Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung eines Kommanditanteils durch eine GmbH an ihren Gesellschafter zu einem unangemessen niedrigen Preis - Entscheidung über eine vGA-Erkennbarkeit i.S. des § 174 Abs. 3 AO 1977
Leitsatz (amtlich)
Erfüllt die Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft durch eine GmbH sowohl den Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) als auch den der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG), dann hindert § 7 Abs. 1 EStDV die Erfassung der verdeckten Gewinnausschüttung bei der GmbH nicht.
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich ist über eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) bei der GmbH im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung der GmbH zu entscheiden. Davon abweichend ist bei einer GmbH als Gesellschafterin einer KG eine vGA im Rahmen der Gewinnfeststellung der KG zu entscheiden, wenn die Frage nach der vGA bei der GmbH untrennbar mit der Höhe des Gewinnanteils der GmbH bei der KG verbunden ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Hinsichtlich des Merkmals "erkennbar" in § 174 Abs. 3 AO 1977 kommt es auf denjenigen an, demgegenüber die Steuerfestsetzung geändert oder nachgeholt werden soll. Erkennbar heißt, daß der Steuerpflichtige bei verständiger Würdigung des fehlerhaften Bescheids erkennen müßte, warum der streitige Vorgang dort nicht berücksichtigt wurde. § 174 Abs. 3 AO 1977 gestattet auch die Änderung des Steuerbescheids eines Steuerpflichtigen, wenn der alternative Steuerbescheid einen anderen Steuerpflichtigen betrifft. Daraus ergibt sich auch, daß die Möglichkeit einer Alternative nicht von vornherein zur Sprache gekommen sein muß; es genügt, daß sie objektiv erkennbar bestand.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2; EStDV § 7; KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2; AO 1977 § 174 Abs. 3, §§ 20, 155; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 08.10.1985; Aktenzeichen VII 288/83) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, wurde 1969 gegründet. Komplementär (Kapitalanteil 100 000 DM) und Geschäftsführer ist J.W., einzige Kommanditistin war zunächst die J.W. GmbH (GmbH) mit einem Kapitalanteil von 50 000 DM. An der GmbH sind J.W. zu 3/5 (30 000 DM) und seine Ehefrau A.W. zu 2/5 (20 000 DM) beteiligt.
Die GmbH brachte ihre Einlage aus Gewinnanteilen auf.
J.W. brachte seine Einzelunternehmen in die KG ein. Unstreitig war der Wert der Gesellschaftsanteile danach höher als die ausgewiesenen Kapitalkonten.
Durch Vertrag vom 30.April 1974 erwarb A.W. den Kommanditanteil der GmbH für 50 000 DM, also zum Nominalwert.
Anläßlich einer Betriebsprüfung bei der GmbH (Bericht vom 19.Dezember 1980) stellt sich der Prüfer auf den Standpunkt, in Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem gemeinen Wert des Kommanditanteils der GmbH liege eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Dabei ermittelte er den gemeinen Wert zum 1.April 1974 mit 595 000 DM (arithmetisches Mittel zwischen dem Substanzwert - 70 000 DM - und dem Ertragswert - 1 120 000 DM -). Die verdeckte Gewinnausschüttung errechnete er mit (595 000 DM ./. 50 000 DM*=) 545 000 DM.
Der Betriebsprüfer war der Ansicht, daß die verdeckte Gewinnausschüttung bei der Körperschaftsteuerveranlagung der GmbH zu berücksichtigen sei. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zunächst. Er erließ deshalb einen Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr 1974 am 21.Januar 1981, in dem ein Sondergewinn der GmbH wegen der verdeckten Gewinnausschüttung nicht ausgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Das FA für Körperschaften nahm jedoch die Versteuerung der verdeckten Gewinnausschüttung ebenfalls nicht vor. Es vertrat die Ansicht, daß die verdeckte Gewinnausschüttung im Rahmen der Gewinnfeststellung bei der KG zu behandeln sei. Das FA folgte schließlich dieser Ansicht und erließ einen nach § 174 Abs.3 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1974 am 21.September 1982, in dem nunmehr der GmbH ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 545 000 DM zugerechnet wurde.
Nach vergeblichem Einspruch erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) zum Teil stattgab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1986, 404).
Den Gesamtgewinn der KG errechnete das FG mit (550 009 DM laufender Gewinn + 395 000 DM Veräußerungsgewinn =) 945 009 DM.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 8 Abs.1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. den §§ 4 Abs.1 und 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie des § 174 Abs.3 AO 1977.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG vom 8.Oktober 1985, die Einspruchsentscheidung vom 31.Mai 1983 sowie den Gewinnfeststellungsbescheid 1974 vom 21.September 1982 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die beigeladene GmbH hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils, der Einspruchsentscheidung vom 31.Mai 1983 und des geänderten Gewinnfeststellungsbescheides 1974 vom 21.September 1982 (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FA war zwar grundsätzlich berechtigt, den bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid der KG vom 21.Mai 1981 gemäß § 174 Abs.3 AO 1977 zu ändern.
Der Vorgang der Überlassung des Kommanditanteils unter Wert seitens der GmbH an A.W. ist unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Gewinnausschüttung zunächst weder im Rahmen der Gewinnfeststellung bei der Klägerin (KG) noch bei der Körperschaftsteuerveranlagung der GmbH berücksichtigt worden. Das ist auch erkennbar in der Annahme geschehen, daß der Vorgang jeweils im anderen Veranlagungsverfahren berücksichtigt werde. Hinsichtlich des Merkmals "erkennbar" in § 174 Abs.3 AO 1977 kommt es auf die Klägerin als diejenige an, der gegenüber die Steuerfestsetzung geändert oder nachgeholt werden soll (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 174 AO 1977 Rdnr.10). Erkennbar heißt, daß die Klägerin bei verständiger Würdigung des fehlerhaften Bescheids (hier des Gewinnfeststellungsbescheids vom 21.Mai 1981) erkennen mußte, warum der streitige Vorgang dort nicht berücksichtigt wurde (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.Dezember 1984 III R 75/81, BFHE 143, 110, BStBl II 1985, 283; vom 1.August 1984 V R 67/82, BFHE 141, 490, BStBl II 1984, 788). Das war bei J.W., der sowohl Geschäftsführer der Klägerin als auch Gesellschafter der GmbH war, der Fall. Wie das FG festgestellt hat, ist der Vorgang im Betriebsprüfungsbericht betreffend die GmbH erwähnt. Unerheblich ist, ob der Vorgang aufgrund unzutreffender rechtlicher Würdigung zunächst nicht im Gewinnfeststellungsbescheid der Klägerin behandelt wurde (vgl. BFH in BFHE 143, 110, BStBl II 1985, 283). § 174 Abs.3 AO 1977 gestattet auch die Änderung des Steuerbescheids eines Steuerpflichtigen, wenn der alternative Steuerbescheid einen anderen Steuerpflichtigen betrifft (vgl. BFH in BFHE 141, 490, BStBl II 1984, 788). Daraus ergibt sich auch, daß die Möglichkeit einer Alternative nicht von vornherein zur Sprache gekommen sein muß; es genügt, daß sie objektiv erkennbar bestand. Der Erkennbarkeit i.S. des § 174 Abs.3 AO 1977 steht es also nicht entgegen, wenn die Beteiligten aufgrund ihrer rechtlichen Würdigung des Sachverhalts seine Berücksichtigung in einem anderen Steuerbescheid zunächst nicht ausdrücklich erwogen haben.
2. Im Streitfall ist der Änderungsbescheid vom 21.September 1982 jedoch rechtswidrig, weil er zu Unrecht einen Veräußerungsgewinn bei der GmbH bejaht hat.
Durch die Übertragung ihres Kommanditanteils an A.W. hat die GmbH keinen Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs.1 Nr.2, Abs.2 EStG erzielt. Unstreitig überstieg der Veräußerungspreis (50 000 DM) nicht den Wert des Anteils der GmbH am Betriebsvermögen der Klägerin (§ 16 Abs.2 EStG). Sollte der gemeine Wert des Anteils über dem Veräußerungspreis liegen, ist der Vorgang zum Teil als entgeltliches und zum Teil als unentgeltliches Geschäft zu werten (BFH-Urteil vom 10.Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, 67, BStBl II 1986, 811). Auch das führt im Streitfall nicht zu einem Veräußerungsgewinn. Aus welchem Grunde der Anteil unter Wert verkauft wurde, insoweit also unentgeltlich übertragen wurde, ist unerheblich. Die Versteuerung der stillen Reserven ist gesichert, weil die Erwerberin A.W. Gesellschafterin (Mitunternehmerin, § 15 Abs.1 Nr.2 EStG) der Klägerin geworden ist und grundsätzlich den Buchwert des Anteils fortführt (§ 7 Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--).
3. Möglicherweise erfüllt der streitige Sachverhalt den Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung seitens der GmbH an die A.W. und (mittelbar) den J.W. Darüber ist jedoch in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Grundsätzlich ist über eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der GmbH im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung der GmbH zu entscheiden (§ 6 Abs.1 KStG a.F.; § 8 Abs.3 KStG seit 1977; §§ 20, 155 AO 1977).
Davon abweichend ist bei einer GmbH als Gesellschafterin einer KG eine verdeckte Gewinnausschüttung im Rahmen der Gewinnfeststellung der KG zu entscheiden, wenn die Frage nach der verdeckten Gewinnausschüttung bei der GmbH untrennbar mit der Höhe des Gewinnanteils der GmbH bei der KG verbunden ist (BFH-Urteile vom 12.März 1980 I R 186/76, BFHE 130, 296, BStBl II 1980, 531; vom 21.April 1971 I R 76/70, BFHE 103, 149, BStBl II 1971, 816). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
a) Selbst wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung zu bejahen wäre, hätte dies keinen Einfluß auf den Gewinnanteil der GmbH bei der Klägerin. Insbesondere hätte die verdeckte Gewinnausschüttung nicht zu Folge, daß deshalb dem Grunde und der Höhe nach auch ein entsprechender Veräußerungsgewinn gemäß § 16 EStG bei der GmbH bejaht werden müßte. Ob ein Vorgang zu einem Veräußerungsgewinn gemäß § 16 EStG führt, bestimmt sich allein nach den Tatbestandsmerkmalen des § 16 EStG. Sollte der Veräußerungsvorgang gemäß § 16 EStG nicht zu einem Veräußerungsgewinn führen, weil der Veräußerungspreis den Buchwert der Beteiligung nicht übersteigt, dann wäre entgegen der Auffassung des FG im Streitfall ein Gewinn auch nicht deshalb entstanden, weil für die Bemessung der verdeckten Gewinnausschüttung von einem angemessenen Kaufpreis für den Anteil auszugehen ist (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 7.Dezember 1988 I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248).
b) Die verdeckte Gewinnausschüttung wäre auch im Rahmen der Gewinnfeststellung der Klägerin (KG) zu behandeln, wenn die Anteile an der GmbH zum Sonderbetriebsvermögen der übrigen Gesellschafter der Klägerin gehört hätten. Das ist indes nicht der Fall. Der BFH hat dies nur dann angenommen, wenn Kommanditisten Anteile an der Komplementär-GmbH hielten (z.B. Urteile vom 5.Dezember 1979 I R 184/76, BFHE 129, 169, BStBl II 1980, 119; vom 12.November 1985 VIII R 286/81, BFHE 145, 62 zu 2., BStBl II 1986, 55). Bei J.W. als Mehrheitsgesellschafter und Komplementär der Klägerin ist nicht erkennbar, daß die Beteiligung an der GmbH seiner Gesellschafterstellung in der KG diente.
c) Eine Entscheidung über die verdeckte Gewinnausschüttung könnte schließlich auch dann bei der Gewinnfeststellung für die KG geboten sein, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung im Streitfall zu verneinen wäre, weil § 7 Abs.1 EStDV einer Erfassung der stillen Reserven entgegenstünde. Auch das ist nicht der Fall.
Die verdeckte Gewinnausschüttung würde im Streitfall nicht durch § 16 EStG i.V.m. § 7 Abs.1 EStDV ausgeschlossen.
Es ist zwar richtig, daß die Besteuerung der verdeckten Gewinnausschüttung bei der GmbH auch auf die Erfassung der stillen Reserven des Gesellschaftsanteils hinausliefe, die § 7 Abs.1 EStDV an sich vermeidet. Der Gedanke, daß die stillen Reserven auch im Falle ihrer Übertragung auf A.W. im Ergebnis der Versteuerung nicht entzogen würden, erlaubt es jedoch nicht, die gesetzlichen Regelungen über die verdeckte Gewinnausschüttung nicht anzuwenden (vgl. auch BFH-Urteil vom 26.Juli 1967 I 138/65, BFHE 89, 524, BStBl III 1967, 733, zu 2.c).
Einmal geht es hier um die Erfassung im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung, während es bei § 16 EStG i.V.m. § 7 EStDV um die Erfassung im Rahmen der Einkommensteuer geht. Vor allem jedoch ist Gegenstand der verdeckten Gewinnausschüttung ein anderer als der des § 16 EStG i.V.m. § 7 Abs.1 EStDV. Die verdeckte Gewinnausschüttung erfaßt den gesamten Vermögensvorteil, der dem Gesellschafter zugewendet wird. § 16 EStG erfaßt nur die stillen Reserven des Gesellschaftsanteils. Die unentgeltliche Übertragung einer Beteiligung würde gemäß § 16 Abs.1 Nr.2 EStG i.V.m. § 7 Abs.1 EStDV nicht zu einem Veräußerungsgewinn führen, wohl jedoch könnte der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung erfüllt sein, und zwar auch dann, wenn der gemeine Wert des Anteils mit dem Buchwert übereinstimmte, stille Reserven also nicht vorhanden wären.
Dadurch wird die Anwendung des § 7 EStDV im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung grundsätzlich nicht berührt (vgl. auch Abschn.26 Abs.1 Nr.2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1985).
4. Damit bleibt auch offen, ob im Zusammenhang mit der Erfassung der verdeckten Gewinnausschüttung bei A.W. und J.W. eine Einlage anzunehmen ist, die eine doppelte Erfassung der stillen Reserven bei A.W. verhindert.
Über diese Frage ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu entscheiden, weil die Gewinnanteile der A.W. und des J.W. nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind (vgl. BFH-Urteile vom 10.Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, BStBl II 1988, 544, und vom 26.März 1991 VIII R 172/85, BFH/NV 1991, 738, zum Veräußerungsgewinn).
Fundstellen
Haufe-Index 63867 |
BFH/NV 1992, 52 |
BStBl II 1992, 832 |
BFHE 167, 316 |
BB 1992, 1477 |
BB 1992, 1477-1479 (LT) |
DB 1992, 1556-1557 (LT) |
DStR 1992, 1014 (KT) |
DStZ 1992, 502 (KT) |
HFR 1992, 475 (LT) |
StE 1992, 345 (K) |