Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Mangel unzureichenden rechtlichen Gehörs im Steuerfestsetzungs- und Einspruchsverfahren vor dem Finanzamt wird durch das vom Finanzgericht einwandfrei durchgeführte Berufungsverfahren geheilt.
Wird in einem Mietshaus an Stelle einer Warmluftheizung eine Warmwasserheizung eingerichtet, so sind die Kosten Herstellungsaufwand, auch wenn die Warmluftheizung wirtschaftlich und technisch verbraucht war.
Normenkette
AO §§ 205, 229; EStG § 7 Abs. 1, §§ 9, 21/1/1; EStDV § 82a
Tatbestand
Die Bfin. ist Eigentümerin eines im Jahre 1902 erbauten Hauses. Das Haus hatte eine Warmluftheizung, die abgenutzt war. Nach der Aufgabe der im Erdgeschoß bis 1958 betriebenen Apotheke stellte die Bfin. die Heizung auf eine Warmwasserzentralheizung um; weiter wurden die Apothekenräume zu Wohnzwecken umgestaltet; dabei wurde das Labor in eine Küche umgewandelt und ein Bad eingerichtet; gleichzeitig wurden in verschiedenen Räumen Erneuerungsarbeiten und Tapezierarbeiten ausgeführt, die Türen und Fenster überholt sowie die Versorgungsleitungen verlegt und erneuert.
Bei der Veranlagung 1958 ließ das Finanzamt die in diesem Jahre für die neue Heizung gezahlten 10 650 DM voll zum Abzug zu. Als die Bfin. für das Jahr 1959 wiederum 15 000 DM für die Heizung und die anderen Arbeiten abziehen wollte, lehnte das Finanzamt das ab, weil es alle Ausgaben der Bfin., einschließlich der 10650 DM des Jahres 1958, als Herstellungsaufwand betrachtete.
Auch das Finanzgericht sah in den 15 000 DM Herstellungsaufwand und führte aus: Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 161/60 U vom 23. Juni 1961 (BStBl 1961 III S. 401, Slg. Bd. 73 S. 370) sei der Ersatz einer Ofenheizung durch eine Sammelheizung eine Herstellungsmaßnahme. Der Ersatz einer Warmluftheizung durch eine Warmwasserheizung sei entsprechend zu beurteilen. Wärmeträger bei der Ofenheizung und der Warmluftheizung sei die Luft, bei der Warmwasserheizung dagegen das in den Röhren kreisende Wasser. Die Behandlung bei der Veranlagung 1958 binde das Finanzamt für das Streitjahr 1959 nicht. Durch die Gesamtheit der Arbeiten sei das Gebäude wesentlich verbessert, modernisiert und im Wert gesteigert worden. Der Vorgang sei einheitlich zu beurteilen. Darum seien auch die Maßnahmen als Herstellungsvorgang zu werten, die für sich allein, wie z. B. der Anstrich und das Tapezieren, nur eine Erhaltungsmaßnahme sein würden.
Mit der Rb. machte die Bfin. wesentliche Mängel des Verfahrens geltend. Das Finanzamt habe vor der Einspruchsentscheidung nicht genügend die Sach- und Rechtslage mit ihr besprochen; auch habe es nicht gemäß ihrem Antrag den Streitfall der Oberfinanzdirektion zur Entscheidung vorgelegt; dadurch sei ihr das Grundrecht rechtlichen Gehörs verweigert worden. Im übrigen sei die Feststellung des Finanzgerichts, die Kosten seien Herstellungsaufwand, mit dem klaren Akteninhalt unvereinbar und sachlich unzutreffend. Es seien nur bereits vorhandene Anlagen und Einrichtungen, insbesondere die wirtschaftlich verbrauchte Warmluftheizung, wieder instandgesetzt worden. Ferner habe das Finanzgericht § 82 a EStDV nicht berücksichtigt; ferner habe es übersehen, den Restwert der alten Heizungsanlage zuzüglich der Abbruchkosten durch eine Abschreibung zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Verfahrensrügen der Bfin. greifen nicht durch. Für die Ermittlung der rechtserheblichen Tatsachen, für die Festsetzung der Steuern und für die Entscheidung über Einsprüche ist das Finanzamt zuständig; eine Beteiligung der Oberfinanzdirektion - auch im Berufungsverfahren - ist nicht im Gesetz vorgesehen ( 204, 210, 229 AO). Die Bfin. beanstandet daher zu Unrecht die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Finanzamt im Steuerfestsetzungs- und im Einspruchsverfahren entsprechend § 205 AO der Bfin. ausreichendes rechtliches Gehör und genügend Möglichkeit zur äußerung gegeben hat. Denn jedenfalls hat die Bfin. im Verfahren vor dem Finanzgericht alles schriftlich und mündlich vortragen können, das nach ihrer Auffassung rechtserheblich war. Das Finanzgericht hat am 3. Juni 1964 durch seinen Berichterstatter eine erneute Ortsbesichtigung vorgenommen. Dabei war die Bfin. durch ihren Steuerberater und durch ihren Enkel, Regierungsassessor K., vertreten. Ferner fand am 24. Juni 1964 vor der Kammer des Finanzgerichts eine mündliche Verhandlung statt, Damit ist der Bfin. ausreichend das rechtliche Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährt worden.
Auch die Rüge, daß die Feststellungen des Finanzgerichts wider den klaren Akteninhalt verstießen, geht fehl. § 288 Ziff. 1 AO behandelt den Fall, daß das Finanzgericht seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der mit dem Akteninhalt nicht vereinbar ist. Darum geht es aber hier nicht. Der Sachverhalt liegt fest. Das Finanzgericht hat nur den feststehenden Sachverhalt abweichend von der Meinung der Bfin. rechtlich gewürdigt.
Aufwendungen eines Eigentümers, die das Haus in ordnungsmäßigem Zustand erhalten sollen, sind Erhaltungsaufwand. Erhaltungsmaßnahmen sind Maßnahmen, die die Wesensart des Gebäudes nicht ändern und die keine Verbesserungen über den bisherigen Zustand hinaus herbeiführen, wie z. B. in den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953 (BStBl 1953 III S. 245, Slg. Bd. 57 S. 639) und VI 161/60 U, a. a. O., ausgeführt ist. Herstellungsaufwand liegt vor, wenn durch Baumaßnahmen das Haus in seiner Substanz vermehrt, in seinem Zustand wesentlich verändert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinaus erheblich verbessert wird. Eine Generalüberholung, die der Erneuerung und Modernisierung eines den Ansprüchen der Zeit nicht mehr genügenden Wohnhauses dient, ist in der Regel eine Herstellungsmaßnahme (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 111/54 U vom 31. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 86, Slg. Bd. 62 S. 230).
Die änderung der Beheizung eines Hauses kann eine Erhaltungs- oder auch eine Herstellungsmaßnahme sein. In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 161/60 U (a. a. O.) war in einem Mietshaus die Ofenheizung durch eine Zentralheizung ersetzt worden. Der Senat sah darin eine Herstellungsmaßnahme, weil eine Verbesserung über den ursprünglichen Zustand hinaus herbeigeführt worden war. Er wies auch darauf hin, daß dies offenbar der Auffassung des Gesetzgebers entspreche. Denn wenn der Gesetzgeber die Bundesregierung ermächtigt habe, durch eine Rechtsverordnung erhöhte Absetzungen "für den Einbau einer Heizungsanlage" zuzulassen, so setze er dabei offensichtlich voraus, daß die Aufwendungen nicht schon als Erhaltungsaufwand sofort voll abgezogen werden könnten. In mehreren Fällen, die Aufwendungen für die Umstellung einer Zentralheizung von Kohlen- auf ölfeuerung betrafen, hat der Senat ebenfalls grundsätzlich Herstellungsaufwand angenommen, z. B. in den Entscheidungen VI 179/60 S vom 23. Juni 1961 (BStBl 1961 III S. 403 Slg. Bd. 73 S. 374); VI 193/61 vom 3. November 1961 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 9 Sätze 1 und 2, Rechtsspruch 167); VI 247/60 vom 23. Juni 1961 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 7, Rechtsspruch 76). Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß zwar in der Regel die Heizungskörper (Radiatoren) und das vorhandene Röhrensystem weiter benutzt würden. Aber die Umstellung auf ölfeuerung erfordere den Einbau kostspieliger Neuanlagen, die nicht etwa nur bereits vorhandene Teile ersetzten. Weil der Vorgang nur einheitlich behandelt werden könne, seien in der Regel alle Kosten der Umstellung Herstellungsaufwand. Eine Ausnahme hat der Senat nur zugelassen, wenn die alte Heizungsanlage so abgenutzt war, daß sie ohne Erneuerung nicht mehr betrieben werden konnte. In diesen Fällen steht nicht mehr der Einbau zusätzlicher Anlagen im Vordergrund, sondern die wirtschaftliche Erneuerung der Heizungsanlage im ganzen, so daß man von einer "Reparatur" sprechen kann.
Nach diesen Grundsätzen muß man im Streitfall die Kosten für die Umstellung der Heizung als Herstellungskosten ansehen. Die Umstellung von einer Warmluft- auf eine Warmwasserheizung ist ebenso wie die Umstellung von Kohlen- auf ölfeuerung mit dem Einbau kostspieliger neuer Einrichtungen verbunden, vor allem mit dem Einbau eines Heizungskessels, eines über das ganze Haus verteilten Röhrensystems, usw. Wirtschaftlich und technisch ist die Umstellung von einer Luft- auf eine Warmwasserheizung ein wesentlich tiefgreifenderer Vorgang als die Umstellung einer Zentralheizung von Kohlen- auf ölfeuerung. Denn im letztgenannten Fall wird die Wärme in gleicher Weise durch Rohre und Heizkörper verbreitet, während bei der Luftheizung die Wärme durch gemauerte Schächte und durch öffnungen in den Wänden geleitet wird. Bei der Umstellung auf eine Warmwasserheizung verlieren diese Schächte ihre Bedeutung. Wegen der ganz anderen Technik ist es auch nicht möglich, den Ersatz einer wirtschaftlich verbrauchten Warmluftheizung durch eine Warmwasserheizung als Reparaturmaßnahme anzuerkennen, wie es bei dem Ersatz einer verbrauchten Kohlenfeuerung durch eine ölfeuerung geschehen ist. Denn bei der Umstellung von einer Luftheizung auf eine Warmwasserheizung wird die alte Heizung nicht etwa "wiederhergestellt", sondern sie wird durch Beseitigung des Ofens, der Luftschächte, der Wandöffnungen gerade zerstört, weil diese Einrichtungen ihre Bedeutung verloren haben. Der Ersatz einer Warmluftheizung durch eine Warmwasserheizung ähnelt mehr dem Ersatz von Ofenheizungen durch eine Zentralheizung, in der der Senat stets eine Herstellungsmaßnahme sieht, auch wenn technisch und wirtschaftlich verbrauchte Heizöfen durch eine Zentralheizung ersetzt werden.
Das Finanzgericht hat also zu Recht die Kosten der Warmwasserheizung als Herstellungsaufwand angesehen. Daß ein Teil dieser Kosten bei der Veranlagung 1958 voll als Werbungskosten abgezogen wurde, schließt die richtige Behandlung für das Streitjahr 1959 nicht aus. Die erhöhte Absetzung von den Herstellungskosten der neuen Heizung nach § 82 a EStDV ist für das Jahr 1959 noch nicht möglich, da die Ziff. 7 "Heizungsanlagen" der Anlage 7 zur EStDV nach § 82a Abs. 4 in Verbindung mit § 84 Abs. 1 EStDV 1961 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1961 gilt, wird aber dann für alle nach dem 31. Dezember 1957 fertiggestellten Heizungsanlagen zugelassen (Abschn. 158 Abs. 3 EStR 1962).
Auch die Kosten der Umgestaltung der Apothekenräume zu einer Wohnung konnte das Finanzgericht ohne Rechtsverstoß als Herstellungsaufwand behandeln. Das Gebäude hat dadurch eine wesentliche Zustandsänderung erfahren. Zu prüfen hat das Finanzgericht aber noch, ob die Umgestaltung der bisherigen gewerblichen Räume zu einer Wohnung ein Vorgang im Sinne des § 7b Abs. 2 EStG 1958 war (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 7. Aufl., § 7b Anm. 29; Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 7 b Anm. 3c S. 869).
Das Finanzgericht hat die Aufwendungen der Bfin. für Fußböden, Tapezieren, Türen, Fenster und Versorgungsleitungen ohne Einzelprüfung voll als Herstellungsaufwand angesehen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß ein Teil dieser Kosten Instandsetzungskosten ist, die nicht in sachlichen, sondern nur in zeitlichem Zusammenhang mit Herstellungsmaßnahmen stehen, vor allem um die mit Handwerkerarbeiten verbundenen Unannehmlichkeiten zeitlich abzukürzen. Das Finanzgericht muß prüfen, ob hier nicht die Grundsätze der Entscheidung des Senats VI 100/59 U vom 14. Oktober 1960 (BStBl 1960 III S. 493, Slg. Bd. 71 S. 653) eingreifen und von den Gesamtkosten notfalls schätzungsweise ein Teil als Instandhaltungsaufwand auszuscheiden ist.
Schließlich hat das Finanzgericht noch zu erwägen, ob nicht nach den Grundsätzen der Entscheidung VI 161/60 U (a. a. O.) wegen der Beseitigung der Luftheizung eine außerordentliche Absetzung nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG 1958 in Betracht kommt.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die nicht spruchreife Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen, das sie nochmals unter den vorstehenden Gesichtspunkten prüfen muß.
Fundstellen
Haufe-Index 411700 |
BStBl III 1965, 507 |
BFHE 1966, 16 |
BFHE 83, 16 |
BB 1965, 975 |
DB 1965, 1271 |
DStR 1965, 571 |