Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Befugnis des Finanzamts zur Vornahme einer Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung entfällt, wenn es grundlos lange Zeit mit der Vornahme der Wertfortschreibung gewartet hat.
Normenkette
AO § 225a; BewG § 22
Tatbestand
Streitig sind die vom Finanzamt vorgenommenen Fortschreibungen der Einheitswerte für das unbebaute Grundstück der Beschwerdegegnerin (Bgin.) auf den 21. Juni 1948 und 1. Januar 1951. Die Bgin. und ihr inzwischen verstorbener Ehemann hatten 1932 und 1933 mehrere Flurstücke von zusammen 68.01 Ar für zusammen 24.100 RM erworben und sie zunächst gärtnerisch bewirtschaftet. Später wurde der Grundbesitz verpachtet. Bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte auf den 1. Januar 1935 wurde der Grundbesitz, soweit die Akten erkennen lassen, in verschiedenen wirtschaftlichen Einheiten mit 3 RM je qm bewertet. Dies ergab zusammen einen bzw. mehrere Einheitswerte von insgesamt 20.400 RM. Am 21. September 1948 beantragte der Grundstückseigentümer anderweitige Bewertung seines Grundbesitzes als landwirtschaftliches Vermögen unter Hinweis auf die gärtnerische Nutzung und unter Bezugnahme auf eine Bescheinigung des Zentralamts für Aufbau vom 21. September 1948, wonach die fraglichen Parzellen zur Zeit außerhalb des Stadtbauplans lägen und auch nicht in den neuesten Entwurf einbezogen seien. Daraufhin nahm das Finanzamt eine als Nachfeststellung bezeichnete Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1948 vor, wobei der gesamte Grundbesitz nunmehr als wirtschaftliche Einheit, und zwar als landwirtschaftliches (gärtnerisches) Vermögen angesehen und mit 1.500 RM bewertet wurde. Der hierüber erteilte Einheitswertbescheid datiert vom 14. Oktober 1948. Am 14. August 1950 verkaufte die Bgin. einen Teil des Grundbesitzes, die Parzellen 4759 und 4760 mit zusammen 23,48 Ar, für 17.610 DM (7,50 DM je qm). Daraufhin schrieb das Finanzamt den Einheitswert für das verbliebene Restgrundstück der Bgin. zum 1. Januar 1951 auf 1.000 DM durch Bescheid vom 14. März 1951 fort. Hierbei wurde an der Art des Grundstücks als landwirtschaftliches (gärtnerisches) Vermögen nichts geändert, sondern nur der vorgenommenen Bestandsveränderung Rechnung getragen. Die beiden Parzellen wurden im Februar 1952 von dem Erwerber für denselben Preis weiterveräußert. In der Folgezeit, und zwar durch Bescheid vom 26. August 1955, nahm das Finanzamt eine Art- und Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 vor, wobei das Grundstück nunmehr wiederum als Grundvermögen (unbebautes Grundstück), und zwar mit 6 DM je qm, danach zusammen mit 40.806 DM bewertet wurde. Als Grund für diese Wertfortschreibung wurde angegeben, daß die Parzellen 4759 und 4760 zu einem Preis verkauft worden seien, der in keinem Verhältnis zum landwirtschaftlichen Ertragswert stehe. Gleichzeitig mit dieser Wertfortschreibung berichtigte das Finanzamt auch den Fortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1951 von 1.000 DM auf 26.700 DM unter Berufung auf § 218 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung (AO). In der Einspruchsentscheidung wurde eine Ermäßigung der fortgeschriebenen Einheitswerte auf den 21. Juni 1948 und 1. Januar 1951 auf 20.400 DM bzw. 13.300 DM vorgenommen, die sich daraus ergab, daß das Finanzamt nunmehr nur noch einen Durchschnittspreis von 3 DM je qm zugrunde legte. Die Bgin. wandte in der Berufung ein, daß die Art- und Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948 sowie die Wertfortschreibung zum 1. Januar 1951 unzulässig seien. Die bei den vorangegangenen Einheitswertfortschreibungen auf den 1. Januar 1948 und 1. Januar 1951 vorgenommene Bewertung als landwirtschaftliches (gärtnerisches) Vermögen sei richtig gewesen. Bei der ersten Wertfortschreibung zum 1. Januar 1951 sei der Verkauf der Parzellen und der hierbei erzielte Kaufpreis dem Finanzamt bereits bekannt gewesen. Gleichwohl habe es bei der Wertfortschreibung an der Bewertung als landwirtschaftliches (gärtnerisches) Vermögen festgehalten. Infolgedessen könne das Finanzamt nicht, ohne daß sich etwas geändert habe, im Jahre 1955 plötzlich seine bisherige Auffassung wieder ändern und Grundvermögen annehmen. Die Berufung hatte Erfolg. Die Einspruchsentscheidung und die ihr zugrunde liegenden Bescheide wurden ersatzlos aufgehoben. Der Einheitswert des Grundbesitzes auf den 1. Januar 1951 in Höhe von 1.000 DM wurde wiederhergestellt. Das angefochtene Urteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Sämtliche vom Finanzamt vorgenommenen Fortschreibungen für die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1948 bis 1. Januar 1951 seien Wertfortschreibungen gewesen. Bei einer Fortschreibung zwecks Fehlerberichtigung könne nur bis auf den dem letzten Feststellungszeitpunkt (1. Januar 1951) folgenden Feststellungszeitpunkt (1. Januar 1952) zurückgegangen werden. Allerdings habe das Finanzamt bereits nach dem ersten Verkauf der Parzellen im Jahre 1950 eine Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung auf den 21. Juni 1948 vornehmen können. Es habe dies jedoch damals unterlassen und nur eine Wertfortschreibung wegen Bestandsveränderung auf den 1. Januar 1951 vorgenommen. Damit habe sich das Finanzamt die Möglichkeit genommen, später eine Berichtigung von Bewertungsfehlern auf einen vor dem 1. Januar 1952 liegenden Zeitpunkt vorzunehmen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Sie wendet sich gegen die Auffassung des Finanzgerichts, daß letzter Feststellungszeitpunkt, über den hinaus das Finanzamt nicht habe zurückgehen können, hier der 1. Januar 1951 gewesen sei. Während bei Hauptfeststellungen und Nachfeststellungen die Feststellung sich sowohl auf Zurechnung als auch auf Art und Wert erstrecke, beschränke sich die Wirkung bei Fortschreibungen jeweils nur auf eines der drei Merkmale, je nachdem, ob es sich um eine Zurechnungs-, Art- oder Wertfortschreibung handele. Fortschreibungsbescheide seien daher auch nur hinsichtlich dieses einen fortgeschriebenen Merkmals anfechtbar. Hinsichtlich der beiden anderen Merkmale wirkten die vorangegangenen Feststellungen weiter. Denn der Fortschreibungsbescheid treffe insoweit keine eigenen Feststellungen, sondern stütze sich hierin lediglich auf die bisherigen Feststellungen. Wenn daher zum Beispiel in einem Falle eine Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935, eine Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1940 und eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1949 durchgeführt werde, so könne man grundsätzlich bei einer im Jahre 1952 durchzuführenden Artfortschreibung (trotz der Fortschreibungen auf den 1. Januar 1940 und 1. Januar 1949) nötigenfalls bis zum 1. Januar 1936 zurückgehen, weil die letzte Feststellung hinsichtlich der Art bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1935 getroffen worden sei. Bei einer berichtigenden Zurechnungsfortschreibung würde entsprechend bis zum 1. Januar 1941 und bei einer Wertfortschreibung bis zum 1. Januar 1950 zurückgegangen werden können. Im Streitfall hätten bei Durchführung der Berichtigungsfortschreibungen im Jahre 1955 folgende vorangegangenen "letzten Feststellungen" vorgelegen: 1. eine Nachfeststellung auf den 1. Januar 1948 mit Feststellungen über Zurechnung, Art und Wert, 2. eine Fortschreibung auf den 1. Januar 1951 mit Feststellung über den Wert. Die zu berichtigende Artfortschreibung im Jahre 1955 auf den 21. Juni 1948 habe somit durch die vorangegangene Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1951 nicht ausgeschlossen werden können. Letzte Feststellung im Sinne des Bewertungsgesetzes sei vielmehr die Nachfeststellung auf den 1. Januar 1948 gewesen. Die Artfortschreibung auf den 21. Juni 1948 habe alsdann ihrerseits auch eine Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 ausgelöst. Damit sei zugleich die bisherige Grundlage für den Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1951 weggefallen. Infolgedessen habe auch dieser Bescheid berichtigt werden müssen. Als Weg für diese Berichtigung biete sich nach Ansicht des Finanzamts vornehmlich § 218 Abs. 4 AO an. Die Bgin. wendet gegenüber den Ausführungen des Finanzamts ein, daß auf den 1. Januar 1948 keine Nachfeststellung, sondern eine Art- und Wertfortschreibung vorgenommen worden sei. Im übrigen sei die Fortschreibung auf den 1. Januar 1948 entgegen der Annahme der Vorinstanzen nicht fehlerhaft gewesen. Möglicherweise habe das Finanzamt vielleicht im Jahre 1950 eine Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1951 vornehmen können, nachdem es Kenntnis von dem ersten Verkauf der Parzellen erlangt habe. Jedenfalls sei es aber ausgeschlossen, daß das Finanzamt erst fünf Jahre später im Jahre 1955 eine rückwirkende Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung auf den 21. Juni 1948 vornehmen könne. Hier habe sich das Finanzamt bereits durch den Fortschreibungsbescheid vom 14. März 1951 auf den 1. Januar 1951, bei dem das Finanzamt in Kenntnis des ersten Parzellenverkaufs nur eine Wertfortschreibung wegen der Bestandsänderung vorgenommen, im übrigen aber an der Bewertung als landwirtschaftliches (gärtnerisches) Vermögen festgehalten habe, der Möglichkeit beraubt, eine Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung auf einen vor dem 1. Januar 1951 liegenden Fortschreibungszeitpunkt vorzunehmen.
Entscheidungsgründe
Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß der Erfolg versagt werden.
Es ist schon nicht völlig zweifelsfrei, ob der Grundbesitz der Bgin. zum 1. Januar 1948 und 1. Januar 1951 tatsächlich fehlerhaft als landwirtschaftliches (gärtnerisches) Vermögen behandelt worden ist. Die Frage braucht indessen hier nicht abschließend entschieden zu werden. Es kann weiter auch dahingestellt bleiben, ob es richtig ist, daß eine berichtigende Art- und Wertfortschreibung auf keinen früheren Zeitpunkt als den 1. Januar 1952 zurückverlegt werden durfte, da der letzte vorangegangene Wertfortschreibungszeitpunkt der 1. Januar 1951 gewesen sei. Jedenfalls hat aber - darin ist dem Finanzgericht beizutreten - das Finanzamt ohne ersichtlichen Grund lange Zeit mit der Vornahme der berichtigenden Fortschreibungen zum 21. Juni 1948 bzw. 1. Januar 1951 gewartet. Der erste Verkauf der Parzellen und die Höhe des dabei erzielten Verkaufspreises war dem Finanzamt bereits im Jahre 1950 bekannt gewesen. Es ist sogar von der Bgin. behauptet worden, daß beim Erwerber der Parzellen diese damals alsbald als Grundvermögen bewertet worden seien, ohne daß das Finanzamt dieser Behauptung widersprochen hätte. Es ist nicht erfindlich, weshalb das Finanzamt mit der Vornahme einer berichtigenden Wertfortschreibung bei der Bgin. noch fünf Jahre gewartet hat. Daß die Tochter der Bgin. bei der Verhandlung im September 1948 unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht habe, kann aus dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Inwiefern das Finanzamt erst bei dem Weiterverkauf der Parzellen bessere übersicht über die Verhältnisse erlangt haben sollte, ist nicht erkennbar, zumal der Kaufpreis je qm bei beiden Veräußerungen derselbe geblieben ist (7,50 DM je qm). Bei dieser Sachlage ist das unmotiviert lange Warten des Finanzamts (fünf Jahre) bis zur Vornahme der Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung nicht vertretbar gewesen. Die Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt bedeutet für den Steuerpflichtigen an sich schon eine fühlbare Belastung. Dies gilt insbesondere für den Stichtag vom 21. Juni 1948. Dann muß aber wenigstens vom Finanzamt verlangt werden, daß es nach Kenntnisnahme vom Sachverhalt bald die Wertfortschreibung vornimmt und nicht noch, wie im Streitfall geschehen, ohne ersichtlichen Grund lange Zeit bis zur Vornahme der berichtigenden Wertfortschreibung wartet. Dies ist aber im Streitfall geschehen. Infolgedessen konnte die Rb. des Vorstehers des Finanzamts nicht zum Erfolg führen.
Fundstellen
Haufe-Index 424096 |
BStBl III 1959, 110 |
BFHE 1959, 279 |
BFHE 68, 279 |