Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerrechtliche Behandlung von Schuldzinsen in einem Cash-Pool
Leitsatz (amtlich)
Wer einen als Darlehen empfangenen Geldbetrag nicht dazu nutzt, Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit zu begleichen, sondern ihn in einen Cash-Pool einbringt, aus dem heraus er später seine Kosten bestreitet, kann Schuldzinsen aus diesem Darlehen nicht als Werbungskosten von seinen Einnahmen aus Vermietung abziehen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über den Werbungskostenabzug von Zinsen aufgrund von Darlehen, die in ein Cash-Pool-Verfahren eingebracht wurden.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Gesellschafter einer mittlerweile --im Wege der Übernahme aller Anteile durch die Klägerin zu 1-- beendeten GbR, die ein in den Jahren 1968 bis 1971 errichtetes Bürohochhaus vermietete und verwaltete. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe von ca. 34 Mio. DM wurden teilweise fremdfinanziert.
Die GbR gehörte zu einer Firmengruppe, in der ein Cash-Pool-Verfahren praktiziert wurde. Auf der Grundlage eines Generaldarlehensvertrags aus dem Jahr 1970 zwischen der D GmbH (ab 1986 D KG - im Folgenden: D) und zwölf Firmen des Verbundes, darunter die GbR, wurden alle Salden der Bankkonten der Gruppe täglich auf einem Konto der D zusammengeführt, indem Guthaben abgezogen und Schulden ausgeglichen wurden. Nahmen Gruppenmitglieder Darlehen auf, wurde die Darlehensvaluta am Ende des Auszahlungstags automatisch abgezogen und am Ende des Tages, an dem die entsprechende Ausgabe getätigt wurde, wieder zurück überwiesen, sofern das Ausgabenkonto in das Cash-Pool-Verfahren einbezogen war. Für den Zeitraum zwischen Darlehensauszahlung und Rücküberweisung wurde bei den Verbundunternehmen eine Forderung gegen D ausgewiesen, die im Falle der GbR nicht verzinst werden sollte.
Die GbR hatte in den Streitjahren 1982 und 1983 bei einer Lebensversicherung mehrere Darlehen aufgenommen. Die Darlehensvaluten wurden nach Abzug von Zinsen und Gebühren ausgezahlt (z.B. im Streitjahr 1982 ein Betrag von 312 882,40 DM), flossen kurze Zeit später aber von dem Konto der GbR auf ein Konto der D (z.B. im Streitjahr 1982 ein Betrag von 320 000 DM). Im Streitjahr 1985 gewährte eine Landesbank der GbR zwei Darlehen über 2,4 Mio. DM (Darlehen 001) und über 2,3 Mio. DM (Darlehen 002). Die Valuta des Darlehens 001 wurde an die GbR ausgezahlt und am gleichen Tag auf das Konto der D umgebucht. Mit dem Darlehen 002 wurde zunächst ein Kredit der Landesbausparkasse abgelöst, der Rest floss über ein Girokonto der GbR auf das Konto der D.
Die GbR machte die Zinsaufwendungen in allen Streitjahren (1982 bis 1987) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) kürzte den Aufwand um Schuldzinsen aufgrund solcher Darlehen, deren Valuten im Cash-Pool-Verfahren an die D weitergeleitet wurden. Hierdurch sah das FA im Anschluss an eine Außenprüfung den Veranlassungszusammenhang zu der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung als gelöst an. Es änderte die Feststellungsbescheide der Streitjahre 1982 bis 1986 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) und den Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1987 nach § 164 Abs. 2 AO.
Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bejahte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 565, veröffentlichten Urteil sowohl die Änderungsbefugnis des FA als auch seine Berechtigung, die als Werbungskosten geltend gemachten Schuldzinsen entsprechend zu kürzen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützen:
Das FA habe die Feststellungen für die Streitjahre 1982 bis 1986 nicht nach § 173 Abs. 1 AO ändern dürfen. Das FA hätte aufgrund der eingereichten Unterlagen, insbesondere des Vermögensstatus den Sachverhalt näher überprüfen müssen. Es gehe aus dem Status hervor, dass z.B. im Streitjahr 1985 der Grad der Verschuldung angestiegen sei und eine Umschuldung stattgefunden habe. Dies hätte das FA veranlassen müssen, näher zu überprüfen, womit die Entnahmen finanziert worden seien.
Materiell-rechtlich sei der Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung durch das Cash-Pool-Verfahren nicht unterbrochen gewesen. Das Cash-Pool-Konto bei D sei wie ein Girokonto der GbR zu verstehen. Die GbR habe von ihren Bankkonten Ausgaben getätigt, die unstreitig als Werbungskosten zu beurteilen seien. Diese Ausgaben hätten zu negativen Salden geführt, die durch Rückflüsse aus dem Cash-Pool ausgeglichen worden seien.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil und die geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der ehemaligen GbR für die Streitjahre in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG die als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Schuldzinsen insoweit nicht als abziehbar beurteilt, als die an die GbR ausgezahlten Darlehensvaluten in das Cash-Pool-Verfahren einbezogen waren (1.) und das FA für berechtigt angesehen, die Feststellungsbescheide in diesem Umfang zu ändern (2.).
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).
a) Als abziehbare Werbungskosten müssen Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sein, die durch die Einkünfteerzielung --hier aus Vermietung und Verpachtung-- veranlasst ist. So verhält es sich nur, wenn der Steuerpflichtige ein Darlehen tatsächlich dazu verwendet, um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, z.B. indem er damit Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes oder solche Aufwendungen finanziert, die während der Vermietungszeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen waren (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2., und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B. I. 1. und 2.; BFH-Urteil vom 8. April 2003 IX R 36/00, BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706, m.w.N.).
b) Ein derartiger Zusammenhang zwischen aufgenommenem Darlehen und finanzierten Aufwendungen ist nicht gegeben, wenn ein am Cash-Pool-Verfahren teilnehmendes Unternehmen --wie im Streitfall die GbR-- den vom Darlehensgeber empfangenen Geldbetrag auf das Zentralkonto des den Pool betreibenden Unternehmens überweist und seine Ausgaben aus dem Cash-Pool deckt.
aa) Cash-Pooling wird --wie auch hier-- dazu genutzt, Finanzierungskosten zu verringern, indem die Salden der einzelnen Konten der verschiedenen Gruppen- oder Konzerngesellschaften (sog. Ursprungskonten) täglich auf einem einzigen Konto, dem sog. Zentral- oder Zielkonto zusammengeführt und miteinander verrechnet werden. Inhaberin des Zielkontos kann die Konzernmutter selbst oder ein von ihr zu diesem Zweck eingeschaltetes Tochterunternehmen (Betreibergesellschaft) sein. Die Geldbewegungen zwischen Ziel- und Ursprungskonten im Cash-Pool werden als Darlehen qualifiziert (Bundesgerichtshof --BGH-- Urteil vom 16. Januar 2006 II ZR 76/04, BGHZ 166, 8, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2006, 1736; vgl. auch BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 I B 43, 44/01, BFH/NV 2002, 536). Das bedeutet: Überträgt eine am Cash-Pool beteiligte Gesellschaft --hier die GbR-- von ihrem Konto (Ursprungskonto) einen Soll-Saldo (also liquide Mittel) auf das Zielkonto, so gewährt sie der den Cash-Pool verwaltenden Gesellschaft (hier D) ein Darlehen i.S. des § 488 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Umgekehrt kommt es bei der Übertragung eines Haben-Saldos --also dann, wenn das Konzernunternehmen zur Deckung seines Liquiditätsbedarfs seinerseits Mittel aus dem Cash-Pool erhält-- zu einem Darlehen an die das Ursprungskonto innehabende Gesellschaft, hier die GbR (einhellige Auffassung im zivilrechtlichen Schrifttum, vgl. eingehend H.-J. Hellwig in Festschrift für Peltzer, S. 163, 165; Cahn, ZHR 166 (2002), 278, 280; Ränsch in Freundesgabe für Döser, S. 557, 558, jeweils m.w.N.; Sieger/Hasselbach, Betriebs-Berater --BB-- 1999, 645, 646; Jäger, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 1653).
bb) Steuerrechtlich folgt daraus: Nimmt das am Cash-Pool-Verfahren beteiligte Unternehmen ein Darlehen auf, um damit Ausgaben im Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit zu finanzieren (Darlehen 1), wird die ausgezahlte Darlehensvaluta jedoch --systemtypisch-- auf das Zielkonto überwiesen, so gewährt das Unternehmen der den Cash-Pool verwaltenden Gesellschaft ein Darlehen (Darlehen 2). Es kann Zinsen aus dem Darlehen 1 als Werbungskosten steuerrechtlich nur geltend machen, soweit es seinerseits aus dem Darlehen 2 Einkünfte in Gestalt von Zinsen erzielt. Nimmt das beteiligte Unternehmen zur Deckung seines Liquiditätsbedarfs seinerseits Mittel aus dem Cash-Pool in Anspruch (Darlehen 3), um damit Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit zu begleichen, so kann es nur Zinsen aus diesem Darlehen --dem Darlehen 3-- als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen. Denn es verwendet lediglich den Geldbetrag, der ihm durch die den Cash-Pool betreibende Gesellschaft aufgrund dieses Darlehens zur Verfügung gestellt wird, dazu, seine Aufwendungen zu begleichen. Der Zusammenhang des Darlehens 1 mit der den (finanzierten) Aufwand bedingende Einkünfteerzielung ist hingegen durch das Einbringen des Geldbetrags in das Cash-Pool-Verfahren aufgehoben. Es können andere Mittel als das Darlehen 1 sein (z.B. Eigenkapital oder weitere Darlehen von gruppenzugehörigen Unternehmen), aus denen sich das tatsächlich in Anspruch genommene Darlehen 3 speist.
c) Nach diesen Grundsätzen kann die GbR Schuldzinsen nur in gewährtem Umfang als Werbungskosten im Zusammenhang mit der Vermietung des Bürohochhauses geltend machen. Denn nach den den BFH nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG hat die GbR mit den Darlehen, um die es hier geht, am Cash-Pool-Verfahren der D teilgenommen. Daraus resultierende Zinsen kann sie insoweit nicht als Werbungskosten geltend machen, als die Geldbeträge auf das bei D geführte Zielkonto überwiesen wurden. Da dieses --der D gewährte-- Darlehen nach dem Generaldarlehensvertrag nicht zu verzinsen ist, erzielt die GbR keine Einkünfte, in deren Zusammenhang sie die --ihr entstandenen-- Schuldzinsen ihrerseits als Werbungskosten geltend machen kann. Deshalb kann der Senat auch unerörtert lassen, ob die Darlehensverträge innerhalb des Cash-Pools dem Grunde und der Höhe nach steuerrechtlich anzuerkennen sind (vgl. zur Anwendbarkeit der Grundsätze des Fremdvergleichs bei beherrschender Gesellschafterstellung Ränsch, a.a.O., S. 568 f., m.w.N.).
Einen Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit der GbR hat das FG zutreffend verneint; denn die GbR hat nicht die von ihr aufgenommenen Darlehen --jedenfalls nicht im begehrten Umfang-- dazu eingesetzt, ihre mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Aufwendungen zu begleichen, sondern Mittel aus dem Cash-Pool.
Nach den dargestellten Zusammenhängen des Cash-Pool-Verfahrens ist es ausgeschlossen, mit der Revisionsbegründung das Zielkonto wirtschaftlich wie ein normales Girokonto bei der Bank zu beurteilen. Dies ist auch deshalb nicht angezeigt, weil nach den vom FG festgestellten Inhalt des Generaldarlehensvertrags allein der D die volle Dispositionsfreiheit eingeräumt wurde. Nur sie konnte auch entscheiden, welche Mittel sie einsetzt, um den Kapitalbedarf der GbR zu befriedigen.
2. Das FA war auch berechtigt, die Feststellungsbescheide der Streitjahre entsprechend zu ändern. Es ist ihm erst im Zuge der Außenprüfung und damit nachträglich i.S. von § 173 Abs. 1 AO bekannt geworden, dass die Darlehensvaluten in einen Cash-Pool eingestellt waren. Dieser Sachverhalt war aus den Unterlagen zu den jeweiligen Feststellungserklärungen der GbR selbst nach den Darlegungen in der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen, so dass das FG zutreffend eine entsprechende Ermittlungspflicht des FA abgelehnt hat. Ob der Sachverhalt dem FA bekannt geworden wäre, wenn es die Finanzierung der Entnahmen überprüft hätte, kann dahinstehen. Denn im Bereich der Einkünfteermittlung aus Privatvermögen kommt es --anders als bei der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG-- auf Entnahmen nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 1766978 |
BFH/NV 2007, 1573 |
BStBl II 2007, 645 |
BFHE 2008, 531 |
BFHE 217, 531 |
BB 2007, 1607 |
BB 2007, 1768 |
DB 2007, 1563 |
DStR 2007, 1202 |
DStRE 2007, 991 |
DStZ 2007, 478 |
HFR 2007, 851 |