Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Ablösung von Lastenausgleichsabgaben kann im Rechtsmittelverfahren gegen den Ablösungsbescheid nicht einseitig vom Abgabepflichtigen durch Widerruf rückgängig gemacht werden.
Normenkette
LAG § 199; AO § 125
Tatbestand
Aus den Gründen. Die Bfin., eine Schweizer Staatsangehörige, war aus der Umstellung von drei Grundpfandrechten unanfechtbar zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen worden. Sie löste die Hypothekengewinnabgabeschulden voll ab und erhielt vom Finanzamt drei Ablösungsbescheide. Mit dem gegen die Ablösungsbescheide eingelegten Einspruch machte die Bfin. geltend, zugunsten der Angehörigen der Vereinten Nationen sei im überleitungsvertrag für die Hypothekengewinnabgabe und die Vermögensabgabe ein Heranziehungsstop bis zur endgültigen Regelung festgelegt; der Bundesfinanzhof habe in einem anhängigen Rechtsstreit Stundung der Hypothekengewinnabgabe bis zur Entscheidung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen bewilligt. Die Heranziehung der Ausländer werde voraussichtlich erst im Friedensvertrage endgültig geregelt werden.
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Berufung trug die Bfin. vor, sie wende sich nicht gegen die Hypothekengewinnabgabebescheide, sondern gegen die Ablösungsbescheide. Zur Frage der Hypothekengewinnabgabepflicht der Angehörigen der Vereinten Nationen stehe noch eine Entscheidung des Plenums der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland bevor. Diese Tatsache und ein Rechtsgutachten hätten die Bfin. veranlaßt, die vorzeitige Ablösung der Abgabeschuld zu widerrufen, um sie nicht rechtskräftig werden zu lassen und wegen des noch nicht fälligen Teiles der Abgabeschulden im Falle einer günstigen Entscheidung des Plenums eine Stundung der Hypothekengewinnabgabeschuld bis zu einer endgültigen Regelung durch den Friedensvertrag zu erwirken. Im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des Plenums beantragte die Bfin. Aussetzung der Entscheidung über die Berufung gemäß § 264 AO.
Mit Verfügung vom 8. Dezember 1960 wies der Kammervorsitzende den Antrag auf Aussetzung der Entscheidung zurück. Auch die Berufung war ohne Erfolg. In übereinstimmung mit dem Finanzamt ging die Vorentscheidung davon aus, der Bfin. gehe es bei der erstrebten Rückgängigmachung der Ablösung "letzten Endes" um eine Befreiung von der Hypothekengewinnabgabe. Denn sie begründe ihre Einwendungen gegen die Ablösungsbescheide lediglich mit dem Vorbringen, die Angehörigen der Vereinten Nationen unterlägen nicht der Hypothekengewinnabgabe. Mit diesem Vorbringen könne sie aber im Rechtsmittelverfahren gegen die Ablösungsbescheide nicht gehört werden. Der Ablösungsbescheid sei ein Abrechnungsbescheid im Sinne des § 125 AO; in diesem werde über Bestehen und Höhe der Abgabeschuld nicht mehr entschieden.
Mit der Rb. rügt die Bfin. wesentliche Verfahrensmängel, unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten.
Darin, daß das Finanzgericht den Aussetzungsantrag nur mit Schreiben vom 8. Dezember 1960 abgelehnt, aber nicht geprüft habe, ob die Voraussetzungen des § 264 Abs. 1 AO vorlägen, das Finanzgericht auch im Urteil dazu nicht Stellung genommen habe, sei ein Verstoß gegen § 264 Abs. 1 AO zu erblicken. Schließlich sei in der Einspruchsentscheidung auf eine Mitteilung des Bundesministers der Finanzen Bezug genommen worden, die ihr im Wortlaut unbekannt und auch nicht mitgeteilt worden sei. Hierin liege ein Verstoß gegen § 256 AO. Auch habe das Berufungsgericht unter Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten verkannt, daß die Bfin. sich nicht gegen die Hypothekengewinnabgabebescheide, sondern nur gegen die Ablösungsbescheide wende, deren Aufhebung sie anstrebe. Mindestens aus ihren Schreiben vom 24. Juni 1960 und 15. Dezember 1960 gehe klar hervor, daß die Rückgängigmachung der Ablösung erreichen wolle und die noch zu erwartende Plenarentscheidung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland nur Veranlassung zu diesem Begehren gewesen sei. Es gehe allein um die Frage, ob der Widerruf der "Anträge auf Ablösung" zulässig sei oder nicht. überdies beruhe auch die Auffassung des Berufungsgerichts, es handle sich beim Ablösungsbescheid um einen Abrechnungsbescheid im Sinne des § 125 AO, auf einem Rechtsirrtum, so daß die daran vom Berufungsgericht geknüpften Folgerungen der Grundlage entbehrten. Auch die Streitwertfeststellung durch das Berufungsgericht beruhe auf der gleichen Verkennung der Rechtslage und des Begehrens der Bfin. Da im Streitverfahren niemals die Hypothekengewinnabgabeschuld selbst dem Grunde oder der Höhe nach umstritten gewesen sei, stelle die Feststellung des Streitwertes für Einspruch und Berufung auf den vollen Ablösungsbetrag einen Ermessensmißbrauch dar. Das Finanzamt habe in seiner Einspruchsentscheidung den Streitwert zutreffend nach § 320 Abs. 4 AO nach freiem Ermessen auf 500 DM festgestellt. Niemals könne als Streitwert im vorliegenden Falle die volle Ablösungsschuld herangezogen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Ob die Entscheidung über die Berufung gemäß § 264 Abs. 1 AO auszusetzen war, hatte der Vorsitzende des Finanzgerichts durch prozeßleitende Verfügung zu entscheiden. Dies ist geschehen. Eines Ausspruches hierüber im Urteil hat es nicht bedurft. Was die Rüge des Verstoßes gegen § 256 AO im Einspruchsverfahren anlangt, so ist dieser etwaige Verstoß auf die Berufungsentscheidung ohne Einfluß gewesen. Die Rüge ist deshalb ebenfalls nicht gerechtfertigt.
Die Aufhebung der Ablösungsbescheide ist von den Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend abgelehnt worden. Der Bfin. geht es, wie ihrem Schriftsatz vom 15. Dezember 1960 zu entnehmen ist, um die Rückgängigmachung der Ablösung. Sie glaubt, zum Widerruf der Ablösung und zugleich der Mitteilung nach § 11 der Ersten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 8. Oktober 1952 (1. AbgabenDV-LA) berechtigt zu sein, um auf diese Weise den Ablösungsbescheiden die Grundlage zu entziehen. Indessen beruht diese Auffassung auf einer Verkennung der Rechtsnatur der Ablösung. Die Ablösung ist nach § 199 LAG der freien Willensentscheidung des Abgabepflichtigen überlassen. Der Ablösung ist weder ein Antragsverfahren vorgeschaltet noch ist sie sonst von einem Antrag und dessen Genehmigung abhängig. § 199 Abs. 1 LAG bestimmt lediglich, daß der Abgabeschuldner noch nicht fällige Leistungen auf die Abgaben des Lastenausgleichs (hier auf die Hypothekengewinnabgabe) jederzeit ganz oder in Teilen ablösen kann. Während die Absätze 2 und 3 des § 199 LAG Vorschriften über die Höhe des Ablösungswerts und des zunächst zugrunde zu legenden Zinssatzes enthalten, überläßt Abs. 4 die Bestimmung des Näheren einschließlich der Bestimmung des Zinssatzes für spätere Ablösungen der Regelung durch Rechtsverordnung.
§ 1 Abs. 1 der auf Grund dieser Ermächtigung ergangenen 1. AbgabenDV-LA stellt nochmals klar, daß die Lastenausgleichsabgaben durch Vorausentrichtung abgelöst werden können und der bei der Ablösung vorauszuentrichtende Betrag (Ablösungsbetrag) der auf der Grundlage eines bestimmten Zinssatzes errechnete Barwert ist. § 2 der 1. AbgabenDV-LA handelt von den verschiedenen Ablösungsmöglichkeiten, deren sich der Abgabepflichtige bedienen kann. Hiernach kann die Ablösung erfolgen:
als Vollablösung durch Vorausentrichtung aller noch nicht fälligen Vierteljahresbeträge oder sonstigen Teilleistungen (Raten);
als Teilablösung durch Vorausentrichtung eines gleichen Teils jeder der noch nicht fälligen Raten;
als Ratenablösung durch Vorausentrichtung der in einem bestimmten Zeitraum (Ablösungszeitraum) fällig werdenden Raten.
§§ 4 ff. a. a. O. enthalten Vorschriften über die Berechnung des Ablösungsbetrags
Gemäß § 11 a. a. O. hat der Abgabeschuldner "im Falle der Ablösung" der Abgabe dem Finanzamt bzw. der beauftragten Stelle, "wenn er Hypothekengewinnabgabe ablöst", mitzuteilen,
für welche Abgabeschulden die Ablösung gelten soll,
welche Beträge oder Raten im Sinne des oben angeführten § 2 Abs. 1 er "nach seiner Berechnung" durch die Vorausentrichtung ablöst.
Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß allein durch die vom Abgabeschuldner tatsächlich bewirkte Zahlung des von ihm gewählten Betrages die Ablösung der von ihm zu bestimmenden Abgabeschuld in der durch Gesetz und Verordnung bestimmten Weise eintritt. Die Ablösung ist hiernach keine Maßnahme der Verwaltungsbehörde, sondern ein einseitiger Akt des Abgabepflichtigen, der aus der Entrichtung des Geldbetrages und der Mitteilung gemäß § 11 a. a. O. besteht. Ihrer Rechtsnatur nach ist die Ablösung eine vom Gesetz vorgesehene vorzeitige Erfüllung der Abgabeschuld. Die Mitteilung gemäß § 11 a. a. O. stellt die Bestimmung des Abgabeschuldners darüber dar, welche Schuld im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten mit der Zahlung getilgt sein soll (vgl. auch § 366 BGB). Die Mitteilung gemäß § 11 a. a. O. kann daher nicht als "Antrag auf Ablösung" angesehen werden, der - wie die Bfin. meint - bis zur Rechtskraft des Ablösungsbescheides widerrufen werden könnte. § 14 Abs. 1 Ziff. 1 der 1. AbgabenDV-LA steht dem nicht entgegen, denn der in dieser Vorschrift erwähnte Antrag betrifft unter den daselbst näher bestimmten Voraussetzungen nur die Umwandlung einer bereits erfolgten Ablösung in eine andere Ablösungsart (§ 2 a. a. O.), macht aber die Ablösung selbst nicht antragsabhängig.
Auch die rechtliche Bedeutung des Ablösungsbescheides ist von der Bfin. verkannt worden. Nach § 12 Abs. 2 a. a. O. ist über die erfolgte Ablösung ein Ablösungsbescheid zu erteilen, der im wesentlichen folgende Angaben zu enthalten hat:
Bezeichnung der Abgabeschuld, auf die sich die Ablösung bezieht,
Höhe, Anzahl und Bezeichnung der abgelösten Raten,
Höhe und Fälligkeit der künftig zu zahlenden Raten,
Zeitpunkt der Ablösung,
Höhe und Berechnung des Ablösungsbetrags,
Abrechnung über die geleisteten Beträge.
Der Ablösungsbescheid ist hiernach nichts anderes als die in die Form eines Steuerbescheides (§ 12 Abs. 3 a. a. O.) gekleidete Registrierung dessen, was von seiten des Abgabepflichtigen zur vorzeitigen Erfüllung seiner Abgabeschuld veranlaßt und nach den gesetzlichen Bestimmungen erzielt worden ist. Dem Ablösungsbescheid kommt keinerlei konstitutive Bedeutung zu. Er stellt insbesondere keine Genehmigung der Ablösung dar. Der Zeitpunkt seines Ergehens ist auch nicht identisch mit dem Zeitpunkt der Ablösung. Denn § 12 Abs. 1 a. a. O. bestimmt, daß für die Feststellung des Zeitpunktes der Ablösung (Entrichtung des Ablösungsbetrages) der § 3 des Steuersäumnisgesetzes zu gelten habe. Hiernach gilt als Tag der Zahlung bei Bareinzahlung oder übersendung von Zahlungsmitteln der Tag des Eingangs, bei überweisungen usw. der Tag der Gutschrift auf das Konto der Steuerbehörde. Aus dieser rechtlichen Natur des Ablösungsbescheides folgt, daß eine Anfechtung des Ablösungsbescheides nicht zur Rückgängigmachung einer wirksam vorgenommenen Ablösung führen kann. Mit einem Rechtsmittel gegen den Ablösungsbescheid kann nur die Nachprüfung und gegebenenfalls Berichtigung der im einzelnen in § 12 Abs. 2 und Ziff. 1 - 7 aufgeführten Angaben erreicht werden, und der Ablösungsbescheid ähnelt insoweit einem Abrechnungsbescheid gemäß § 125 AO, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben. Da aber nach der ausdrücklichen Erklärung der Bfin. ein Streit über die einzelnen Angaben in den Ablösungsbescheiden nach Abstimmung mit der Landesbank nicht mehr besteht, das Rechtsmittelverfahren gegen die Ablösungsbescheide vielmehr nur mit dem Ziel der Rückgängigmachung der vorgenommenen Ablösungen durchgeführt wird, muß der Rb. allein schon aus diesem Grunde der Erfolg versagt bleiben.
Entgegen der von der Bfin. vertretenen Auffassung ist die Rückgängigmachung der Ablösungen auch nicht durch Widerruf möglich. Dies folgt aus der oben dargelegten Rechtsnatur der Ablösung. Je nach der Höhe des Ablösungsbetrages und der vom Abgabeschuldner getroffenen Bestimmung tritt Erlöschen der Abgabeschuld ein mit allen Folgerungen, die sich daraus gerade auch bei der Hypothekengewinnabgabe (Erlöschen der öffentlichen Last) ergeben. Diese Rechtswirkungen können durch einen einseitigen Widerruf nicht beseitigt werden. Daß der Bundesminister der Finanzen in seinem Erlaß vom 21. Mai 1953 LA 2810 - 55/53 im Rahmen des sogenannten "Kost-Planes", die zur Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen und Wohnungen für in Lagern befindliche Lastenausgleichsberechtigte eine zweckbestimmte Verwendung der Ablösungsbeträge vorsah, bei Nichterreichung des vorgesehenen Zweckes unter bestimmten Voraussetzungen eine Rückgängigmachung der Ablösung zugelassen hat, steht dem nicht entgegen. Denn einmal hat es sich hierbei nur um eine Verwaltungsanweisung gehandelt und außerdem muß die Ablösung in diesem besonderen Verfahren nach Ziff. 4 des genannten Erlasses als unter dem Vorbehalt der ausdrücklich vor der Entrichtung zugelassenen Rückgängigmachung erfolgt angesehen werden. Ob eine Ablösung durch Anfechtung wegen eines Willensmangels des Abgabeschuldners bei Durchführung der Ablösung rückgängig gemacht werden könnte, ist hier nicht zu entscheiden, da Willensmängel im Sinne des §§ 119, 123 BGB weder geltend gemacht sind noch sich aus den Akten ergeben. Den Vorentscheidungen war daher im Ergebnis beizutreten.
Die Streitwertfestsetzung durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, die Bfin. wende sich "letzten Endes" gegen die Hypothekengewinnabgabebescheide. Dies trifft nicht zu. Das Begehren der Bfin. ist vielmehr auf die Rückgängigmachung der drei Ablösungen gerichtet dergestalt, daß die in dem Hypothekengewinnabgabebescheid festgesetzten Raten wieder wirksam werden sollen. Der Wert des Streitgegenstandes bestimmt sich daher nach der Differenz zwischen der Summe der drei Ablösungsbeträge und der Summe der Raten der drei Abgabeschulden, gerechnet vom Zeitpunkt der Ablösung.
Fundstellen
Haufe-Index 410678 |
BStBl III 1963, 157 |
BFHE 1963, 432 |
BFHE 76, 432 |