Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen OHG; Zusammenfassung der Umsätze der OHG und der Einzelfirma; örtliche Zuständigkeit des Finanzamts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Umsätze einer zweigliedrigen OHG und die Umsätze die nach dem Ausscheiden des einen Gesellschafters von dem übernehmenden Gesellschafter im Rahmen des fortgeführten Betriebs erbracht worden sind, können in einem Steuerbescheid zusammengefaßt werden; es liegt nur die Steuerschuld eines Steuerschuldners vor, denn es liegt Gesamtrechtsnachfolge vor, wenn ein Gesellschafter aus einer zweigliedrigen OHG ausscheidet.

2. Die Berufung des fortführenden Gesellschafters kann nicht dazu führen, daß das FG von sich aus auch in der Umsatzsteuersache eines anderen Unternehmers, nämlich der OHG, die ein Rechtsmittel gar nicht eingelegt hat, entscheidet.

3. Zur Frage, welches FA örtlich zuständig ist. (Leitsätze nicht amtlich)

 

Normenkette

AO § 73 Abs. 4, § 210 Abs. 1, § 211 Abs. 1; StAnpG § 8 Abs. 1; UStG 1951 § 11 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.

Diesem werden die Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstands übertragen.

 

Gründe

Streitig ist, ob die Umsätze, die eine zweigliedrige Offene Handelsgesellschaft während ihres Bestehens (vom 12. Juni bis 5. September 1956) getätigt hat, und die Umsätze, die nach dem Ausscheiden des einen Gesellschafters von dem übernehmenden Gesellschafter im Rahmen des fortgeführten Betriebs (vom 6. September bis 31. Dezember 1956) erbracht worden sind, in einem Steuerbescheid zusammengefaßt werden können.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts liegt dem Rechtsstreit folgender Sachverhalt, soweit er für die Entscheidung von Bedeutung ist, zugrunde:

Der Kaufmann … (Z.) und der Kaufmann … (S.) gründeten durch Vertrag vom 12. Juni 1956 eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) mit dem Zweck, den bisher von der Firma B., betriebenen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen fortzuführen. Die Firmenbezeichnung wurde mit einem Nachfolgezusatz versehen. Die OHG wurde am 3. August 1956 in das Handelsregister eingetragen. Umsatzsteuerlich wurde sie beim Finanzamt A. geführt. Am 5. September 1956 schied S. aus der Gesellschaft aus. Z. übernahm die Firma mit allen Aktiven und Passiven und führte sie als Alleininhaber (Einzelfirma St.) fort. Für den Voranmeldungszeitraum September 1956 wurde eine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben. Die Auflösung der OHG wurde am 3. Oktober 1956 in das Handelsregister mit dem Hinweis eingetragen, daß Z. nunmehr Alleininhaber sei.

Dieser sich aus dem Inhalt der Steuerakten ergebende Sachverhalt wurde im wesentlichen erneut bei einer Ende 1957 vom Finanzamt A. durchgeführten Betriebsprüfung festgestellt. Der Prüfer erhöhte die für die Zeit vom 12. Juni bis 31. Dezember 1956 lediglich vorangemeldeten Umsätze aus materiell-rechtlichen Gründen, ohne festzustellen, welche Umsätze auf die OHG und auf die Einzelfirma St. entfielen. Dementsprechend erließ das Finanzamt A. unter dem 2. April 1958 einen Umsatzsteuerbescheid 1956, gerichtet an „Firma B.”.

Gegen diesen Bescheid legte Z. aus materiell-rechtlichen Gründen Einspruch und Berufung ein. Die Berufung führte aus formellen Gründen zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheids.

Das Finanzgericht entschied über die Umsatzsteuersache 1956 der OHG und der Einzelfirma St. Es vertrat unter Hinweis auf § 211 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) die Auffassung, es sei unzulässig, die Steuerschuld zweier verschiedener Steuerschuldner in einem Steuerbescheid so zusammenzufassen, daß nicht erkennbar sei, was der eine und was der andere zu leisten habe. Das Finanzamt müsse gegen die OHG und gegen die Einzelfirma St. neue Bescheide erlassen und so die Umsatzsteuer getrennt festsetzen. Möglicherweise könne gegen die zwischenzeitlich erloschene OHG ein Steuerbescheid nicht mehr ergehen; es müßten dann Haftungsbescheide erlassen werden. Im übrigen erscheine es fraglich, ob das Finanzamt A. für die von der Einzelfirma St. getätigten Umsätze zuständig sei, weil nach den Angaben des Prüfers in seinem Bericht Z. im Jahre 1956 auch noch Alleininhaber der Firma … Z. (Einzelfirma Z.) gewesen sei. Dieser Betrieb, der ebenfalls den Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen zum Gegenstand gehabt habe und bei dem nach den Angaben des Z. die Geschäftsleitung des Unternehmens sich befunden habe, werde aber steuerlich beim Finanzamt Y. geführt. Wegen der Umsätze, die Z. in diesem Betrieb erzielt habe, sei er für 1956 von diesem Finanzamt durch Bescheid vom 6. Juni 1958 rechtskräftig veranlagt worden. Nach § 73 Abs. 4 AO sei für die Berechnung der Umsatzsteuer und für die Veranlagung des Z. für den Veranlagungszeitraum 1956 das Finanzamt Y. zuständig.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten. Z. sei Gesamtrechtsnachfolger der OHG. Als solcher hafte er nicht nur für die Steuerschulden der OHG, sondern sei gemäß § 8 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) echter Steuerschuldner. Sei aber bei Erlaß des Umsatzsteuerbescheids vom 2. April 1958 Z. Schuldner sowohl der Umsatzsteuer, die auf die Zeit vom 12. Juni bis 5. September 1956 entfiel, als auch der Umsatzsteuer, die für die Zeit vom 6. September bis 31. Dezember 1956 angefallen sei, so könne die Umsatzsteuerschuld 1956 in einem an den Z. gerichteten Bescheid zusammengefaßt werden. Im übrigen treffe zwar zu, daß die in den Betrieben des Z. – Einzelfirma St. und Einzelfirma Z. – getätigten Umsätze gemäß § 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) hätten zusammengerechnet werden müssen. Allein diese formelle Unrichtigkeit könne eine Änderung der Veranlagung nicht rechtfertigen.

Die Prüfung der Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

I.

Das Finanzgericht hat nicht nur in der Umsatzsteuersache 1956 des Z., sondern auch in der Umsatzsteuersache 1956 der OHG entschieden, wie sich aus dem Urteilskopf ergibt. Ein Rechtsstreit in der Umsatzsteuersache der OHG war aber nicht anhängig. An die OHG ist weder ein Steuerbescheid bzw. eine Einspruchsentscheidung ergangen noch sind von ihr oder ihren Rechtsnachfolger für sie Rechtsmittel eingelegt worden. Vielmehr handelt es sich, wie dem Inhalt der Akten zu entnehmen ist, nur um die Umsatzsteuersache 1956 des Kaufmanns Z.

Der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts A. vom 2. April 1958 und dessen Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 1959 sind jeweils an die Firma ergangen, unter der, entsprechend den Eintragungen im Handelsregister, der Kaufmann Z. zu dieser Zeit seine Geschäfte abgewickelt hat. Z. seinerseits hat weder im Rahmen der Betriebsprüfung bzw. der Veranlagung noch während des Einspruchs oder der Berufung vorgetragen, es handele sich auch um ein Rechtsmittel der OHG. Insoweit hat das Finanzgericht zutreffend von der Berufung des Kaufmanns Z. gesprochen. Es hätte aber auch nur über dessen Umsatzsteuer 1956 entscheiden dürfen. Die Berufung des Z. konnte nicht dazu führen, daß das Finanzgericht von sich aus auch in der Umsatzsteuersache eines anderen Unternehmers, nämlich der OHG, entschied.

II.

Der Vorentscheidung kann aber auch darin nicht gefolgt werden, daß in des Umsatzsteuerbescheid 1956 des Finanzamts A. vom 2. April 1958 die Steuerschuld zweier verschiedener Steuerschuldner zusammengefaßt worden sei. Träfe dies zu, so wäre der Auffassung des Finanzgerichts allerdings beizutreten. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senate in seinem Urteil V 201/62 U vom 10. Dezember 1964 (Bundessteuerblatt –BStBl– 1965 III S. 130) hingewiesen. Im Streitfälle erfaßte der Steuerbescheid aber nur die Steuerschuld eines Steuerschuldners.

Nach § 8 Abs. 1 StAnpG geht bei Gesamtrechtsnachfolge die Steuerschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Dies bedeutet, daß der Gesamtrechtsnachfolger anstelle seines Rechtsvorgängers Steuerschuldner wird. Er ist nicht bloß Haftender. Deshalb ist er durch Steuerbescheid und nicht durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nahmen (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Anm. 2 zu § 8 StAnpG). Daß ein als Alleininhaber zurückbleibender früherer Gesellschafter Gesamtrechtsnachfolger einer OHG ist, hat der Senat zuletzt in seinem Urteil V 249/61 U vom 12. März 1964 (BStBl 1964 III S. 290, Slg. Bd. 79 S. 163) ausgesprochen.

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so hat das Finanzamt zu Recht Z. als Gesamtrechtsnachfolger der OHG angesehen. Die Steuerschuld der OHG ist somit zur Steuerschuld des Z. geworden. Daneben war Z. Steuerschuldner für alle diejenigen Umsätze, die er unter der Einzelfirma St. vom 6. September bis 31. Dezember 1956 und die er unter der Einzelfirma Z. vom 1. Januar bis 31. Dezember 1956 getätigt hat. Handelt es sich aber um Steuerschulden ein und derselben Person, so sind diese grundsätzlich in einem Steuerbescheid festzusetzen. Da der Umsatzsteuerbescheid 1956 des Finanzamts A. vom 2. April 1958 den Steuerschuldner, die Art der Steuer und den Zeitraum, für den sie geschuldet wird, eindeutig ergibt, liegt ein rechtswirksamer Steuerbescheid vor.

Da das Finanzgericht bei seiner Entscheidung von einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen, das nunmehr über die materiell-rechtlichen Streitfragen zu entscheiden haben wird. Diesem werden auch die Entscheidung über die Kosten der Rb. und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes übertragen (§§ 318 Abs. 2, 320 Abs. 3 AO). Im übrigen wird das Finanzgericht bei seiner Entscheidung des besonders gelagerten Sachverhalt des Streitfalles wie folgt Rechnung zu tragen haben:

Die örtliche Zuständigkeit für die Veranlagung des Z. für den Veranlagungszeitraum 1956 lag beim Finanzamt A.. Denn bei Erlaß des Umsatzsteuerbescheides 1956 durch das Finanzamt Hamburg-Hansa am 2. April 1958 – entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt ergeht (vgl. auch Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Anm. 2 vor §§ 71 bis 81) – bestand das Unternehmen des Z. nur noch aus dem im Bezirk des Finanzamts A. gelegenen Betrieb.

Der Umsatzsteuerbescheid 1956 des Örtlich unzuständigen Finanzamts Y. vom 6. Juni 1958, der somit erst nach dem vom örtlich zuständigen Finanzamt A. erlassenen Steuerbescheid ergangen ist und erst, nachdem sich das zuständige Finanzamt bereits mit dem Steueranspruch 1956 gegenüber Z. befaßt hatte, hätte im Hinblick auf § 11 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht ergehen dürfen. Die vom Finanzamt Y. fehlerhaft festgesetzte Umsatzsteuer müßte aus diesem Grunde nunmehr bei der Festsetzung der Gesamt Steuerschuld des Z. für den Veranlagungszeitraum 1956 erfaßt, aber gleichzeitig wiederum erlassen werden. Denn es wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn die Umsatzsteuer aus den Umsätzen der Einzelfirma Z. in diesem Verfahren nochmals festgesetzt werden würde, nachdem der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts Y. bereits seit Jahren rechtskräftig ist. Eine nochmalige Heranziehung dieser Umsätze wäre auch schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil alle Beteiligten wußten, daß mit dem Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts Y. lediglich die Umsatzsteuer festgestellt werden sollte, die der Steuerpflichtige als von den in der Einzelfirma Z. getätigten Umsätzen herrührend erklärt hatte. Um diesen umständlichen Weg zu vermeiden, hat der Senat keine Bedenken, wenn in dem vorliegenden Verfahren lediglich über die von der OHG und der Einzelfirma St. getätigten Umsätze entschieden wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1481215

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