Leitsatz (amtlich)
Die auf Grund eines wegen Formmangels nichtigen Grundstückskaufvertrages erzielten Gewinne sind verwirklicht, wenn der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geworden ist, seinerseits den Vertrag erfüllt hat und der Veräußerer nicht damit zu rechnen braucht, daß der Erwerber unter Berufung auf die Nichtigkeit des Vertrages seine Leistung zurückfordern wird.
Normenkette
EStG § 5; StAnpG § 5 Abs. 3, § 11 Nr. 4
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1961, ob Gewinne aus der Veräußerung von Kaufeigenheimen bereits dann zu realisieren sind, wenn die Käufer den Kaufpreis bezahlt und ihnen der Besitz eingeräumt worden ist, oder ob zumindest auch ein den Formerfordernissen des § 313 BGB genügender schuldrechtlicher Kaufvertrag vorliegen muß.
Die Klägerin, eine OHG, stellte schlüsselfertige Kaufeigenheime (Reihenhäuser) her und veräußerte sie. Sie schloß regelmäßig schon vor Beginn der Bauarbeiten mit Kaufinteressenten schriftliche Verträge "über die Erstellung eines Einfamilienreihenhauses ... in ..." ab. Die Vertragsmuster enthielten im wesentlichen folgende Bestimmungen: Neben einem Gesamtpreis für das der Baubeschreibung entsprechend auszuführende Gebäude hatten die "Auftraggeber" die anteiligen Anlieger- und Erschließungskosten, gemeindlichen Lasten und einen bestimmten Preis für das Grundstück zu zahlen, und zwar ohne Rücksicht auf das Ergebnis einer späteren Vermessung. Sonderausführungen sollten gesondert berechnet werden, ebenso Notariats- und Grundbuchgebühren, Richtfest- und Finanzierungskosten, tarifliche Lohnerhöhungen und Materialverteuerungen. Der Grundstückspreis sowie Anlieger- und Erschließungskosten mußten beim Abschluß dieses Vertrages, die Baukosten entsprechend dem Baufortschritt bezahlt werden. Soweit die Finanzierung mit Bankgeldern (Hypotheken, Staatsdarlehen, Bausparmitteln usw.) durchgeführt wurde, trat der Auftraggeber seine Ansprüche gegen die Kreditinstitute an die Klägerin ab und wies die Auszahlungsstellen unwiderruflich an, die fälligen Beträge der Klägerin auszuzahlen. Der Auftraggeber verpflichtete sich, im Falle des nicht rechtzeitigen Eingangs von fälligen Zahlungen entsprechende Zwischenkredite beim Bankinstitut der Klägerin aufzunehmen. Die Klägerin wurde beauftragt und ermächtigt, alle für die Zwischenfinanzierung erforderlichen Schritte für den Auftraggeber zu unternehmen. Der Auftraggeber verpflichtete sich, bei nicht behebbaren Finanzierungsschwierigkeiten sofort vom Vertrag zurückzutreten. Er sollte dann die bereits geleisteten Zahlungen abzüglich einer geringen Bearbeitungsgebühr zurückerhalten, sobald ein neuer Interessent für das betreffende Reihenhaus gefunden wäre. Die bei der Endabrechnung sich ergebende Restschuld war bei der Abnahme des Hauses zu begleichen. Die Auftraggeber verpflichteten sich, nach Fertigstellung und behördlicher Abnahme das Gebäude zu einem von der Klägerin zu bestimmenden Zeitpunkt abzunehmen. Vor der restlichen Zahlung durfte das Haus nicht bezogen werden. Die Klägerin war aber berechtigt, trotz der Nichtzahlung die Abnahme des Hauses zu verlangen. Das Eigentum am Kaufeigenheim sollte erst nach seiner Fertigstellung an den Erwerber übertragen werden.
Ein Teil der von der Klägerin im Streitjahr durch die geschilderten Vorverträge verkauften und an ihre Vertragspartner übergebenen Reihenhäuser wurde noch im gleichen Jahr an die Käufer aufgelassen. Für 79 Kaufeigenheime und 30 Garagen wurden die notariellen Beurkundungen erst 1962 vorgenommen. Auch für diese Objekte hatte die Klägerin schon 1961 Endabrechnungen erteilt und den Besitz an ihnen übertragen.
Dem von der Klägerin für 1961 ausgewiesenen Gewinn lt. Handelsbilanz rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den Gewinn aus der Veräußerung der Kaufeigenheime, bei denen die notariellen Beurkundungen erst 1962 vorgenommen worden waren, hinzu.
Nach erfolglosem Einspruch legte die Klägerin Berufung (Klage) ein.
Über die Abwicklung der Vorverträge im einzelnen erhob das FG durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis. In dem Gutachten ist ausgeführt, daß bis zum Bilanzstichtag sämtliche Eigenheime und Garagen vor Ablauf des Streitjahres in schlüsselfertigem Zustand den Auftraggebern übergeben worden seien und daß die Klägerin noch vor der Übergabe jedem einzelnen Erwerber eine detaillierte Endabrechnung erteilt habe, in der einerseits die von diesem vertraglich zu tragenden Kosten (Grundstückspreis, Anlieger- und Erschließungskosten, Baukosten mit Mehrkosten, Hebaufkosten, Finanzierungskosten usw.) und andererseits die bereits eingegangenen oder auch nur zugesagten Zahlungen, Hypotheken, Darlehen usw. aufgeführt gewesen seien. Mit der Endabrechnung sei die Aufforderung verbunden gewesen, die jeweilige Restschuld spätestens bei der Übergabe des Eigenheims zu begleichen. Bei dieser Übergabe sei auch jeweils vom Auftraggeber die ordnungsmäßige Erstellung des Gebäudes schriftlich bestätigt worden.
Das FG wies die Klage ab. Es hielt es für die Gewinnrealisierung für ausreichend, daß die Klägerin - abgesehen von der Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums - ihrerseits alles für die Erfüllung der Verträge Erforderliche getan und ihren Kunden an den Kaufeigenheimen wirtschaftliches Eigentum verschafft habe. Dem Umstand, daß eine Auflassung noch nicht erfolgt sei und die Vorverträge nur privatschriftlich abgeschlossen worden seien, maß es unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 StAnpG keine Bedeutung zu, weil die Parteien die Vorverträge als bürgerlich-rechtlich gültig behandelt hätten. Es habe auch kein Zweifel daran bestanden, daß die Kaufanwärter ihre Verpflichtungen einhalten würden.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben. Sie meint, die Erfassung des streitigen Gewinns in 1961 verstoße gegen die in § 5 EStG angesprochenen handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Aus § 39 HGB folge, daß ein Gegenstand nicht mehr zu bilanzieren sei, wenn der Kaufmann zwar noch rechtlicher Eigentümer sei, der Ertrag des Gegenstandes und das Verfügungsrecht über die Substanz aber bereits dem Erwerber zustünden. Die Einräumung der Verfügungsmacht setze aber begriffsnotwendig eine rechtsgültige vertragliche Regelung voraus. Bei einer Grundstücksveräußerung sei demnach das Grundstück nicht mehr zu bilanzieren, wenn die Auflassung erfolgt sei und Besitz, Nutzungen und Lasten oder die Gefahr vor dem Bilanzstichtag übergegangen seien, aber die Eintragung im Grundbuch noch fehle. Dabei müsse aber zumindest ein rechtsgültiger Kaufvertrag über das Grundstück am Bilanzstichtag vorgelegen haben. Diese für die Steuerbilanz nach § 5 EStG verbindliche Regelung dürfe nicht durch § 5 Abs. 3 oder § 11 Nr. 4 StAnpG ausgehöhlt werden, denn diese Vorschriften seien gegenüber § 5 EStG subsidiär. "Wirtschaftliches Eigentum" im Sinne des § 11 Nr. 4 StAnpG bedeute etwas anderes als "wirtschaftliches Eigentum" im Sinne des § 5 EStG. Letzteres setze eine wirksame schuldrechtliche Grundlage voraus. Nach dem Grundsatz der Vorsicht sei der Gewinn aus einem Vertrag erst realisiert, wenn der Mehrwert hinreichend gesichert, der Schwebezustand also beendet sei. Das sei der Fall, wenn der Leistungsverpflichtete seine Verpflichtung aus dem Geschäft erfüllt und der Abnehmer die Leistung abgenommen habe. Weil aber ein schwebendes Geschäft einen rechtsgültigen Vertrag voraussetze, der im Streitfall fehle, sei eine Gewinnrealisierung handelsrechtlich nicht möglich und damit auch steuerrechtlich ausgeschlossen. Bei der Veräußerung eines Grundstücks sei der Veräußerungsgewinn nach der Rechtsprechung des RFH (Urteil vom 3. Dezember 1931 VI A 2054/30, StuW Sp. 808, Urt. Nr. 426) und des BFH (Urteile vom 18. Dezember 1956 I 84/56 U. BFHE 64, 70, BStBl III 1957, 27, und vom 19. August 1958 I 30/58, StRK, Einkommensteuergesetz § 5, Rechtsspruch 229) regelmäßig erst verwirklicht, wenn die Auflassung erfolgt sei und der Veräußerer den Erwerber in Stand gesetzt habe, das Grundstück in Besitz zu nehmen und kein bedeutendes Risiko der Abnahme durch den Vertragsgegner bestehe. Der in dem BFH-Urteil I 30/58 genannten Auflassungsvormerkung könnten die Vorverträge nicht gleichgestellt werden. Außerdem hätten die Kaufanwärter jederzeit die Rückgewähr der geleisteten Kaufpreiszahlungen verlangen können, weil sie keine rechtlichen Bindungen eingegangen seien. Unter solchen Voraussetzungen sei eine Gewinnrealisierung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ausgeschlossen. Zahlungen, die die Erwerber vor dem Erwerb der Verfügungsmacht geleistet hätten, seien als Vorauszahlungen auf den Kaufpreis anzusehen und führten bei ihr als dem Veräußerer noch nicht zur Gewinnverwirklichung. Die Geschäftsabwicklung könne auch nicht über § 6 Abs. 1 StAnpG zu einer Gewinnrealisierung führen, weil sie nicht ungewöhnlich gewesen sei. Die unverändert günstige Marktlage für Verkäufer von Eigenheimen und Eigentumswohnungen habe die Wohnungs- und Bauunternehmen damals in der Regel veranlaßt, nach Abwägung des Für und Wider die rechtliche Bindung durch den Abschluß eines notariellen Kaufvertrages so lange hinauszuschieben, bis die Käufer insbesondere ihre finanziellen Verpflichtungen voll erfüllt gehabt hätten und dafür die Möglichkeit des Abspringens des einen oder anderen Kaufanwärters bewußt in Kauf zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat die Vorentscheidung bejaht, daß die Gewinne aus der Veräußerung der 79 Kaufeigenheime und 30 Garagen am 31. Dezember 1961 verwirklicht waren.
1. Nach § 5 EStG ist bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse zu machen oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, "das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist". Zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört nach allgemeiner Meinung auch das Realisationsprinzip. Es besagt, daß Gewinne handelsrechtlich erst ausgewiesen werden dürfen - steuerrechtlich dann allerdings auch ausgewiesen werden müssen (BFH-Beschluß vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291) -, wenn sie "durch den Umsatzprozeß in Erscheinung getreten sind" (Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, 2. Aufl. 1972, S. 253), d. h. durch einen Realisationsakt verwirklicht sind. Das Realisationsprinzip gibt ferner darüber Auskunft, wann im Verlauf des sich über mehrere Stufen hinziehenden "Umsatzprozesses" der Gewinn verwirklicht ist, und bestimmt damit den Realisationszeitpunkt. Theoretisch kommen bei einem auf Veräußerung gerichteten Umsatzprozeß in der Gestalt des Normalfalles (zivilrechtliche Wirksamkeit des abgeschlossenen Veräußerungsvertrags) als Realisationszeitpunkt in Frage der Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäftes, der Zeitpunkt der Erfüllung des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäftes durch den Veräußerer in der Form der Lieferung des veräußerten Writschaftsgutes und schließlich der Zeitpunkt der Erfüllung des Anspruchs auf den Veräußerungspreis durch den Erwerber des Wirtschaftsgutes. Handelsrechtliches, steuerrechtliches und betriebswirtschaftliches Schrifttum sind sich im wesentlichen darin einig, daß von diesen drei theoretisch in Betracht kommenden Zeitpunkten der Gewinnverwirklichung der "richtige" Realisationszeitpunkt derjenige der Lieferung des veräußerten Wirtschaftsgutes ist, weil vom Zeitpunkt der Lieferung des Wirtschaftsgutes durch den Veräußerer und Abnahme des veräußerten Wirtschaftsgutes durch den Erwerber an das mit jedem Umsatzprozeß verbundene Risiko des Veräußerers gering und überschaubar geworden ist. Es beschränkt sich im wesentlichen darauf, daß der Erwerber Gewährleistungsansprüche geltend macht oder den Anspruch auf den Kaufpreis ganz oder teilweise nicht erfüllt, also auf ein Risiko, das nach allgemeinen Erfahrungssätzen quantifizierbar und in der Form von Wertberichtigungen und Rückstellungen bilanziell erfaßbar ist.
Der so bestimmte Realisationszeitpunkt fällt regelmäßig zusammen mit dem Zeitpunkt, von dem ab das veräußerte Wirtschaftsgut nach den steuerrechtlichen Zurechnungsvorschriften des § 11 StAnpG nicht mehr dem Veräußerer, sondern dem Erwerber zuzurechnen ist, denn mit der Lieferung gehen regelmäßig Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber über. Dieser wird, wenn schon nicht - wie z. B. beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt - rechtlicher Eigentümer, so doch wirtschaftlicher Eigentümer.
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die steuerrechtlichen Zurechnungsvorschriften des § 11 StAnpG einen anderen Inhalt haben als derjenige handelsrechtliche Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, der handelsrechtlich über die bilanzielle Zurechnung von Wirtschaftsgütern entscheidet, und ob der Realisationszeitpunkt und der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums notwendig zusammenfallen müssen oder ob trotz des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aus der steuerrechtlichen Zurechnung beim Veräußerer unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl von einem Gewinnausweis abgesehen werden kann, etwa derart, daß der Vermögensgegenstand, der bilanziell an die Stelle des veräußerten Wirtschaftsgutes tritt (im Normalfall die zivilrechtlich wirksame Kaufpreisforderung) nicht mit dem Nennwert, sondern nur mit den Herstellungskosten des veräußerten Wirtschaftsgutes (Buchwert) angesetzt wird. Wie noch darzutun sein wird, kommt es auf diese Fragen nicht an, weil das richtig verstandene Realisationsprinzip im Streitfall handelsrechtlich einen Gewinnausweis zuläßt und damit steuerrechtlich verlangt.
2. Der Streitfall weicht vom Normalfall ab. Er weist die Besonderheit auf, daß das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft möglicherweise wegen Formmangels (§ 313 BGB) in vollem Umfange nichtig war.
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die in den zu beurteilenden Veräußerungsverträgen enthaltene Abnahmeverpflichtung der Kaufanwärter als (zum maßgeblichen Zeitpunkt noch) nicht formbedürftige Erwerbsverpflichtung (vgl. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10./11. Aufl., § 313, Anm. 11) hinsichtlich des bebauten Grundstücks oder wenigstens hinsichtlich des Gebäudes zu verstehen ist und welche zivilrechtlichen Folgen sich für eine derartige an sich rechtswirksame Erwerbsverpflichtung evtl. über § 139 BGB aus der Nichtigkeit oder dem Fehlen einer Übereignungsverpflichtung der Klägerin ergeben. Ebenso kann der Senat offenlassen, ob die Klägerin nach Treu und Glauben daran gehindert gewesen wäre, sich auf den Formmangel zu berufen, weil sie diesen - auf die Stärke ihrer wirtschaftlichen Position angesichts der Marktlage in den Streitjahren vertrauend - bewußt nicht nur in Kauf genommen, sondern sogar selbst herbeigeführt hat. Auch wenn man unterstellt, daß die schuldrechtlichen Veräußerungsverträge wegen Formmangels zivilrechtlich in vollem Umfange nichtig waren, also sowohl die Klägerin als auch die Kaufanwärter am Bilanzstichtag noch die rechtliche Möglichkeit hatten, sich den in den nichtigen Verträgen übernommenen Verpflichtungen zu entziehen, und diese Verträge erst durch die nicht mehr im Streitjahr, sondern im nächsten Jahr durchgeführte Übereignung der Grundstücke wirksam geworden sind, bleibt es dabei, daß die Gewinne aus der Veräußerung der Kaufeigenheime und Garagen am 31. Dezember 1961 verwirklicht waren.
Das Realisationsprinzip ist eine besondere Ausprägung des Vorsichtsprinzips, das einen umfassenden Grundsatz ordnungsmäßiger kaufmännischer Buchführung darstellt. Sein Sinn und Zweck besteht primär zu verhindern, daß der Kaufmann seine Ertrags- und Vermögenslage am Bilanzstichtag günstiger darstellt, als sie bei vorsichtiger Beurteilung aller erkennbaren Gegebenheiten in Wahrheit ist. Mit diesem Grundgedanken ist es voll und ganz vereinbar, wenn der Kaufmann den Gewinn aus einem wegen eines bewußt herbeigeführten oder mindestens in Kauf genommenen, aber jederzeit heilbaren Formmangels nichtigen obligatorischen Grundgeschäftes zu einem Zeitpunkt ausweist, zu dem
a) der Kaufmann seine Leistungen - bis auf die bürgerlich-rechtliche Eigentumsübertragung - voll erbracht hat,
b) der Vertragspartner die Leistungen des Kaufmanns nicht nur abgenommen, sondern auch die ihm obliegende Gegenleistung erbracht, insbesondere den Kaufpreis in bar bezahlt oder sichere Forderungen erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt abgetreten hat und
c) überdies die Marktlage so war, daß eine auf den Formmangel des Vertrags gestütze Weigerung des Vertragspartners, die später vom Kaufmann angebone Eigentumsübertragung entgegenzunehmen, und ein ebenfalls auf den Formmangel des Vertrags gestütztes Verlangen des Vertragspartners, den vollzogenen Leistungsaustausch rückgängig zu machen, höchst unwahrscheinlich, auf jeden Fall unwahrscheinlicher als z. B. im Normalfall der teilweise Ausfall einer Kaufpreisforderung sind.
Nach einer im betriebswirtschaftlichen Schrifttum von berufener Seite vertretenen Meinung hat das Realisationsprinzip "den großen Vorzug, den kein anderes Wertungsprinzip in gleichem Maße hat, daß es besonders sicher und frei von Willkür ist" (Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 6. Aufl., S. 173; vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 2. Aufl., S. 184). Mit dieser Sicht des Realisationsprinzips wäre es schlechthin unvereinbar, wenn man, wie die Revision offenbar will, als Realisationszeitpunkt gerade den Zeitpunkt ansehen wollte, zu dem es dem Kaufmann nach freiem Belieben gefällt, einen bewußt herbeigeführten oder mindestens in Kauf genommenen Formmangel zu heilen und damit einem nichtigen Rechtsgeschäft, das im wesentlichen - abgesehen von der Eigentumsübertragung, die gleichzeitig den Formmangel eines solchen Rechtsgeschäftes heilt (§ 313 Satz 2 BGB) - bereits früher beiderseits erfüllt wurde, zivilrechtliche Wirksamkeit zu verschaffen.
Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 17. August 1967 IV 73/63 (BFHE 90, 319, BStBl II 1968, 79) entschieden, daß es mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vereinbar ist, wenn der Kaufmann in seine Bilanz Forderungen aus den von ihm erbrachten Leistungen aufnimmt, die zwar bürgerlich-rechtlich nicht erzwingbar sind (Naturalobligationen), mit deren Eingang er aber rechnet und bei gehöriger Sorgfalt auch rechnen darf.
Nichts anderes kann gelten für die (tatsächlichen) Anwartschaften auf die Entstehung zivilrechtlicher Forderungen auf Grund von Rechtsgeschäften, die wegen eines bewußt herbeigeführten oder in Kauf genommenen, aber jederzeit heilbaren Formmangels nichtig sind, und zwar jedenfalls dann, wenn die in Zukunft (zu einem Zeitpunkt, der im wesentlichen in das Belieben des zukünftigen Gläubigers gestellt ist) entstehenden Forderungen am Bilanzstichtag bereits erfüllt sind. Es kann dabei auch nicht außer Betracht bleiben, daß in derartigen Fällen bilanziell nicht die Aktivierung einer Forderung oder einer als Wirtschaftsgut zu qualifizierenden Anwartschaft auf die künftige Entstehung einer Forderung als Ausdrucksform für den Ausweis des realisierten Gewinns in Frage steht, sondern vielmehr, da die Kaufanwärter ihre Leistungen erbracht haben, lediglich der Wegfall des Passivpostens "Anzahlungen", der einem potentiellen Anspruch des Anzahlenden auf Rückforderung der gezahlten Beträge Ausdruck verleiht. Gerade die Geltendmachung eines derartigen Rückforderungsanspruchs ist aber dann, wenn der Empfänger der Anzahlungen Besitz, Nutzen und Lasten der veräußerten Gegenstände bereits übertragen hat und darüber hinaus zu einer Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums zu einem von ihm zu bestimmenden Zeitpunkt bereit ist, in hohem Grade unwahrscheinlich, um so mehr, als in einem solchen Falle - jedenfalls bei fortdauernder Bereitschaft des Anzahlungsempfängers zur Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums und damit zur Heilung des wegen Formmangels nichtigen Rechtsgeschäfts - einem Rückforderungsanspruch des Leistenden regelmäßig § 814 BGB entgegenstehen wird.
Für den Streitfall folgt hieraus, daß die Klägerin zu einem Gewinnausweis handelsrechtlich mindestens berechtigt und damit steuerrechtlich verpflichtet war, weil sie, wie das FG in einer den Senat bindenden Weise feststellte, am Bilanzstichtag den Eigenbesitz an den Kaufeigenheimen und Garagen sowie Nutzen und Lasten auf die Kaufanwärter übertragen hatte, das wirtschaftliche Eigentum also bereits übergegangen war.
Fundstellen
Haufe-Index 70769 |
BStBl II 1974, 202 |
BFHE 1974, 89 |