Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung der nichtnotierten Anteile einer Kapitalgesellschaft mit Auslandsbeteiligung
Leitsatz (NV)
Die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einem ausländischen Unternehmen, das nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der inländischen Besteuerung des Vermögens der Kapitalgesellschaft ausgenommen wird und daher bei dem der Vermögensbesteuerung zugrundezulegenden Einheitswert des Betriebsvermögens außer Ansatz geblieben ist, muß für Zwecke der Anteilsbewertung dem Einheitswert hinzugerechnet werden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor dem Inkrafttreten des StÄndG 1992 § 11 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) -- eine GmbH & Co. KG -- ist zu 100 v. H. an dem Stammkapital der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2 (Klägerin zu 2) -- eine GmbH -- beteiligt. Die Klägerin zu 2 hielt eine Beteiligung an der X mit Sitz in den USA. Der Wert dieser Beteiligung betrug zum 31. Dezember 1983 ... DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte mit Bescheiden vom 5. Juni und 14. August 1987 gegenüber den beiden Klägerinnen den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zu 2 auf den 31. Dezember 1983 für je 100 DM des Stammkapitals auf ... DM fest. Dabei wurde, unter Anwendung des Stuttgarter Verfahrens (Abschn. 77 der Vermögensteuer- Richtlinien -- VStR -- 1983), der Wert der Auslandsbeteiligung an der X mitberücksichtigt.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren gemeinsam erhobenen Klage begehrten die Klägerinnen, den gemeinen Wert der Anteile je 100 DM Stammkapital auf 0 DM herabzusetzen. Die Beteiligung an der X habe bei der Bewertung der Anteile an der Klägerin zu 2 außer Ansatz zu bleiben. Die Bewertungsregelung des Abschn. 77 Abs. 1 Satz 6 VStR 1983 sei rechtswidrig. Denn die Beteiligung an der X gehöre aufgrund der Befreiung von der Vermögensteuer nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommensteuer und einiger anderer Steuern i. d. F. der Bekanntmachung vom 17. August 1966 -- DBA-USA -- (BGBl II 1966, 745, BStBl I 1966, 865) nicht zu dem Vermögen der Klägerin zu 2 und dürfe daher nicht in die Schätzung des gemeinen Werts der Anteile nach Maßgabe des Stuttgarter Verfahrens einbezogen werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das FA habe bei der Feststellung des gemeinen Werts der Anteile der Klägerin zu 2 auf den 31. Dezember 1983 die Beteiligung an der X zutreffend in die Bewertung miteinbezogen. Die Schätzung des gemeinen Werts der Anteile einer Kapitalgesellschaft, die im Wege des sog. Stuttgarter Verfahrens erfolge, sei auf die Ermittlung des tatsächlichen Werts der Anteile gerichtet. Deshalb seien auch Wirtschaftsgüter, die an sich zum Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft gehörten, aber im Einheitswert nicht erfaßt würden, weil sie -- etwa aufgrund der Regelungen eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) -- von der Vermögensteuer befreit seien, mit ihrem gemeinen Wert bei der Anteilsbewertung mit zu berücksichtigen.
Mit der Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der für den streitigen Feststellungszeitpunkt geltenden Fassung. Zu dem Vermögen i. S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gehörten nicht diejenigen Wirtschaftsgüter, die kraft Gesetzes von der Vermögensteuer befreit seien. Daher sei Abschn. 77 Abs. 1 Satz 6 VStR 1983, auf den das FG seine Entscheidung stütze, ohne rechtliche Grundlage und rechtswidrig, soweit danach ein aufgrund eines DBA dem Zugriff der deutschen Finanzverwaltung entzogenes und damit gesetzlich nicht vorhandenes Wirtschaftsgut bei der Bewertung der Anteile an einer GmbH berücksichtigt werde.
Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und unter Änderung der Feststellungsbescheide über den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zu 2 vom 5. Juli und 14. August 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. August 1987 den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zu 2 für je 100 DM des Stammkapitals auf 0 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Vorentscheidung hat zu Recht bei der Bewertung der Anteile an der Klägerin zu 2 auf den 31. Dezember 1983 die Auslandsbeteiligung an der X berücksichtigt.
1. a) Die Anteile an der Klägerin zu 2, für die, da diese eine GmbH ist, kein Kurswert i. S. von § 11 Abs. 1 BewG besteht, sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG mit dem gemeinen Wert (§ 9 Abs. 2 BewG) anzusetzen. Liegen -- wie im Streitfall -- zeitnahe Verkäufe, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte, nicht vor, so ist dieser unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Diese Schätzung erfolgt im Interesse einer möglichst gleichmäßigen und praktikablen Wertermittlung nach dem vormals in Abschn. 76 ff. VStR 1983 geregelten sog. Stuttgarter Verfahren. Nach dieser Bewertungsmethode ist maßgebende Größe der Vermögenswert (Abschn. 77 VStR 1983), der aufgrund der Ertragsaussichten (Abschn. 78 VStR 1983) korrigiert wird. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in ständiger Rechtsprechung das Stuttgarter Verfahren (vgl. Abschn. 76 ff. bis einschließlich VStR 1989) als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, von dem mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur abgewichen werden könne, wenn es im Ausnahmefall zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (s. Senatsurteil vom 13. April 1994 II R 57/90, BFHE 174, 177, BStBl II 1994, 505 m. w. N.).
b) Für die Schätzung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften ist das nach § 11 Abs. 2 BewG zu berücksichtigende Vermögen der Gesellschaft nicht mit Steuerwerten -- wie etwa dem Einheitswert -- anzusetzen, sondern mit seinem wirtschaftlichen Wert vom Bewertungsstichtag. Dies folgt aus der Begriffsbestimmung des gemeinen Werts. Dieser wird nach § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts zu erzielen wäre. Käufer und Verkäufer eines Anteils an einer GmbH orientieren ihre Preisüberlegungen aber nicht am Steuerwert des Gesellschaftsvermögens, sondern an dessen wirtschaftlichem Wert (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 30/74, BFHE 118, 66, BStBl II 1976, 238). Entgegen der Auffassung der Revision gehören daher zum Vermögen i. S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG im Unterschied etwa zum Gesamtvermögen i. S. von § 114 Abs. 2 BewG auch die Wirtschaftsgüter, die nach dem Vermögensteuergesetz (VStG) oder anderen Gesetzen von der Vermögensteuer befreit sind.
c) Ausgangspunkt des der Ermittlung des gemeinen Werts zugrundezulegenden Vermögenswerts ist nach den Regeln und der Systematik des Stuttgarter Verfahrens aus Praktikabilitätsgründen der Einheitswert des Betriebsvermögens (Abschn. 77 Abs. 1 Satz 2 VStR 1983). Der Feststellungsbescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens ist jedoch (auf der Grundlage des für den streitigen Feststellungszeitpunkt geltenden BewG) kein Grundlagenbescheid für die Anteilsbewertung. Der Einheitswert des Betriebsvermögens ist deshalb nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten insoweit zu korrigieren, als die Wertansätze einzelner Wirtschaftsgüter in der Vermögensaufstellung in erheblichem Umfang von den tatsächlichen Werten dieser Wirtschaftsgüter abweichen (BFH in BFHE 174, 177, BStBl II 1994, 505). Die VStR widersprechen deshalb nicht § 11 Abs. 2 BewG, weil sie anordnen, daß der Einheitswert zu korrigieren sei, um den tatsächlichen Wert des Gesellschaftsvermögens zu erhalten.
d) Abschn. 77 Abs. 1 Satz 6 VStR 1983 geht zu Recht davon aus, daß dem Einheitswert des Betriebsvermögens die Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen sind, die bei der Einheitsbewertung außer Betracht geblieben sind, weil sie nach den §§ 101 und 102 BewG nicht zum Betriebsvermögen gehören. Dies betrifft u. a. auch Beteiligungen an ausländischen Unternehmen. Diese gehören zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft i. S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG. Daher muß Auslandsvermögen, das nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der inländischen Besteuerung des Vermögens ausgenommen wird und daher bei dem der Vermögensbesteuerung der Kapitalgesellschaft zugrundezulegenden Einheitswert des Betriebsvermögens außer Ansatz geblieben ist (vgl. § 101 Nr. 1 BewG), für Zwecke der Anteilsbewertung dem Einheitswert hinzugerechnet werden (vgl. auch Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 17. Aufl., § 113 BewG Tz. 37).
e) Diese vom erkennenden Senat vertretene Auffassung steht entgegen der Vorstellung der Revision auch nicht im Widerspruch zu der durch das Steueränderungsgesetz 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) und das Zinsabschlagsgesetz vom 9. November 1992 (BGBl I 1992, 1853, BStBl I 1992, 682) erfolgten Neuregelung des § 11 Abs. 2 BewG. Denn erst dadurch, daß nunmehr nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG n. F. bei der Ermittlung des Vermögens nicht börsennotierter Kapitalgesellschaften der Einheitswert des Betriebsvermögens verbindlich anzusetzen ist, wird für die Anteilsbewertung eine Korrektur des Einheitswerts gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG n. F. in den Fällen erforderlich, in denen steuerfreie Schachtelbeteiligungen sowie steuerfreies Auslandsvermögen bei der Einheitsbewertung außer Betracht geblieben sind.
2. a) Nach dem Vorgesagten hat das FA im Streitfall den Wert der Auslandsbeteiligung an der X zu Recht bei der Bewertung der Anteile an der Klägerin zu 2 mitberücksichtigt, da diese Beteiligung Teil des Vermögens der Klägerin zu 2 darstellt. Zur Ermittlung des Vermögenswerts der Anteile an der Klägerin zu 2 ist deshalb der nicht streitige Wert der Beteiligung an der X in voller Höhe dem sonstigen (Aktiv- und Passiv-)Vermögen der Klägerin zu 2 hinzuzurechnen.
Eine davon abweichende Bestimmung des Vermögenswerts der Anteile an der Klägerin zu 2 unter sachverständiger Berücksichtigung börsenabhängiger Bewertungskriterien -- wie dies auch die Revision in Erwägung zieht -- entspricht dagegen nicht der in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG vorgesehenen Schätzung des gemeinen Werts von nicht börsennotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften.
b) Diesem Ergebnis steht nicht -- wie die Revision annimmt -- entgegen, daß nach dem DBA-USA die Besteuerung des Auslandsvermögens der Klägerin zu 2 allein dem Belegenheitsstaat zusteht. Dem Abkommen wird dadurch Rechnung getragen, daß die Beteiligung an der X bewertungsrechtlich nicht zum Betriebsvermögen der Klägerin zu 2 gezählt wird und daher nicht in den der Vermögensbesteuerung der Klägerin zu 2 zugrundzulegenden Einheitswert des Betriebsvermögens Eingang findet. Demgegenüber betrifft die hier streitige Anteilsbewertung jedoch nicht das Betriebsvermögen der Klägerin zu 2, sondern den Wert der Anteile der Gesellschafter -- hier allein die Klägerin zu 1 -- an der Klägerin zu 2. Die Anteile der Klägerin zu 1 an der Klägerin zu 2 sind indes inländisches Vermögen und unterliegen daher nicht den Beschränkungen des DBA-USA (vgl. auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 24. Juni 1977 I 34/74, Entscheidungen der Finanzgerichte 1978, 7). Die Beschränkungen des DBA-USA führen über ihren Regelungsgehalt nicht dazu, daß das Auslandsvermögen der Klägerin zu 2 auch für die Bewertung ihrer Anteile, die der Vermögensteuer ihrer Gesellschafter unterliegen, als nicht vorhanden angesehen werden dürfen. Denn auch dadurch, daß die Auslandsbeteiligung der Klägerin zu 2 in die Bewertung ihrer Anteile eingeht, wird sie nicht Gegenstand der Besteuerung des Betriebsvermögens der Klägerin zu 2.
Fundstellen
Haufe-Index 421148 |
BFH/NV 1996, 593 |
BFH/NV 1996, 594 |