Januar 1961 und der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung vom 14. Juni 1961 - KraftStDV 1961 - (BGBl I, 764) am 22. Juni 1961, erteilten Kraftfahrzeugsteuer-Bescheide waren nichtförmliche Steuerbescheide im Sinne des § 212 AO.
Die gemäß § 14 KraftStG 1955 zu erteilende Steuerkarte diente nur dem Nachweis der Steuerentrichtung, war aber kein förmlicher Steuerbescheid im Sinne des § 211 AO (vgl. zu § 212 AO a. F. Urteil des RFH II A 383/30 vom 24. September 1930, RStBl 1930, 768). Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 1 KraftStDV 1955, daß die Festsetzungsverfügung auf der Steueranmeldung (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KraftStDV 1955) ein Steuerbescheid im Sinne des § 212 AO war, wiederholte nur deklaratorisch den Gesetzesbefehl des § 212 AO selbst. Nur in Ausnahmefällen war die Steuerfestsetzung dem Steuerschuldner schriftlich mitzuteilen (§ 17 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 KraftStDV 1955). Wenn die Finanzverwaltungsbehörden (im Vorgriff auf eine künftige gesetzliche Regelung) durch Verwaltungsbestimmungen das Steuerkartensystem allgemein durch ein Steuerbescheidsystem ersetzten, so konnte dies mangels Regelung in einem Steuergesetz den Charakter der nunmehr im Regelfall erteilten Bescheide als nichtförmlicher Steuerbescheide nicht ändern.
Die im Streitfall erteilten Bescheide - zuletzt am 14. Mai 1960 für die Zeit ab 15. Mai 1960 - waren somit nichtförmliche Steuerbescheide und blieben es mangels Erteilung neuer Bescheide auch, da und soweit ihre Wirkung "automatisch" in die Zukunft reichte. Die Frage, nach welchen Vorschriften ein Steuerbescheid zu berichtigen bzw. eine fehlerhaft zu niedrig festgesetzte Steuer nachzufordern ist, kann sich - auch im Blick auf den Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen - naturgemäß nur nach dem Charakter des Steuerbescheides selbst richten und nicht danach, nach welchen Regeln im Zeitpunkt der Nachforderung die Steuer erstmals anzufordern ist. Deshalb ist auch die Zulässigkeit der Nachforderung durch den vierten Nachforderungsbescheid vom 15. Mai 1962, der die Zeit vom 1. April 1961 bis 14. Mai 1962 betrifft, ausschließlich nach dem Charakter des die ursprüngliche Steueranforderung selbst betreffenden Steuerbescheides vom 14. Mai 1960 zu beurteilen (abgesehen davon, daß am 15. Mai 1962 zwar das KraftStG 1961 selbst - ohne Vorschriften über die Art der Steuerfestsetzung - in Kraft war, nicht aber die KraftStDV 1961). Im vorliegenden Fall ist also über die Rechtsnatur der Festsetzungsverfügungen gemäß § 12 KraftStDV 1961 nicht zu entscheiden.
2. Da die im vorliegenden Fall erteilten Bescheide keine "besonderen, im Gesetz selber vorgesehenen schriftlichen" Steuerbescheide im Sinne des § 211 und des § 222 AO, sondern nichtförmliche Bescheide im Sinne des § 212 AO sind, konnte die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 223 AO grundsätzlich innerhalb der Verjährungsfrist ohne die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nrn. 1 oder 3 AO nachgefordert werden. Davon gehen die Urteile des Senats II 12/57 U vom 6. März 1957 (BFH 64, 464, BStBl III 1957, 173) und II 187/59 vom 2. August 1961 (HFR 1962, 17) stillschweigend als selbstverständlich aus (ebenso zum Beförderungsteuergesetz vom 29. Juni 1926 unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 2. Juli 1936 - BefStG 1926 - das Urteil II 147/59 U vom 29. November 1961, BFH 74, 159, BStBl III 1962, 62). Demgegenüber wendet der Kläger unter Berufung auf Spitaler/Paulick in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 5. Aufl., § 223, Tz. 7, und auf Kühn, Abgabenordnung - 6., jetzt 9. Auflage -, § 223 Anm. 1, zu Unrecht ein, "etwas Abweichendes" im Sinne des § 223 AO sei in § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO derart vorgeschrieben, daß eine Kraftfahrzeugsteuer ohne seine Zustimmung nicht habe nachgefordert werden dürfen. Abgesehen davon, daß bei Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., zu § 223, Tzn. 12, 14, und zu § 222 Tzn. 40, 52 die Kraftfahrzeugsteuer (nach altem Festsetzungsverfahren) als nicht unter § 222, sondern unter § 223 AO fallend bezeichnet wird, ist a. a. O. zu § 222 Tzn. 23 ff., 26 zur "inneren Ordnung des Normgefüges der §§ 92 bis 96 AO" zutreffend bemerkt, daß dieses Gefüge die hier zu entscheidende Frage der Änderbarkeit von Steuerbescheiden für den Fall der Nichtzustimmung des Steuerpflichtigen offen läßt und daß die Frage erst in §§ 222 ff. AO geregelt ist (vgl. v. Wallis in Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 94 Tz. 48). Die -scheinbare oder bei rein buchstäblichem Vergleich mögliche - "Ungereimtheit" (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 2. bis 3. Aufl., § 210 b, Tz. 1 g), daß § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO und § 223 AO gleichzeitig nebeneinander anwendbar sind, ist vielleicht entstehungsgeschichtlich zu erklären. Die jetzigen Vorschriften über Steuernachforderungen in § 222 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 223 AO waren ursprünglich in der einen Vorschrift des § 212 AO 1919 (Abs. 1 bis 3) enthalten. § 212 AO 1919 enthält bereits die Formulierung "wenn nichts Abweichendes vorgeschrieben ist", die sich auf damals denkbare Sondervorschriften oder auch auf die folgenden Absätze des § 212 AO a. F. selbst beziehen konnte. Auch die Ausdrücke "Nach- und Neuveranlagung" werden in dem § 94 AO n. F. entsprechenden § 76 AO 1919 neben dem Ausdruck "Berichtigung" verwendet, während in § 212 AO 1919 der Ausdruck "Neuveranlagung" synonym mit "Berichtigungsveranlagung" im Sinne des § 222 AO n. F. gebraucht ist (vgl. hierzu auch Becker, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 212, besonders Anm. 2 bis 4, wonach die "Nachforderung" als der umfassende Begriff auch eine "Neuveranlagung" einschloß). Historisch gesehen erscheint die Auslegung durchaus möglich, daß nicht § 223 AO hinter § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO zurückzutreten hat, sondern daß umgekehrt sich bereits aus § 94 Abs. 2 AO mit der umfassenden Verwendung der Bezeichnungen "Nachforderung", "Nach- und Neuveranlagung" und "Berichtigung" nebeneinander der Vorrang von Sondervorschriften über die Bestandskraft von förmlichen und nichtförmlichen Steuerbescheiden ergibt. Dies bestätigt sich aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 92 bis 96 AO einerseits und der §§ 222 bis 224 AO andererseits: Die erstgenannten Vorschriften betreffen Verfügungen schlechthin, die letztgenannten speziell die in § 222 AO aufgeführten Bescheide (vgl. auch v. Wallis bei Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 94, Tz. 48). In diesem Sinne bemerkt Woerner in Ergänzung seines Aufsatzes in DStR 1964, 346 - im Gegensatz zu der Sinndeutung durch den Kläger - in der Schrift "Die Zurücknahme, Änderung und Ersetzung von Verfügungen der Steuerverwaltungsbehörden", Fachverlag für Wirtschaft und Steuerrecht Schäffer & Co. GmbH Stuttgart, 1965, zu V 2a S. 28, zutreffend, daß das in sich geschlossene System der §§ 222 bis 224 AO mit selbständigen Voraussetzungen unabhängig und ergänzend neben § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO tritt und daß es deshalb im Falle des § 223 AO zur Erhöhung der Steuerfestsetzung nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids nicht der in § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO vorgesehenen Zustimmung des Steuerpflichtigen bedarf.
Mag man insoweit § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO gegenüber § 223 AO für "praktisch gegenstandslos" halten (so z. B. Klempt-Meyer, "Rechtsmittelverfahren und Rechtsmittelkosten in Steuerstreitsachen", 2. Aufl. S. 31; Reiter, DStZ A 1964, 17) oder es so formulieren, daß die beiden Vorschriftengruppen (§§ 92 bis 96 AO, §§ 222 bis 224 AO) sich überschneiden mit der Folge, daß eine Änderung eines Bescheides zulässig ist, wenn sie nach der einen oder der anderen Gruppe zulässig ist (so Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 94 Anm. 1, [3], Anm. 2 [5]): Das Ergebnis, daß bei Steuern, auf die § 223 AO anwendbar ist, die Nachforderung der Zustimmung des Steuerpflichtigen nicht bedarf, entspricht auch der Absicht des Gesetzes, wonach die Bestandskraft nichtförmlicher Bescheide (§ 212 AO) einen Vertrauensschutz in die Bestandskraft nicht in dem Umfang genießt, wie er für förmliche Bescheide (§ 211 AO) durch § 222 AO gewährleistet ist (vgl. auch Barske, Reichsabgabenordnung, 8. Aufl., Buchreihe Finanz und Steuern, Abschn. 20 V S. 158/159; Becker-Riewald-Koch, a. a. O., § 94 AO Anm. 1 [5]). Anderenfalls träte der geradezu widersinnige Erfolg ein, daß nichtförmliche Bescheide eine weit stärkere Bestandskraft hätten als förmliche Bescheide, die (über § 94 Abs. 2 AO, trotz des ähnlichen Vorbehaltes in § 222 Abs. 1 "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") in den Fällen des § 222 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 AO ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen zu ändern sind.
3. Der Senat vermag dem Kläger auch darin nicht zu folgen, die Steuernachforderung verstoße schon deshalb gegen Treu und Glauben, weil das FA sich die von ihm - dem Kläger - nicht verursachte fehlerhafte Angabe über das Gesamtgewicht durch die Zulassungsbehörde als eigenen Fehler anrechnen lassen müsse.
Zwar kann die Nachforderung von Steuern gemäß § 223 AO unter gewissen Voraussetzungen den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen (vgl. Urteil des Senats II 55/62 vom 2. Februar 1966, BFH 84, 483, BStBl III 1966, 175). Es kann dabei jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß gerade § 223 AO dazu dienen soll, die Folgen unterlaufener Irrtümer zu beseitigen, und zwar grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Frage des Verschuldens der Finanzverwaltung bzw. des guten Glaubens des Steuerpflichtigen (vgl. Urteil des Senats II 107/63 vom 16. März 1966, BFH 85, 382, BStBl III 1966, 418). Der Einwand von Treu und Glauben kann deshalb nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen durchgreifen, in denen die Geltendmachung des gesetzlich entstandenen Steueranspruchs - als mit dem vorausgegangenen nachhaltigen Verhalten oder auch einer nachdrücklichen Willensäußerung der Finanzverwaltung (vgl. Urteil des BFH VII 175/61 U vom 21. Mai 1963, BFH 77, 201, BStBl III 1963, 390) in nicht vertretbarem Widerspruch stehend - mit dem allgemeinen Rechtsempfinden unvereinbar wäre (vgl. BFH-Urteil VII 95/58 U vom 2. Dezember 1959, BFH 70, 341, BStBl III 1960, 127).
Das setzt aber voraus, daß der Sachverhalt dem FA lückenlos bekannt war, ohne daß neue, bisher nicht berücksichtigte Umstände hinzugekommen wären (vgl. außer dem Urteil II 55/62, a. a. O., a. E., z. B. noch Urteile II 12/57 U vom 6. März 1957, BFH 64, 464, BStBl III 1957, 173; II 165/61 U vom 16. Dezember 1964, BFH 82, 415, BStBl III 1965, 397), daß also der Irrtum dem FA selbst unterlaufen ist. Deshalb beruft sich der Kläger zu Unrecht auf den besonders und anders gelagerten Fall des Urteils II 187/59 vom 2. August 1961 (HFR 1962, 17). Denn dort war dem FA der genaue Sachverhalt auf Grund der vollständigen Angaben des Steuerpflichtigen selbst bekannt; das FA hätte also bei einiger Sorgfalt seinen Fehler schon bei der Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer merken müssen. Das war dem FA im vorliegenden Fall auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die zumutbar aufzuwendende Sorgfalt jedoch nicht möglich. Das FA mußte sich auf die Richtigkeit der Angaben der Zulassungsbehörde über das Gesamtgewicht, die auch dem Kläger bereits im Umstellungsbescheid vom 23. Mai 1955 bekanntgeworden waren, verlassen können. Es war vom FA, da ein besonderer Anlaß offensichtlich nicht bestand, weder während der Dauer des Steuerkartenverfahrens, noch bei Erteilung der beiden Steuerbescheide vom 4. Mai 1959/14. Mai 1960 zu erwarten, sich nochmals über die Richtigkeit des Gesamtgewichts zu vergewissern. Nach Bekanntwerden des richtigen Gesamtgewichts hat das FA unverzüglich gehandelt.
Die Zulassungsbehörde hat zwar aus Anlaß der Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer in gewissem Umfang mitzuwirken (§ 14 KraftStDV 1955). Hierdurch wird die Zulassungsbehörde aber weder selbst Steuerbehörde noch - wie der Kläger es ausdrückt - "Nebenstelle" des FA. Sie ist auch insoweit eigenständige und eigenverantwortliche Behörde, so daß deren Tätigkeit - auch nicht etwa aus dem Gesichtspunkt einer Art "Einheit der Verwaltung" - nicht als eigenes Verhalten der Finanzverwaltung gewertet werden kann. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann aber, wie der Senat mehrfach zur Beförderungsteuer hinsichtlich des Verhaltens der Verkehrsbehörden entschieden hat, obwohl auch sie zum Teil im beförderungsteuerrechtlichen Interesse tätig werden (vgl. BFH-Urteil II 107/63 vom 16. März 1966, a. a. O.), nur im Hinblick auf ein Verhalten der Finanzverwaltungsbehörden selbst eingreifen. Im übrigen hätte der Kläger sich - anders etwa als in dem zur Beförderungsteuer entschiedenen Fall des BFH-Urteils II 60/63 vom 23. Februar 1966 (BFH 85, 521, BStBl III 1966, 438), wo davon ausgegangen wird, daß ein steuerpflichtiger Tatbestand erst im Vertrauen auf ein Verhalten der Verwaltung geschaffen wird - im vorliegenden Fall gar nicht anders verhalten können, als er es getan hat. Die Erhebung der geschuldeten Steuer stellt deshalb nicht etwa wegen eines Fehlers der Zulassungsbehörde einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
Da der Einwand von Treu und Glauben schon aus den vorstehenden Gründen wirkungslos bleiben muß, kann es nicht mehr darauf ankommen, ob der Kläger geschäftliche Vermögensdispositionen getroffen hat, die er ohne das Verhalten des Beklagten nicht getroffen hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 68908 |
BStBl II 1970, 262 |
BFHE 1970, 488 |