Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Zeitpunktes des buchmäßigen Ausfuhrnachweises.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 3, § 6/1/3, § 16; UStDB §§ 23, 25, 75, 77, 80; 2-UStDV 1; 2-UStDV 2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige hatte die auf Grund von Vergütungsprüfungen im April und Juni 1956 ergangene Rückforderungsverfügung des Finanzamts vom 24. Juni 1957 angefochten, wonach das Finanzamt bereits gewährte Ausfuhrvergütungen in Höhe von 3.036,70 DM zurückgefordert hatte. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens sind seitens des Finanzamts 21,50 DM (16,25 + 5,25 DM) als vergütungsfähig anerkannt worden, während die Steuerpflichtige bereits im Vorverfahren 767,48 DM als nicht vergütungsfähig anerkannt hat. Das Finanzgericht hatte den zurückzufordernden Vergütungsbetrag auf 1.160,23 DM festgesetzt. Mit der Rechtsbeschwerde des Finanzamts wird beantragt, den Rückforderungsbetrag auf 3.015,20 DM festzusetzen, während die Steuerpflichtige mit ihrer Anschlußbeschwerde beantragt, die Rückforderung auf 767,48 DM zu beschränken.
In der Sache ist streitig, ob der Ausfuhrnachweis für die den streitigen Beträgen zugrunde liegenden Ausfuhrlieferungen ordnungsmäßig, insbesonders noch rechtzeitig erbracht worden ist.
Das Finanzamt hatte auf Grund der gleichen Prüfung die Umsatzsteuerveranlagungen 1953 und 1954 nach § 222 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigt, indem es nachträglich die Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen nach § 4 Ziff. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wegen der gleichen Mängel des Ausfuhrnachweises versagt und für beide Jahre 3.702,20 DM Umsatzsteuer nacherhoben hatte. Bei der Veranlagung für 1955 ist aus dem gleichen Grunde Steuerfreiheit versagt worden. Der entsprechende Steuerbetrag beträgt 318,68 DM.
Die Steuerpflichtige hat für die Jahre 1953 und 1954 einen Betrag von 703,50 DM, für 1955 einen Betrag von 36,16 DM anerkannt, während das Finanzamt für 1953 die nachzuerhebende Umsatzsteuer um 26,04 DM und für 1954 um 7 DM herabzusetzen bereit ist. Das Finanzgericht hat die für die streitigen Veranlagungszeiträume nachzuerhebende Umsatzsteuer auf insgesamt 1.622,30 DM festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde und der Anschlußbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. 1. Ausfuhrvergütungen
Die Vorinstanz ist zutreffend, worüber auch kein Streit besteht, davon ausgegangen, daß der Ausfuhrnachweis zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Ausfuhrvergütung gehört, so daß die Vergütung bei Fehlen der Nachweise zu versagen ist, auch wenn im übrigen die Voraussetzungen ihrer Gewährung vorliegen.
Im einzelnen wird zu den Ausführungen der Vorinstanz, wie folgt, Stellung genommen:
Die Ausfuhr mit der AE-Nr. 33396 ist auch nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nachgewiesen, da ein Beleg als Nachweis der Ausfuhr auch im Berufungsverfahren nicht vorgelegt werden konnte. In den übrigen Fällen ist auf die Art des Nachweises insoweit nicht näher einzugehen, als festgestellt werden kann, daß der Nachweis nicht rechtzeitig geführt werden konnte. Hier vertritt der Senat die folgende Auffassung:
Dem Zeitpunkt des Ausfuhrnachweises kommt besondere Bedeutung zu. Ohne einen einwandfrei geführten und leicht und jederzeit nachprüfbaren Ausfuhrnachweis besteht die Gefahr ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Vergütungen. Auch der gleichfalls nachzuweisende Zeitpunkt der Ausfuhr hat im Vergütungsrecht Bedeutung, z. B. bei einem Wechsel der Vergütungssätze und im Hinblick auf den Ablauf der Ausschlußfrist. Grundsätzlich soll der Nachweis so beschaffen sein, daß eine Prüfung schnell durchzuführen ist und nicht unterbrochen werden muß, weil erst noch Ausfuhrnachweise zu beschaffen sind. Dies kommt auch im § 77 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit §§ 23 und 25 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) in der Fassung der Fünften Verordnung zur änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 5. August 1953 hinreichend zum Ausdruck. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß nach Auffassung des Verordnungsgebers die Belege grundsätzlich im Zeitpunkt der Antragstellung vorhanden sein müssen. Dies entspricht der Rechtslage nach dem Gesetz, das davon ausgeht, daß Vergütungen erst nach der Nachweisführung gewährt werden sollen. Nun schreibt § 75 UStDB, der nach § 80 a. a. O. auf Ausfuhrvergütungen anwendbar ist, vor, daß der Antragsteller alle Angaben bis zum Ablauf einer Ausschlußfrist, die für die streitigen Vergütungszeiträume 6 Monate betrug, nachholen kann. Er könnte in dieser Zeit also auch noch Belege nachreichen. Es ist deshalb nur sinnvoll, daß für das Vergütungsrecht als maßgeblicher Zeitpunkt, bis zu welchem ein fehlender Ausfuhrnachweis noch beschafft werden kann, der Ablauf der Ausschlußfrist angesehen wird.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs V 24/53 U vom 25. September 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 332, Slg. Bd. 58 S. 108), auf das sich Rechtsbeschwerde und Anschlußbeschwerde berufen, ist dahin zu verstehen, daß die im Augenblick einer Prüfung nicht greifbaren aber als Bestandteil der Buchführung bereits gekennzeichneten Belege nachgereicht werden können. Es muß sich also um Belege handeln, die der Antragsteller schon einmal in Händen hatte, aber vorübergehend einer anderen Stelle überlassen hat. Die nachträgliche Erstellung fehlender Belege ist demnach nur bis zum Ablauf der Ausschlußfrist möglich. Was nach Fristablauf geschieht, kann den bereits verwirkten Anspruch auf Vergütungen nicht mehr aufleben lassen, es sei denn, daß die Voraussetzungen des § 86 AO (Nachsicht) vorliegen. Insoweit kann der vom Finanzgericht vertretenen weiteren Auslegung nicht beigetreten werden. Hiernach ist aber der Rückforderungsanspruch des Finanzamts auch in den Fällen gerechtfertigt, in denen an Hand der bei der Steuerpflichtigen vorhandenen Unterlagen zunächst nur die Beauftragung eines bestimmten Spediteurs mit einer Ausfuhrlieferung festzustellen war. Denn dies ist noch kein Ausfuhrnachweis, der vielmehr zumindest bei einem Teil der noch streitigen Fälle jeweils erst nach Ablauf der Ausschlußfristen beigebracht worden ist. Soweit die hier vertretene Auffassung in der Praxis Schwierigkeiten verursacht haben sollte, hat der Verordnungsgeber diesem Umstand durch Verlängerung der Ausschlußfrist auf 12 Monate auf Grund der Achten Verordnung zur änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 Rechnung getragen. Die Rechtsprechung vermag hier im Einzelfall Erleichterungen nicht zu gewähren, weil die Rechtslage allein nach dem Gesetz noch strenger ist; denn hiernach müßte der Ausfuhrnachweis, wenn nicht schon im Zeitpunkt der Antragstellung, so doch spätestens im Zeitpunkt der Bewilligung der Vergütung erfüllt sein. Die Anschlußbeschwerde verkennt auch, daß die Prüfung durch die unzweckmäßige Aufbewahrung der Vergütungsbelege, durch das Fehlen zahlreicher Belege, die erst nachträglich beschafft bzw. erstmals erstellt worden sind, und durch das Fehlen eines gegenseitigen Bezugs auf den eigenen Belegen und denen des Spediteurs, wie es bei dem Umfang der getätigten Ausfuhren zumindest zweckmäßig gewesen wäre, außerordentlich erschwert und zeitraubend gewesen ist.
Es kann den Akten nicht mit Sicherheit entnommen werden, ob hiernach über alle streitigen Ausfuhren lediglich vom Standpunkt der Rechtzeitigkeit entschieden werden kann; denn dem Akteninhalt ist zu entnehmen, daß ein großer Teil der Ausfuhrnachweise (Ersatznachweise) nachträglich erstellt worden ist, im übrigen ist aus den Belegen im einzelnen nicht ersichtlich, wann sie Bestandteil der Buchführung geworden sind. Sollte die erneute Prüfung ergeben, daß der Nachweis der noch streitigen Ausfuhren nicht rechtzeitig erbracht ist, so wäre der Rückforderungsbetrag entsprechend dem Antrag der Rechtsbeschwerde auf 3.015,20 DM festzusetzen, andernfalls wäre entsprechend den Ausführungen unter Ziff. 1 und 3 zu entscheiden. 2. Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen
nach § 4 Ziff. 3 UStG. An die Beschaffenheit des Ausfuhrnachweises sind die gleichen Abforderungen zu stellen wie im Vergütungsrecht. Es ist der Anschlußbeschwerde jedoch zuzugeben, daß hinsichtlich des Zeitpunktes, bis zu welchem fehlende Belege nachgereicht werden können, Unterschiede in der Rechtslage bestehen. Abzulehnen ist eine Auffassung, wonach, da im Gegensatz zum Vergütungsrecht eine Ausschlußfrist nicht vorgesehen sei, Ausfuhrbelege zwecks Geltendmachung der Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 3 UStG etwa noch im Laufe eines Berufungsverfahrens nachgereicht werden könnten. Dies würde zu untragbaren Ergebnissen führen, wenn sich ein Steuerpflichtiger z. B. erst auf Grund einer nach der Veranlagung durchgeführten Betriebsprüfung veranlaßt sehen würde, sich um die Ausfuhrnachweise zu bemühen. Gehört der Ausfuhrnachweis zu den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen der Steuerfreiheit, so muß er im Zeitpunkt der Befreiung, das ist aber die Veranlagung, auch vorhanden sein. Es ist Aufgabe eines Steuerpflichtigen, der eine Steuervergünstigung in Anspruch nimmt, sich rechtzeitig um die erforderliche Nachweise zu bemühen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 172/53 U vom 12. August 1954, BStBl 1954 III S. 294, Slg. Bd. 59 S. 224). Die vom Finanzamt vertretene Auffassung, daß zur Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 3 UStG zwar keine Ausschlußfrist zu beachten sei, die Ausfuhrnachweise aber schon im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Steuerfreiheit in den Voranmeldungen und Jahreserklärungen vorhanden sein müssen, ist zu eng. Die Ausfuhrnachweise können bis zur Veranlagung beschafft werden.
Im Streitfalle wird hiernach zu beachten sein, daß Belege, die bis zur erstmaligen Veranlagung des Jahres 1955 (24. Juni 1957) nachgereicht worden sind, der Anwendung des § 4 Ziff. 3 UStG nicht entgegenstehen.
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Fundstellen
BStBl III 1959, 121 |
BFHE 1959, 310 |
BFHE 68, 310 |
StRK, UStG:4/3 R 5 |