Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf eine Gesellschafterforderung
Leitsatz (NV)
Verzichtet ein Gesellschafter aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen auf seine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft, so führt dies bei der Gesellschaft auch dann zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung, wenn das Darlehen vor dem Verzicht kapitalersetzenden Charakter hatte (Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Mai 2001 I B 143/00, BFHE 195, 351, BFH/NV 2001, 1353).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 17 Abs. 1-2, 4; KStG § 8 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren alleinige Gesellschafter die Eheleute V sind. Sie erwarb am 2. Januar 1981 das bis dahin von dem Ehemann betriebene Einzelunternehmen, wobei V ihr den Kaufpreis als verzinsliches Darlehen zur Verfügung stellte.
In den Jahren 1982 bis 1986 erzielte die Klägerin im Wesentlichen Verluste. Ausweislich ihrer Bilanzen belief sich das Gesellschafterdarlehen am 31. Dezember 1982 auf ca. 421 553 DM, zum 31. Dezember 1986 auf ca. 448 742 DM. Außerdem gewährte V der Klägerin im Jahr 1987 zinslose zusätzliche Darlehen in Höhe von insgesamt 1 069 447 DM; diese Darlehen wurden bis zum 31. Dezember 1990 auf ca. 815 891 DM zurückgeführt. Um eine Überschuldung der Klägerin zu vermeiden, hatte V für seine Darlehensforderungen einen Rangrücktritt erklärt.
Nachdem die Klägerin zum 31. Dezember 1991 bei Berücksichtigung der Gesellschafterdarlehen weiterhin bilanziell überschuldet war, verzichtete V zu diesem Zeitpunkt auf seine noch bestehenden Forderungen in Höhe von 755 031 DM. Diesen Verzicht behandelte die Klägerin in ihrer Körperschaftsteuererklärung 1991 (Streitjahr) als verdeckte Einlage in Höhe des Nennwerts der Restforderung. Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) davon aus, dass der Wert der Gesellschafterforderung im Zeitpunkt des Verzichts 0 DM betragen und dass deshalb der Forderungsverzicht zu einem steuerpflichtigen Ertrag der Klägerin in Höhe des Nennwerts der Forderung geführt habe. Auf dieser Basis erließ das FA einen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr; den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies es als unbegründet zurück.
In dem Klageverfahren erzielten die Beteiligten Einigkeit darüber, dass sich der Wert der Gesellschafterforderungen im Zeitpunkt des Verzichts auf 339 764 DM (45 v.H. des Nennwerts) belaufen habe. Daraufhin gab das Finanzgericht (FG) der Klage nur teilweise statt. Es änderte den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid in der Weise, dass ―wie es im Tenor des angefochtenen Urteils heißt― die Einlage mit dem Teilwert der Forderung in Höhe von 339 764 DM berücksichtigt wurde; die weitergehende Klage wies es ab. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom FG zugelassenen Revision.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 1991 in der Weise zu ändern, dass der dort berücksichtigte Gewinn um 755 031 DM gemindert wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des FA ergibt sich aus der Revisionsbegründung mit hinreichender Klarheit, dass die Klägerin § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sowie § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für verletzt hält, weil ihrer Ansicht nach der Verzicht auf ein von Anfang an eigenkapitalersetzendes Darlehen zu einer verdeckten Einlage in Höhe des Nennwerts der Darlehensforderung führt. Damit hat die Klägerin den Anforderungen des § 118 Abs. 1 und des § 120 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt.
III. Die Revision ist jedoch unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Verzicht des V auf seine Darlehensforderung zu einer verdeckten Einlage nicht in Höhe des Nennwerts der Darlehensforderung, sondern nur in Höhe des Teilwerts der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts führt.
1. Mit Beschluss vom 16. Mai 2001 I B 143/00 (BFHE 195, 351, BFH/NV 2001, 1353) hat der Senat entschieden, dass der Verzicht eines Gesellschafters auf seine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft auch dann zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung im Verzichtszeitpunkt führt, wenn das Darlehen vor dem Verzicht eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. An dieser Beurteilung hält er fest. Die von der Klägerin angestellten Überlegungen sind nicht geeignet, die genannte Rechtsprechung insgesamt oder zumindest ihre Anwendbarkeit auf den Streitfall in Frage zu stellen.
Das gilt zunächst im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, dass die Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Forderungsverzicht eines Gesellschafters (Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307) nur dann einschlägig sei, wenn die Darlehensforderung des Gesellschafters zunächst voll werthaltig war und erst im weiteren Verlauf an Wert verlor. Eine solche Einschränkung ist der genannten Entscheidung nicht zu entnehmen. Sie wäre auch in systematischer Hinsicht nicht gerechtfertigt. Die Rechtsprechung des Großen Senats beruht auf dem Gedanken, dass der Gesellschafter im Zeitpunkt des Verzichts den noch werthaltigen Teil seiner Forderung realisiert und zugleich den auf diese Weise erzielten Betrag der Gesellschaft wiederum zur Verfügung stellt (vgl. hierzu insbesondere Beschluss in BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, 311, unter C. II. 1. der Entscheidungsgründe). Bei dieser Betrachtung kann es keinen Unterschied machen, ob der Wert der Gesellschafterforderung von Anfang an gemindert war oder ob die Forderung erst im weiteren Verlauf an Wert verloren hat.
Ebenso geht der Hinweis der Klägerin fehl, dass die vom FG vertretene Handhabung zu einer überhöhten Gesamtbesteuerung der Gesellschaft und des Gesellschafters führe. Es ist zwar richtig, dass die Klägerin und ggf. auch V im Ergebnis steuerlich günstiger behandelt würden, wenn V der Klägerin an Stelle der Darlehen sogleich zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung gestellt hätte. Doch ist die jetzt vorzunehmende Besteuerung letztlich nur die Folge einer Gestaltung, die V und die Klägerin selbst wählten. Das Steuerrecht erkennt die Entscheidung des Gesellschafters, die Gesellschaft statt mit Eigenkapital mit kapitalersetzenden Darlehen zu finanzieren, grundsätzlich an; das zeigt sich z.B. im Zusammenhang mit dem Abzug von Darlehenszinsen durch die Gesellschaft (hierzu Senatsurteil vom 5. Februar 1992 I R 127/90, BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532). Dann aber wäre es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gerechtfertigt, im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Vergabe eines eigenkapitalersetzenden Darlehens als Zuführung von Eigenkapital zu werten, wenn sich dies später als steuerlich günstiger erweist. Vielmehr müssen sich die Klägerin und ihr Gesellschafter an ihrer seinerzeit getroffenen Entscheidung festhalten lassen, was bedeutet, dass der Forderungsverzicht des V die vom Großen Senat entwickelten Rechtsfolgen auslöst.
2. Im Streitfall belief sich der hiernach maßgebliche Wert des Gesellschafterdarlehens im Zeitpunkt der Verzichtserklärung auf 339 764 DM. Nur in dieser Höhe liegt deshalb eine verdeckte Einlage vor. Den Teil der von V erlassenen Verbindlichkeit, der über den genannten Betrag hinausging, hat das FG mithin zu Recht gewinnerhöhend berücksichtigt.
Fundstellen
Haufe-Index 708460 |
BFH/NV 2002, 677 |