Entscheidungsstichwort (Thema)
Ein eigener Hausstand im Rahmen doppelter Haushaltsführung setzt nicht zwingend eine eigene Küche voraus
Leitsatz (NV)
Ein eigener Hausstand im Rahmen doppelter Haushaltsführung ist nicht schon deshalb zwingend ausgeschlossen, weil die am Lebensmittelpunkt genutzten Räume nicht über eine eigene Küche verfügen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 52 Abs. 12 S. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr (2001) im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung einen eigenen Hausstand am nicht mit dem Beschäftigungsort identischen Ort des Lebensmittelpunkts unterhalten hat.
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Die Klägerin bereitete sich im Streitjahr als freie Mitarbeiterin einer … Steuerberaterpraxis auf das Steuerberaterexamen vor. In ihrer Steuererklärung machte sie u.a. Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Betriebsausgaben geltend. Neben einer im Streitjahr in C angemieteten Wohnung habe sie weiterhin einen eigenen Hausstand an ihrem Lebensmittelpunkt in A im Hause ihrer Eltern gehabt, bis die doppelte Haushaltsführung aus privaten Gründen zum 30. November des Streitjahres wieder beendet worden sei, verbunden mit einem Wegzug nach B.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Einkommensteuerbescheid nur einen Teil der geltend gemachten Betriebsausgaben in Gestalt von Verpflegungsmehraufwendungen unter dem Gesichtspunkt einer sog. unechten doppelten Haushaltsführung bei vorübergehender auswärtiger Beschäftigung an. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht habe das Finanzgericht (FG) in ihrem Falle eine (echte) doppelte Haushaltsführung verneint, weil es eine eigene Küche als notwendiges Ausstattungsmerkmal eines eigenen Hausstandes angesehen habe. Für ihre persönliche Lebensführung habe die Klägerin jedoch keine eingerichtete Küche im üblichen Sinne benötigt, sondern sei mit einer Mikrowelle und einem Kühlschrank ausgekommen. Damit sei ihr in den von ihr bewohnten Räumen in A eine eigenständige Haushaltsführung möglich gewesen. Sie sei nicht in den Haushalt der Eltern eingegliedert gewesen.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 6. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2004 die Einkommensteuer für 2001 unter Berücksichtigung weiterer Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 6.657,06 € als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Diese Vorschrift ist (i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645) für das Streitjahr entsprechend anwendbar auf selbstständig tätige Steuerpflichtige hinsichtlich der Aufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung (§ 52 Abs. 12 Satz 5 EStG), sofern --wie hier-- die Steuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig ist.
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Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Auch ein Alleinstehender kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung, s. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180; vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820; vom 5. März 2009 VI R 23/07, BFHE 224, 420).
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Hausstand im Sinne der Vorschrift ist der Haushalt, den der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Ein eigener Hausstand erfordert, dass er vom Steuerpflichtigen aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird. Sofern der Steuerpflichtige nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist, muss anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Falles untersucht werden, ob der Hausstand jedenfalls auch ihm als eigener zugerechnet werden kann. Wesentlich ist, dass das Verbleiben des Steuerpflichtigen in der Wohnung sichergestellt ist. Nutzt er sie nicht allein, muss er sie zumindest gleichberechtigt mitbenutzen können.
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Weitere Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige den eigenen Hausstand unterhält. Unterhalten bedeutet das Führen eines Haushalts. Dazu gehört auch, dass der Steuerpflichtige für die Kosten des Haushalts aufkommt. Im Übrigen kommt es darauf an, dass der Steuerpflichtige sich in dem Haushalt aufhält, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeitsbedingte Abwesenheit und ggf. Urlaubsfahrten. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu werten. Ein eigener Hausstand wird auch nicht unterhalten, wenn der Steuerpflichtige die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt (zum Beispiel in den der Eltern) eingegliedert ist, so dass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann.
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Nicht allein ausschlaggebend ist, ob die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich überlassen wird (BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890). Für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung kommt es auch nicht darauf an, ob die dem Steuerpflichtigen zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnung gerecht werden. So hat es der BFH für unerheblich angesehen, dass sich ein Steuerpflichtiger in der ihm von seinen Eltern überlassenen Wohnung die Sanitäreinrichtungen mit seiner Schwester teilen musste, weil ihm die übrigen Räumlichkeiten eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichten (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Dezember 2005 III R 27/05, BFHE 212, 376, BStBl II 2006, 561, m.w.N.).
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2. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen nicht. Der Auffassung, eine eigene Haushaltsführung der Klägerin in den ihr im Haus der Eltern zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten sei mangels einer eigenen Küche ausgeschlossen, kann nicht gefolgt werden (ebenso BFH-Urteil vom 30. Juli 2009 VI R 13/08, juris).
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3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum ihren Lebensmittelpunkt in A hatte, ob sie gegebenenfalls für die Kosten der dortigen Haushaltsführung aufgekommen ist und ob sie in den Haushalt der Eltern eingegliedert war. Dies ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Falls das FG danach zu dem Ergebnis kommt, dass eine doppelte Haushaltsführung vorlag, ist zu prüfen, ob die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin sämtlich wegen der doppelten Haushaltsführung entstanden sind und notwendige Mehraufwendungen i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG waren.
Fundstellen
Haufe-Index 2279463 |
BFH/NV 2010, 411 |
EStB 2010, 54 |