Leitsatz (amtlich)
Ein Disagio, das bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen durch eine Kapitalgesellschaft gewährt wird, ist - unabhängig von seiner bilanzmäßigen Behandlung - nicht den Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG zuzurechnen.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1
Tatbestand
Im Jahre 1954 hat die Klägerin und Revisionsbeklagte - eine AG - (Klägerin) eine 7 %ige Schuldverschreibung ausgegeben. Im Streitjahr folgte die Ausgabe einer 5 1/2 %igen Teilschuldverschreibung durch die Organgesellschaft der Klägerin, die G-AG, die später auf die Klägerin umgewandelt wurde. Die Wertpapiere wurden unter Gewährung eines Emissions-Disagios von 1 % zum Kurs von 99 v. H. veräußert. Die Klägerin und die G-AG haben das Disagio jeweils in ihren Bilanzen aktiviert und bei den Gewinnermittlungen Teilbeträge, bemessen nach den Laufzeiten der Schuldverschreibungen, gewinnmindernd abgebucht, im Streitjahr einen Betrag von 41 535 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat den auf das Streitjahr entfallenden Auflösungsbetrag bei der Ermittlung des Gewerbeertrags als Zinsen für Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 GewStG) hinzugerechnet.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG trat in seiner in EFG 1973, 171, veröffentlichten Entscheidung der Auffassung der Klägerin, daß die Abschreibungsbeträge auf das Disagio keine Zinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG seien, bei.
Mit seiner Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA macht geltend, das FG berufe sich zur Stützung seiner Ansicht zu Unrecht auf die zum Darlehensabgeld (Damnum) ergangene Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 4. März 1971 IV 318/65, BFHE 102, 392, BStBl II 1971, 716). Das Disagio bei Anleihen und Schuldverschreibungen müsse anders beurteilt werden. Bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen übernehme das gewerbliche Unternehmen die damit kausal verbundenen Aufwendungen, wie Bankprovisionen, Wertpapiersteuer, Kosten für die Veröffentlichung von Verkaufsangeboten, Prospekte, Bestellung von Sicherheiten und Börsenzulassung sowie Druck- und ähnliche Kosten, wodurch der gewerbliche Gewinn ohnehin schon gemindert werde. Das darüber hinaus vereinbarte Disagio sei das Entgelt des Schuldners an den Gläubiger für die eigentliche Kapitalnutzung und somit zusätzlicher Zins (Hinweis auf das zur bilanzmäßigen Behandlung des Disagios ergangene BFH-Urteil vom 20. November 1969 IV R 3/69, BFHE 97, 418, BStBl II 1970, 209). Eine solche Vergütung unterscheide sich wesentlich von den im Entstehungszeitpunkt der Schuld einmalig anfallenden allgemeinen Kapitalbeschaffungskosten.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG werden Zinsen für Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (Dauerschulden), dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind. "Zinsen" i. S. dieser Vorschrift sind die Nutzungsvergütungen für die Überlassung des Kapitals, die regelmäßig nach der Höhe und nach der Nutzungsdauer des Kapitals bemessen werden (BFH-Urteil IV 318/65). Der BFH ist dem weiten Zinsbegriff (Effektivzinsen = gesamtes Entgelt für die Gewährung eines Kredits) bei der Auslegung des § 8 Nr. 1 GewStG nicht gefolgt, weil er davon ausgegangen ist, daß der Gesetzgeber, wenn er diesen Zinsbegriff auch in § 8 Nr. 1 GewStG hätte verwenden wollen, dies eindeutiger durch das Wort "Entgelte" zum Ausdruck gebracht hätte. Der BFH hat daher Abschreibungen auf das Damnum nicht zu den Zinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG gerechnet, da das Damnum nicht nach der Höhe und nach der Nutzungsdauer des Kapitals bemessen werde. Dieser Auslegung folgt auch der erkennende Senat insbesondere deshalb, weil der Zinsbegriff nach § 8 Nr. 1 GewStG im Zusammenhang mit dem Begriff der Dauerschulden verwendet wird und dies dafür spricht, daß den Zinsen i. S. dieser Vorschrift der Charakter von Zahlungen zukommt, die laufend für die nicht nur vorübergehende Erhaltung von Kreditmitteln zu entrichten sind.
2. Nach diesen Grundsätzen fällt auch das bei Ausgabe von Schuldverschreibungen durch ein gewerbliches Unternehmen gewährte Disagio (Unterschied zwischen dem Auszahlungsbetrag und dem Rückzahlungsbetrag des Kredits) nicht unter den Begriff der Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG. Denn auch das Disagio wird nicht nach der Höhe und Nutzungsdauer des Kapitals bemessen. Das FG hat im einzelnen überzeugend und vom FA nicht widerlegt dargetan, daß dem Ersterwerber von Teilschuldverschreibungen einer unter pari veräußerten Emission, deren Tilgung sich über Jahre erstreckt, der volle Nennbetrag auch dann zurückgezahlt wird, wenn seine Wertpapiere im ersten Tilgungsjahr zur Einlösung aufgerufen werden. Ferner hat das FG zutreffend ausgeführt, daß die Höhe des Disagios auch nicht davon beeinflußt wird, daß ein Schuldner von der Möglichkeit vorzeitiger Tilgung der Teilschuldverschreibung Gebrauch macht. Auch das Disagio entsteht wie das Damnum bei Begründung der Kreditschuld und wird nicht für bestehende Schulden gezahlt (BFH-Urteil IV 318/65). Die Vereinbarung des Disagios kann je nach den Verhältnissen am Kapitalmarkt erforderlich sein, um zusätzlich zur üblichen Verzinsung dazu anzureizen, Kapital zur Verfügung zu stellen. Damit ist die Verknüpfung des Disagios mit den besonderen Verhältnissen im Zeitpunkt der Darlehenshingabe und seine Unabhängigkeit von der Laufzeit des Kredits augenscheinlich.
3. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß das Disagio zu den Effektivzinsen und damit zu den zusätzlichen Vergütungen für die Überlassung des Kapitals gerechnet wird mit der Folge, daß es zu aktivieren und nach der Laufzeit des Kredits abzuschreiben ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 13. März 1974 I R 165/72, BFHE 111, 527, BStBl II 1974, 359). Bei dieser Beurteilung steht der Gedanke der periodengerechten Aufwandsverteilung im Vordergrund. Dabei reicht es aus, daß sich das Disagio überhaupt als Entgelt für die Überlassung des Kredits darstellt. Für den Zinsbegriff, wie er in § 8 Nr. 1 GewStG zu verstehen ist, muß noch ein weiteres Erfordernis hinzutreten. Das Entgelt für die Kapitalnutzung muß sich - wie dargelegt - nach der Höhe und der Laufzeit des Kredits bemessen. Eben daran fehlt es beim Disagio.
Fundstellen
Haufe-Index 71185 |
BStBl II 1975, 113 |
BFHE 1975, 103 |