Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgezahlte Ambros-Scheinrenditen als Einkünfte aus Kapitalvermögen; laufende Verlustanteile jedenfalls nicht schon 1990 abziehbar
Leitsatz (NV)
- Der erkennende Senat bleibt bei seiner ständigen Rechtsprechung, dass die den Kapitalanlegern von der Ambros S.A. gutgeschriebenen und tatsächlich ausgezahlten (Schein-)Renditen zu Kapitaleinnahmen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, erste Alternative EStG führten (Fortführung des BFH-Urteils vom 22. Juli 1997, VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767).
- Die Kapitalanleger der Ambros S.A. können Anteile an den laufenden Verlusten der Ambros nicht schon im VZ 1990, sondern ‐ wenn überhaupt ‐ frühestens nach Aufdeckung der geschäftlichen Misserfolge der Ambros S.A. im Jahr 1991 als Werbungskosten abziehen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II. 4.).
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; BGB §§ 242, 812, 814
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr verstorbener Ehemann schlossen in den Jahren 1987 bis 1989 mit der Ambros S.A. (A) ―einer Kapitalgesellschaft panamaischen Rechts, deren Verwaltungsrat seinen Sitz in Vaduz/ Liechtenstein hatte― mehrere sog. Verwaltungsverträge, aufgrund deren sie der A Kapitalbeträge in Höhe von zusammen 610 000 DM zur Verfügung stellten.
Die A stellte ihren Anlegern monatliche Renditen bis zu 6 % in Aussicht. In den Verwaltungsverträgen erklärten die Anleger, dass sie als Investoren dem Verwalter Eigenkapital in einer bestimmten Höhe zur Verfügung stellten und über den spekulativen Charakter der Kapitalanlagen einschließlich deren Risiken ausführlich aufgeklärt worden seien. Die Anleger hatten die Wahl zwischen der monatlichen Wiederanlage der Gewinne und der vierteljährlichen Auszahlung der Renditen. Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hatten sich für die vierteljährliche Auszahlung der Renditen entschieden.
In den zu Bestandteilen der Verwaltungsverträge gewordenen ―vorformulierten― Vertragsbedingungen heißt es u.a.:
"2.1. Der Verwalter kann die Einlagen mehrerer Investoren zu einheitlichen Transaktionen zusammenfassen und Geschäfte an den US-Börsen über einen oder mehrerer Broker tätigen.
3.1 Getätigt werden überwiegend Stillhaltegeschäfte.
4.1 Die Anlagen haben spekulativen Charakter. Verluste können daher nicht ausgeschlossen werden. Eine Nachschusspflicht des Investors besteht nicht.
4.2 Das Kapital der Investoren wird mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verwaltet. Eine Garantie für die Erzielung eines bestimmten Anlageerfolges kann jedoch nicht übernommen werden.
5.2 Der Investor erhält 70 % vom Netto-Wertzuwachs.
7.2 Die Nettoergebnisse werden im monatlichen Kontoauszug mitgeteilt.
7.3 Eventuelle Verluste werden bis zu drei Monate vorgetragen.
8.1 Eine Kündigung ist vierteljährlich mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende möglich.
8.3 Das Guthaben wird per Scheck bis zum 15. des auf das Quartalsende folgenden Monats an den Investor ausgezahlt. …"
Aus den mit den gepoolten Kapitalbeträgen getätigten Spekulationsgeschäften erwirtschaftete die A zunächst ―in der Zeit von Oktober 1986 bis September 1987― per Saldo Gewinne in Höhe von rd. 2 Mio. DM. Im Oktober 1987 verlor die A ―in der Folge des Börsencrashs― ihr gesamtes Anlagekapital (rd. 15 Mio. DM). Allein in diesem Monat erlitt die A einen Verlust in Höhe von rd. 19 Mio. DM. Dennoch wies sie auch für diesen Monat ihren Anlegern gegenüber eine "Rendite" in Höhe von 3,8 % aus. In den Monaten November 1987 bis Juli 1988 gelang es der A sodann, per Saldo Gewinne in Höhe von ca. 35 Mio. DM zu erzielen, wodurch der Verlust des Monats Oktober 1987 ausgeglichen und darüber hinaus ein beträchtlicher Gewinn erwirtschaftet werden konnte. Auch in diesem Zeitabschnitt ergaben sich in einzelnen Monaten Verluste, die indessen wiederum gegenüber den Anlegern verheimlicht wurden. Nach außen wies die A stets positive Monatsergebnisse aus.
In der Folgezeit ging es dann stetig "bergab". In der Zeit von August 1988 bis zum Zusammenbruch im Januar 1991 wurden per Saldo Verluste in Höhe von insgesamt ca. 247 Mio. DM erwirtschaftet. Gleichwohl spiegelte die A den Anlegern stets Renditen vor, die ―ebenso wie die angelegten Kapitalbeträge― auf Anforderung bzw. Kündigung bis zum 30. September 1990 prompt an die Anleger ausgezahlt wurden. Diese Auszahlungen wurden zunehmend im "Schneeballsystem" aus den Kapitaleinlagen neu hinzugetretener Anleger bestritten. Zum Zusammenbruch des "Schneeballsystems" kam es anlässlich des am 15. Januar 1991 erneut anstehenden Auszahlungstermins, zu dem rd. 78 Mio. DM benötigt wurden, jedoch nur noch ein Kapital von ca. 40 Mio. DM vorhanden war. Das Konkursverfahren über das (Inlands-)Vermögen der A wurde mangels Masse eingestellt.
Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann erhielten auf ihre Kapitaleinlagen in den Jahren 1988 bis 1990 folgende "Renditen" gutgeschrieben:
1988 |
124 169,82 DM |
1989 |
161 831,30 DM |
1. Januar bis 30. September 1990 |
78 958,00 DM |
1. Oktober bis 31. Dezember 1990 |
13 157,00 DM |
Diese "Renditen" wurden den Eheleuten ―bis auf die auf den letztgenannten Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1990 entfallenden Beträge (13 157 DM)― vierteljährlich per Scheck ausgezahlt.
Im März 1990 ließen sich die Eheleute einen Teilbetrag ihrer Kapitaleinlagen in Höhe von 300 000 DM auszahlen.
In ihren Einkommensteuererklärungen 1988 bis 1990 gaben die Eheleute die in Rede stehenden "Renditen" nicht (als Einnahmen aus Kapitalvermögen) an. In den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden 1988 bis 1990 wurden diese "Renditen" nicht erfasst. Im bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid 1990 vom 14. November 1991 wurde die Einkommensteuer 1990 auf 594 DM festgesetzt. Nach Eingang einer Kontrollmitteilung der Oberfinanzdirektion (OFD) Düsseldorf vom 6. Dezember 1993 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) in den gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheiden 1988 bis 1990 vom 8. April 1994 sämtliche in diesen Jahren gutgeschriebenen "Renditen" als Einnahmen aus Kapitalvermögen an.
Die dagegen erhobene Klage nahm die Klägerin während des Verfahrens des Finanzgerichts (FG) insoweit zurück, als sie die Jahre 1988 und 1989 betraf. Mit ihrer (aufrechterhaltenen) Klage betreffend das Streitjahr 1990 hatte die Klägerin ―wie auch im Einspruchsverfahren― zunächst lediglich begehrt, den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom 8. April 1994 aufzuheben. Später ―erstmals mit Schriftsatz an das FG vom 17. März 1998― erweiterte die Klägerin ihren Antrag dahin, das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 1990 auf 0 DM festzusetzen. Die A sei bereits Ende 1990 zusammengebrochen. Zu diesem Zeitpunkt sei die A völlig überschuldet gewesen. Daher stellten die auf das Streitjahr 1990 entfallenden Scheinrenditen keine Kapitaleinkünfte dar. Im Gegenteil müsse ihr Forderungsverlust sogar als Werbungskosten des Jahres 1990 abgezogen werden.
Das FG gab der Klage betreffend 1990 lediglich insoweit statt, als es die vom FA in dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 1990 erfassten "Renditen" für das IV. Quartal 1990 in Höhe von 13 157 DM von der Besteuerung ausnahm.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung und den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom 8. April 1994 aufzuheben sowie das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 1990 unter Berücksichtigung von Werbungskosten aus der stillen Beteiligung an der A in Höhe von 674 958 DM neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht insoweit abgewiesen, als die Klägerin begehrt hat, die Einkünfte aus Kapitalvermögen um mehr als 13 157 DM (= gutgeschriebene "Renditen" für das IV. Quartal 1990) herabzusetzen.
1. Soweit die Klägerin nicht nur begehrt hat, den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom 8. April 1994 aufzuheben, sondern darüber hinaus auch beantragt hat, das FA zu verpflichten, unter Änderung auch des ursprünglichen ―bestandskräftigen― Einkommensteuerbescheids 1990 vom 14. November 1991 die Einkommensteuer 1990 auf 0 DM festzusetzen, steht diesem Begehren schon der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen.
Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hatten ihre Einkommensteuererklärung 1990 im Jahr 1991 abgegeben. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1990 begann daher am 1. Januar 1992 zu laufen und endete ―mangels Vorliegens von Ablaufhemmungstatbeständen i.S. von § 171 AO 1977― mit Ablauf des Jahres 1995 (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Die Festsetzungsverjährung bewirkte das Erlöschen des entsprechenden Steueranspruchs (vgl. § 47 AO 1977) mit der Folge, dass die Klägerin ihren erstmals im Klageverfahren vor dem FG ―im Jahr 1998― gestellten, über die Aufhebung des Einkommensteueränderungsbescheids 1990 vom 8. April 1994 hinausgehenden Antrag, die Einkommensteuer 1990 auf 0 DM festzusetzen, nicht mehr mit Erfolg geltend machen konnte (vgl. z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Vor § 169 AO 1977 Tz. 2, m.w.N.).
2. Im Ergebnis zutreffend hat das FG auch das Begehren der Klägerin abgelehnt, den angefochtenen, auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gestützten Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom 8. April 1994 insgesamt aufzuheben.
a) Mit Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 1990 entfallenden Ambros-Renditen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen waren, und hat den angefochtenen Bescheid lediglich insoweit geändert, als dort auch die für das IV. Quartal 1990 gutgeschriebenen Renditen als Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasst waren.
aa) Zutreffend hat das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten angenommen, dass die Rechtsverhältnisse zwischen der A und ihren Anlegern als typische stille Beteiligungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu qualifizieren waren. Zur ausführlichen Begründung verweist der erkennende Senat auf seine Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95 (BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II. 1. a bis c der Gründe), VIII R 12/96 (BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761, unter II. 1. a bis c der Gründe) und VIII R 13/96 (BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 1. a bis c der Gründe).
bb) Zu Unrecht meint die Klägerin, dass die streitigen "Renditen" mangels Vorliegens von Einnahmen i.S. von § 8 Abs. 1 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und mangels deren Zuflusses i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen werden könnten.
aaa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Einnahmen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) i.S. von § 11 Abs. 1 EStG dem Steuerpflichtigen zugeflossen, sobald dieser über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen regelmäßig dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.
bbb) Der Senat geht im Streitfall davon aus, dass die (noch) streitigen ―auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 1990 entfallenden― "Renditen" im Streitjahr 1990 in vollem Umfang per Scheck an die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann ausgezahlt wurden. Diese Tatsache ist zwar vom FG nicht (ausdrücklich) festgestellt worden, jedoch nach Annahme des erkennenden Senats zwischen den Beteiligten unstreitig. Dann kann aber an einem Zufluss von Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG kein Zweifel bestehen (vgl. schon Senatsurteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. a der Gründe).
ccc) Der Zufluss von Einnahmen i.S. der §§ 8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 EStG setzt allerdings voraus, dass beim Steuerpflichtigen eine Vermögensmehrung, d.h. eine objektive Bereicherung, eintritt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224, 225, m.w.N.). Dies trifft im Streitfall zu. Durch die Auszahlung der "Renditen" traten solche objektiven Bereicherungen der Klägerin und ihres Ehemannes ein. Dem steht nicht entgegen, dass die A die Auszahlung der "Renditen" mit Mitteln bestritt, die ihr von anderen Anlegern oder gar von der Klägerin und ihrem Ehemann selbst zur Verfügung gestellt worden waren. Woher die vom Schuldner zur Begleichung seiner (vermeintlichen) Verbindlichkeiten verwendeten, in seinem wirtschaftlichen Eigentum stehenden Geldmittel stammten, ist für die durch die Zahlung beim Empfänger eintretende objektive Bereicherung grundsätzlich ohne Belang (näher dazu Senatsurteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. b der Gründe, m.w.N.).
ddd) Die in Rede stehenden Renditen flossen den Eheleuten im Streitjahr auch als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG zu und bildeten nicht etwa nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen (zur näheren Begründung vgl. Senatsurteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. c der Gründe).
b) Der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid 1990 vom 8. April 1994 ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht deswegen zur Gänze aufzuheben, weil die von FA und FG ―wie unter II. 2. a dargelegt― zu Recht als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfassten, für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1990 gezahlten Ambros-"Renditen" gemäß § 177 Abs. 1 AO 1977 mit auf die Klägerin und ihren Ehemann entfallenden Anteilen an den von der A im Streitjahr 1990 und in früheren Veranlagungszeiträumen (1987 bis 1989) erlittenen Verlusten zu saldieren sind.
aa) Richtig ist zwar, dass die Ambros-Anleger nach den Verwaltungsverträgen an den Verlustgeschäften der A beteiligt werden sollten und die Ambros-Anleger als typische stille Gesellschafter die auf sie entfallenden ―laufenden― Verlustanteile daher unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 11 Abs. 2 EStG als Werbungskosten geltend machen könnten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH erfordert indessen der Abzug von Verlustanteilen des typischen stillen Gesellschafters als Werbungskosten, dass der Verlust auf der Ebene des Beteiligungsunternehmens sowie der auf den stillen Gesellschafter entfallende Verlustanteil insbesondere durch einen entsprechenden Jahresabschluss des Beteiligungsunternehmens oder durch Schätzung der Finanzbehörde ermittelt (festgestellt) worden ist und darüber hinaus ―im Hinblick auf den erforderlichen Abfluss i.S. von § 11 Abs. 2 EStG― der auf den stillen Gesellschafter entfallende Verlustanteil von seiner Vermögenseinlage abgebucht wurde (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724, unter II. B. der Gründe; vgl. Senatsurteil vom 10. November 1987 VIII R 53/84, BFHE 151, 434, BStBl II 1988, 186, unter 3. der Gründe, betreffend typische Unterbeteiligung).
bb) Diese Voraussetzungen lagen im Streitjahr 1990 augenscheinlich nicht vor. Dementsprechend hat denn auch der erkennende Senat schon in seinem Urteil in BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755 (unter II. 4. der Gründe) darauf hingewiesen, dass die Ambros-Anleger Anteile an den ―laufenden― Verlusten der A nicht schon im Streitjahr 1990, sondern ―wenn überhaupt― frühestens nach Aufdeckung der geschäftlichen Misserfolge der A im Jahr 1991 als Werbungskosten abziehen könnten.
Daran ist festzuhalten. Im Streitjahr 1990 und auch in den vorherigen Veranlagungszeiträumen waren die von der A erlittenen Verluste weder von dieser in ihren Jahresabschlüssen erklärt noch von einem Dritten ―etwa den zuständigen Finanzbehörden― entdeckt und ermittelt worden. Darüber hinaus fehlte es an der für einen Abfluss als Werbungskosten nach § 11 Abs. 2 EStG erforderlichen Voraussetzung, dass die Verlustanteile der Anleger bereits 1990 von deren Kapitaleinlagen abgebucht worden sind.
cc) Das Ergebnis wäre aber auch dann kein anderes, wenn der Klägerin darin zuzustimmen wäre, dass im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalles das Erfordernis einer Verlust- und Verlustanteilsfeststellung ausnahmsweise entbehrlich sei.
aaa) Für den Zeitraum bis 30. September 1990 stünde einer für den Abfluss i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG unerlässlichen Abbuchung des auf die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann entfallenden Verlustanteils § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entgegen: Die A hatte der Klägerin und ihrem Ehemann im Zeitraum bis 30. September 1990 nicht nur keine Verlustanteile auf den Anlagekonten belastet, sondern ―im Gegenteil― sogar "Renditen" gutgeschrieben und ausgezahlt. Dabei leistete die A diese Auszahlungen an die gutgläubigen Eheleute in bewusster Kenntnis ihrer Nichtschuld mit der Folge, dass einem Rückforderungsanspruch der A § 814 BGB entgegengestanden hätte (vgl. auch schon Senatsurteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. c, bb der Gründe). Angesichts dieser in bewusster Täuschung der Anleger erfolgten Vorgehensweise der A wäre es dieser nicht möglich gewesen, die Einlagekonten der Klägerin und ihres Ehemannes im Nachhinein für Zeiträume bis 30. September 1990 mit Verlustanteilen zu belasten, weil dies (der Wertung des) § 814 BGB zuwider gelaufen wäre (vgl. schon Senatsurteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. c, bb, letzter Absatz der Gründe; zum Rechtsgedanken des § 814, erste Alternative BGB als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens ―§ 242 BGB― vgl. z.B. Palandt/Thomas, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 60. Aufl., § 814 Rz. 1; Lieb in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 814 Rz. 2, m.w.N.).
bbb) Für das letzte Kalendervierteljahr 1990 sind die der Klägerin gutgeschriebenen "Renditen" zwar nicht mehr ausgezahlt worden, so dass § 814 BGB insoweit nicht einschlägig ist. Jedoch könnte es der A, nachdem sie der gutgläubigen Klägerin auch für dieses Quartal bewusst wahrheitswidrig "Renditen" vorgespiegelt und damit schlüssig erklärt hatte, dass eine Belastung der Klägerin mit Verlustanteilen nicht in Betracht komme, wegen widersprüchlichen und daher i.S. von § 242 BGB treuwidrigen Verhaltens ("venire contra factum proprium") verwehrt gewesen sein, das Einlagekonto der Klägerin im Nachhinein mit Verlustanteilen zu belasten. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage kann allerdings dahinstehen, weil es jedenfalls im Streitjahr 1990 nicht mehr zu der unerlässlichen Abbuchung eines Verlustanteils der Klägerin von ihrer Kapitaleinlage, deren Wertlosigkeit im Hinblick auf die am 15. Januar 1991 noch vorhandenen Mittel der A in Höhe von rd. 40 Mio. DM noch nicht feststand, kommen konnte. Die A hat eine solche Abbuchung gerade nicht vorgenommen. Auch ein Dritter, namentlich die Finanzbehörde, konnte die Verluste der A und die auf die Klägerin entfallenden Verlustanteile frühestens nach dem Zusammenbruch der A im Januar 1991 schätzen und die geschätzten Verlustanteile von der Kapitaleinlage der Klägerin abbuchen, weil die A ihre betrügerischen Handlungen bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich verschleiern konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 624884 |
BFH/NV 2001, 1395 |